Die vier großen Fenster sind beschlagen, die Luft duftet nach einer würzigen Mischung aus Kümmel, Knoblauch und gebratenem Hackfleisch. Es geht hitzig zu im Erdgeschoss der Findorffer Hemmstraße 113. Wir, die Teilnehmerinnen eines Kochevents, konzentrieren uns aufs Petersiliehacken, Kichererbsen schälen und Porree schneiden. Der einzige männliche Teilnehmer würfelt, den Rücken gebückt, einige Zwiebeln. „Wir Männer müssen die niedere Arbeit machen“, kommentiert er mit einem Schmunzeln.

Das Kochevent erinnert eher an einen Abend mit Freunden, als an einen Kochkurs.
Das heutige Kochevent findet mit neun Teilnehmern und einer Moderatorin in einem charmanten Atelier statt. Ein langer Holztisch, auf dem anfangs Zutaten liegen – Aubergine, Knoblauch, Kichererbsen – und dann, 120 Minuten später, zubereitete Gerichte stehen. Funda Klein-Ellinghaus organisiert den Nachmittag: eine Frau mit schlanker Statur, kurzen grau melierten Haaren, rotem Lippenstift und blauen Ohrringen. Eine gebürtige Türkin mit großen, braunen Augen und eine Frau, deren Herz mit ihrem Geschäft verbunden ist. Funda ist Gastgeberin, Köchin, Gesundheitswissenschaftlerin, Geschäftsfrau, Familienmutter, Bremerin mit Migrationshintergrund. Sie zeigt uns, wie Menschen in ihrer Heimat kochen. Mit Kommentaren wie „Das Gericht Babagannusch lebt vom Kreuzkümmel“ verrät sie die Geheimnisse ihrer türkischen Küche. Schnell sind wir mit Funda beim Du. Vielleicht trägt auch das dazu bei, dass das Event nicht wie ein typischer Kochkurs wirkt. Die Atmosphäre ist familiär, es wirkt wie ein Abend bei Freunden.
Die Devise der Gastgeberin: Gemeinsam bereiten wir einfache Gerichte aus frischen, gesunden Zutaten zu, ohne uns an strikte Rezepte zu halten. Wir sollen ein Gefühl dafür bekommen, wie wir Mezze zubereiten, also türkische Vorspeisen. „Mezze lebt davon, dass man unterschiedliche Geschmäcker im Mund hat“, verrät Funda. Und, vor allem: Dass die Speisen am Ende schön und farbenreich präsentiert werden, wohlproportioniert in vielen Schälchen.
Learning by Doing ist bei Funda Programm. Sie teilt jedem Teilnehmer ein Gemüse zu –„Wer will sich um die Möhren kümmern?“ – und schon fängt dieser an, zu schälen, würzen, schnibbeln und rühren. Funda bewegt sich gelassen durch den Raum, beantwortet unsere Fragen, wirft ein wenig Salz oder Joghurt in die Schalen und gibt Anweisungen: Der Granatapfel muss ausgeklopft, die Kichererbsen geschält werden, diese vier Knoblauchzehen hier reingemixt.
Tatsächlich gelingt es uns, die Mezze zügig zuzubereiten. Obwohl Funda nicht bei allen gleichzeitig sein kann, steht niemand verloren im Raum herum: Ist etwa der Blumenkohl fertig bearbeitet, vergibt Funda schnell eine neue Aufgabe.

Während des Kurses heißt es: viel schnippeln.
Das beeindruckt: Fundas orientalische Art zu kochen, peppt ein biederes Gemüse wie den Blumenkohl auf – der wird geröstet und mit Kräutern verfeinert. Auch die Auberginen-Sesampaste, Babagannusch genannt, ist außergewöhnlich. Würde man im Alltag auf die Idee kommen, die Aubergine im Ganzen in einer Grillpfanne zu braten? Um sie danach mit der Gabel zu zerdrücken und mit Joghurt, Sesampaste (Tahini) und Gewürzen zu vermischen? Wohl kaum. Funda bringt einen aber auf diese Idee und beantwortet Fragen wie: „Soll ich die Aubergine schälen? Muss da wirklich so viel Knoblauch rein?“ So werden wir nicht beim Kochen allein gelassen.
Schön ist, dass wir alle ein Gericht gemeinsam zubereiten: den Börek. Das türkische Gebäck kennt wohl jeder Bremer aus dem Backregal oder Dönerimbiss. Nur schmeckt es dort sehr ölig. Wer schon einmal Börek in der Türkei oder auf dem Balkan gegessen hat, der weiß: Dieses Gebäck kann superlecker sein. Beim Hineinbeißen vermischen sich dann köstliche Geschmäcker im Mund – Sesam, ein knuspriger Teig und, je nach Füllung, ein Käse-Kräuter-Mix oder ein Hackfleisch-Zwiebel-Mix. Funda zeigt uns, wie wir einen frischen Börek schnell zubereiten. Sie empfiehlt den Teig, der Yufka heißt, beim Türken zu kaufen, am besten der Marke Arslan. Bloß die Füllung müssen wir vorbereiten und in den Teig einrollen. Die Rolle wickeln wir dann zu Taschen ein, die wie Rosen aussehen. „So ist der Börek schön fluffig und besteht nicht aus einer flachen, öligen Masse“, sagt Funda.

Am Ende lassen es sich alle schmecken.
Ein Höhepunkt des Events ist der Moment, in dem es ans Dekorieren und Auftischen geht: Den rot gefärbten Hummus schaufeln wir in gläserne Schalen und hübschen ihn mit Olivenscheiben und gebratenen Kürbiskernen auf. Das Babagannusch beträufeln wir mit Olivenöl und sprenkeln ein paar Granatapfelkerne darauf. Funda hilft mit Tipps wie: „Diese Schale kann noch ein bisschen Grün vertragen.“ Die Krönung des Nachmittags ist das abschließende Essen mit Funda. Alle ungeklärten Fragen werden nun ausdiskutiert. Auch die privaten Gespräche führen wir fort, während wir die herrliche Mezze vernaschen.
Seit drei Jahren gibt Funda der orientalisch-mediterranen Küche in der Hemmstraße 113 eine Heimat. Damals zog dort ein Einzelhändler aus – und Fundas Interesse flammte auf. Schnell verabredete sie einen Besichtigungstermin, bei dem ihr der Laden die Sprache verschlug. „Als ich die Räume zum ersten Mal von innen sah, war ich sprachlos. Ich konnte nichts sagen, nur meine Telefonnummer dalassen“, sagt Funda. Ihr Mann brachte es auf den Punkt: „Das ist dein Laden.“ Dort fühlt man sich schnell wohl: Es gibt einen langen, erhöhten Holztisch vor der Küchenzeile und einen Ecktisch aus Holz, an dem ein Dutzend Menschen sitzen können. Massive Holzschränke runden das Bild ab. Das viele Holz ist ungemein behaglich und beruhigend. Das Kochatelier ist groß genug, sodass wir neun Teilnehmer ohne eingezogene Ellenbogen arbeiten können. Klein genug ist es wiederum, damit wir uns näherkommen und wie unter Freunden gemeinsam kochen, zu Gast bei Funda.

Im Magazin "Genusswelten" geht es auf eine kulinarische Reise durch Bremen.