Zuletzt hatte knapp jedes zweite Kind an öffentlichen Grundschulen in der Stadt Bremen einen Ganztagsplatz. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP hervor. In Bremerhaven und an privaten Grundschulen ist der Anteil etwas geringer: Mit Blick auf alle öffentlichen und privaten Grundschulen im Land Bremen hatten zuletzt 45,5 Prozent der Kinder einen Ganztagsplatz. Diese Angaben machte die Bildungsbehörde im April auf Anfrage des WESER-KURIER (wir berichteten).
Damit hat Bremen in den kommenden Jahren einen enormen Ausbau zu stemmen. Denn Bremen will und muss die geplanten Vorgaben des Bundes erfüllen. Die Bundesregierung hat zuletzt einen Rechtsanspruch auf Ganztag für Grundschüler auf den Weg gebracht. Ab August 2026 sollen zunächst alle Erstklässler dieses Recht bekommen. In den Folgejahren soll der Anspruch dann pro Jahr um jeweils eine Klassenstufe ausgeweitet werden, sodass ab August 2029 alle Grundschüler ein Recht auf Ganztag haben. Damit soll eine Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita-Zeit für viele Familien entsteht, wenn die Kinder in die Schule kommen.
Bremens Bildungssenatorin beabsichtige, bis 2026 "allen, die dies wünschen, ein Betreuungsangebot unterbreiten zu können", so der Senat. Dafür müsste sich das Tempo beim Ausbau stark steigern. Zuletzt wuchs der Anteil der Ganztagsplätze an städtischen Grundschulen in vier Jahren um sechs Prozentpunkte: von 43,5 Prozent in 2016 auf 49,5 Prozent in 2020.
In Bremen existieren weitere Formen der Nachmittagsbetreuung: Laut Senat gibt es derzeit 2192 Hortplätze für Kinder von sechs bis zehn Jahren. Hinzu kommen 340 Plätze in Schülertreffs an Halbtags-Grundschulen. Derzeit arbeite das Bildungsressort an den Schülertreffs als "Interimsformat" und an einem "Bestandsschutz der Hortangebote", so der Senat. Es solle ein Gesamtkonzept für die Nachmittagsbetreuung entwickelt werden.
Nicht abgefragt und benannt wird in der Kleinen Anfrage, für wie viele Kinder in der Stadt es derzeit keine Nachmittagsbetreuung gibt. Auf Basis der Senatsantwort und weiterer Zahlen der Behörde lässt sich aber schätzen, dass durch Ganztagsschulen, Horte und Schülertreffs weniger als zwei Dritteln aller Kinder ein Nachmittagsangebot gemacht werden kann.
Die Ganztagsplätze sind unterschiedlich verteilt: Die beste Versorgung gibt es in der Vahr (Ganztagsplätze für 82 Prozent der Grundschüler), der Neustadt (73 Prozent) und im Gebiet Mitte/Östliche Vorstadt (61 Prozent). Am geringsten ist ihr Anteil in Woltmershausen (13 Prozent), Blumenthal (30 Prozent) und den Gebieten Horn / Borgfeld / Oberneuland (32 Prozent).
Der Ganztagsausbau wird auch finanziell ein Kraftakt: Der Senat schätzt allein für bauliche Maßnahmen an den Schulen Kosten von rund 200 Millionen Euro bis zum Jahr 2030, davon etwa 130 Millionen Euro für Grundschulen und etwa 70 Millionen Euro für weiterführende Schulen. Um den Nachmittagsbetrieb zu ermöglichen, muss zum Beispiel oft eine Mensa gebaut werden. Nicht enthalten sind in den 200 Millionen Euro beispielsweise die Kosten für zusätzliches Personal.
Hinzu kommt: In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Kinder. Das führte dazu, dass zwar die absolute Zahl der Ganztagsplätze stieg – laut Senat von 2016 bis 2020 um 19 Prozent. Trotzdem sank oder stagnierte der Anteil der Kinder mit Ganztagsplatz 2019 und 2020, weil so viele Kinder zusätzlich in die Schulen kamen.
"Ich hätte mir eine ehrlichere Antwort des Senats erhofft", sagt Birgit Bergmann, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Bremen mache den Familien Hoffnung, dass der Rechtsanspruch termingerecht erfüllt werde. "Da werden die Leute aber verschaukelt", sagt Bergmann. "2021 können wir den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz immer noch nicht erfüllen, den es seit 2018 gibt – man braucht keine Glaskugel, um zu wissen, dass Bremen den Ganztags-Anspruch bis 2026 nicht erfüllen können wird." Der Senat solle einräumen, dass die komplette Umsetzung bis dahin nicht zu schaffen sei und lieber erreichbare Zwischenziele benennen, fordert Bergmann.
Als nächste Schritte gibt der Senat an, dass die Schule Kirchhuchting voraussichtlich in 2023/24 in den gebundenen Ganztag gehen soll. Drei weitere Schulen sollen in den Nachmittagsbetrieb starten: die Schule am alten Postweg, die Schule an der Glockenstraße und die Schule an der Wigmodistraße. Dafür gebe es aber noch keinen Termin. Die Schule an der Admiralstraße soll zudem vom offenen in den gebundenen Ganztag wechseln.
"Es ist schwierig, dass hier offenbar noch keine weitere Planung existiert", sagt Bergmann. Es brauche auch konkrete Zielzahlen für die Stadtteile. "Mein Eindruck ist, dass die Bildungsbehörde die Schulen auf dem Weg zum Ganztag begleitet, aber nicht führt."