Der Pflege-Nachwuchs des Klinikverbundes Gesundheit Nord (Geno) steht vor einer wichtigen beruflichen Weichenstellung – ohne die Konsequenzen absehen zu können. So nehmen es jedenfalls die angehenden Pflegekräfte wahr. Sie erwarten Klarheit von ihrem Arbeitgeber. Doch der kann diese Klarheit kaum herstellen, denn es geht um Sachverhalte, die auf Bundesebene geregelt werden müssen.
Hintergrund ist eine grundsätzliche Umstellung in der pflegerischen Ausbildung, die 2020 deutschlandweit wirksam wurde. Die drei bisherigen Berufsbilder der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege wurden miteinander verbunden. In der Branche spricht man seither von einer generalistischen Pflegeausbildung, die mit dem Berufsabschluss Pflegefachfrau beziehungsweise Pflegefachmann endet. Auch die Geno stellte 2020 die ersten Pflege-Azubis auf der Basis der neuen Ausbildungsordnung ein. 2022 kommen diese jungen Leute ins dritte Lehrjahr und sollen im Februar eine Entscheidung fällen – nämlich entweder die generalistische Ausbildung bis zum Ende weiterzumachen oder den spezialisierten Bildungsgang "Gesundheits- und Kinderkrankenpflege" zu belegen, der dem alten Berufsbild der Kinderkrankenschwester ähnelt.
Bundesausschuss zieht nicht mit
Theoretisch könnten alle Absolventen unabhängig von ihrer Entscheidung nach dem Examen in der Kinderkrankenpflege eingesetzt werden. Doch die Sache hat einen Haken. Die Anforderungen an den Pflegedienst etwa auf Frühgeborenenstationen oder in der Kinderkardiologie regelt nicht der Gesetzgeber, der die generalistische Pflegeausbildung eingeführt hat, sondern der sogenannte Gemeinsame Bundesaussschuss (GBA). Er ist das oberste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen in Deutschland. Und dieser GBA hat seine Richtlinien noch nicht an die generalistische Pflegeausbildung angepasst. Soll heißen: Er verlangt für den Einsatz in den oben genannten Bereichen weiterhin examinierte Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger. Die generalistische Ausbildung reicht ihm nicht. Das Bundesgesundheitsministerium hat dies zwar beanstandet, dringt damit aber bisher nicht durch.
Für den Bremer Pflegenachwuchs ist das eine vertrackte Situation. Die meisten würden den generalistischen Ausbildungsweg gern zu Ende gehen, anschließend aber am liebsten in der Kinderintensivpflege oder in der Kinderonkologie arbeiten. "Dieser Traum steht leider auf der Kippe, denn so wie es jetzt aussieht, dürfen wir das mit der neuen Ausbildung nicht", sagt Natalie Krebs, die zum Ausbildungsjahrgang 2020 gehört. Also doch lieber den spezialisierten Bildungsgang Gesundheits- und Kinderkrankenpflege belegen? Diese Entscheidung steht für Natalie Krebs und ihre Mitschüler in Kürze an.
"Steine in den Weg gelegt"
Daniela Wendorff ist Leiterin der Geno-Bildungsakademie. Sie weiß um das Problem. "Unsere armen Auszubildenden hängen da tatsächlich in der Luft", sagt Wendorff. Die generalistische Pflegeausbildung habe aktuell noch Schwierigkeiten, sich durchzusetzen und Vorbehalte von Praktikern in spezialisierten Pflegesektoren zu überwinden. Wendorff hofft allerdings, dass sich dieser Widerstand nicht mehr lange hält. Sie rät den Azubis deshalb dazu, bei der generalistischen Ausbildung zu bleiben – zumal diese EU-weit anerkannt sei. Für Januar kündigt sie ein Gespräch mit den Auszubildenden an, bei dem auch Behördenvertreter anwesend sein werden.
Für Natalie Krebs ist das Dilemma, mit dem ihr Azubi-Jahrgang konfrontiert ist, schlicht skandalös. "Alle Welt redet über den Pflegekräftemangel, und dann werden uns solche Steine in den Weg gelegt", ärgert sich die angehende Pflegefachfrau. Die Politik habe das Ausbildung reformiert. Nun müsse sie auch dafür sorgen, dass der Abschluss die versprochenen beruflichen Chancen eröffnet.