Bremen. Pflegeheime schließen Stationen, ambulante Dienste lehnen Aufträge ab, weil sie zu wenig Personal haben - die private Pflegebranche malt ein düsteres Bild. Schon wird der Pflegenotstand ausgerufen und die Bundesregierung aufgefordert, einen Pflegegipfel einzuberufen. 'Der Arbeitsmarkt für Pflegefachkräfte ist bereits heute wie leergefegt', mahnt Bernd Meurer, Chef des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste. Eine erhöhte Nachfrage nach Pflegekräften belegen auch Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Die Bremer Heimstiftung warnt jedoch vor Panikmache. Von einem Pflegenotstand könne keine Rede sein.
Nach Angaben der BA weist die aktuelle Statistik (Stand: April 2010) für examinierte Altenpfleger/innen mit dreijähriger Ausbildung 4166 Arbeitslose aus. Dieser Zahl stehen aber 8617 gemeldete Stellen gegenüber. Die Nachfrage nach Pflegefachkräften ist demnach eindeutig höher als das Angebot.
Dieser Trend hält an. Die Angaben der BA zur Zahl der gemeldeten Stellen für Krankenschwestern/-pfleger (ohne Hebammen) sowie für Altenpfleger: 'Vergleicht man das erste Halbjahr 2010 zum ersten Halbjahr 2009 so war ein Anstieg um 10 Prozent zu verzeichnen. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2008 wurden sogar fast 70 Prozent mehr Stellen für diese Berufe gemeldet.'
Ein Blick auf die Stellenangebote der Bremer Heimstiftung zeigt, dass es auch dort Bedarf an Pflegekräften gibt. Gesucht werden aktuell zwei Pflegekräfte für den Tagesdienst, Fachkräfte für den Nachtdienst, erfahrene Pflegehelfer für Privathaushalte, Pfleger in Teilzeit und diverse mehr. Von eine Notlage will André Vater, Finanzvorstand der Stiftung, nicht sprechen. Zwar bestätigt auch er, dass 'der Markt für Pflegekräfte in den letzten Jahren angespannter geworden ist', einen Grund zur Sorge oder gar Panik gebe es jedoch nicht. Vater verweist aber auch auf große regionale Unterschiede. Es sei viel schwieriger, im Süden Fachkräfte zu bekommen als im Bremer Raum.
"Mitverantwortlich für die Misere"
Und Vater übt auch Kritik an der privaten Pflegebranche, die Verbandschef Meurer vertritt. 'Jemand, der in schlechten Zeiten nicht mehr ausbildet, muss sich nicht wundern, wenn er in guten Zeiten keine Fachkräfte zur Verfügung hat', betont Vater und verweist darauf, dass die Bremer Heimstiftung selbst zwei Schulen für die Ausbildung von Altenpflegern betreibt. Es gebe große Unterschiede zwischen den gewerblichen Anbietern und denen aus der freien Wohlfahrtspflege. Bei den Gewerblichen sei häufig die Arbeit weniger attraktiv. Der Grund: niedrigere Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen, weil zu wenig Personal. Kein Wunder, so Vater, dass es da schwerer sei, Personal zu finden, wenn der Bedarf steige.
Elisabeth Scharfenberg, für die Grünen Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik, nimmt die Vorwürfe der privaten Pflegebranche zwar ernst, gibt Meurers Kritik aber auch zurück: 'Die, die sich jetzt so laut beschweren, sind als Arbeitgeber und Tarifpartner mitverantwortlich für die Misere', lautet ihr Einwand. Wenn der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften nicht gedeckt werden könne, dann sei das ein deutliches Zeichen dafür, dass der Pflegeberuf immer noch nicht attraktiv genug sei. Nicht die Politik, sondern in erster Linie die Tarifpartner könnten daran etwas ändern.
Die Liste der Beschwerden ist lang: trotz der sehr verantwortungsvollen Arbeit und eingeführter Mindestlöhne eine unattraktive Bezahlung, hohe Fluktuation im Personal, kräftezehrender Schichtdienst. Die Arbeitgeber, so Scharfenberg, könnten daran etwas ändern. 'Sie haben für ihre Beschäftigten die Fürsorgepflicht und damit die Arbeitszufriedenheit ihrer Beschäftigten selbst in der Hand.'
Die Forderung nach einem Pflegegipfel unterstützt die Grüne. Dazu müssten aber nicht nur Verbände, sondern auch Verbraucherschützer, Selbsthilfegruppen und Vertreter pflegender Angehöriger eingeladen werden. Scharfenberg wirft Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vor, das Thema Pflege weitgehend zu ignorieren. Große Reformvorhaben seien im Koalitionsvertrag angekündigt, darunter eine Reform der Pflegeausbildung, eine Finanzreform und eine Neubestimmung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit. Zu all diesen Projekten schweige das Ministerium.
Dort nachgefragt heißt es, es gebe derzeit noch 'keinen Zeitplan für eine Pflegereform'. Es würden aber voraussichtlich Ende des Jahres oder Anfang des nächsten Jahres konkrete Zeitpläne und Schritte besprochen. Zunächst aber habe die Finanzreform der Krankenversicherung Vorrang, sagte eine Ministeriumssprecherin. Auch an einen Pflegegipfel werde nicht gedacht. Mit den Verbänden sei man über das Thema Pflege aber im Gespräch.