Hohe Krankenstände beim Pflegepersonal und der Fachkräftemangel haben einen großen Anteil an der an diesem Dienstag offiziell vom Amtsgericht verkündeten Insolvenz der Bremer Convivo-Gruppe. Beide Faktoren zusammen haben nach Angaben des Unternehmens dazu geführt, dass in den über 60 Pflegeheimen des Unternehmens – davon zehn in Bremen – durchschnittlich nur noch 70 Prozent der vollstationär vorgehaltenen Plätze tatsächlich genutzt werden konnten. Als branchenüblich gilt eine Kalkulation von wenigstens 90 bis 95 Prozent. Die geringere Belegung der Häuser bedeutete fehlende Einnahmen, bei gleichzeitig steigenden Kosten unter anderem für Verpflegung und Energie.
Als spezifisches Problem kamen offenbar sogenannte Index-Mietverträge für viele Einrichtungen hinzu, bei denen Mieten und Pachten an die allgemeine Inflation gekoppelt sind. Das bedeutet derzeit ebenfalls steigende Kosten. Gleiches gilt für den Einsatz von Personal aus Zeitarbeitsdienstleistern. Alles zusammen brachte die seit rund seit 30 Jahren tätige Convivo-Unternehmensgruppe in eine finanzielle Schieflage, die nun mittels des Insolvenzrechtes wieder ins Lot gebracht werden soll.
Zuvor hatte das in Bremen gegründete Unternehmen nach eigenen Angaben noch versucht, durch den Verkauf von Standorten die Liquidität zu sichern sowie Beteiligungspartner zu finden. "Nach anfänglich erfolgreichen Gesprächen kam es Ende 2022 und durch die nochmals verschärfte Marktsituation am Anfang des Jahres 2023 zu einer weiteren kurzfristigen Absage der angestrebten Beteiligungen", heißt es einer Mitteilung. Die parallel geführten Gespräche mit der Politik hätten aufgrund des zeitlichen Engpasses ebenfalls zu keiner Lösung geführt. Auch privat eingebrachte Mittel des Unternehmensgründers und Geschäftsführers Torsten Gehle reichten nicht aus.
Den Gang zum Amtsgericht hat neben der Convivo Holding GmbH als Dachgesellschaft auch die Convivo Parks GmbH angetreten, in der die Einrichtungen für das Service-Wohnen zusammengefasst sind, sowie die Convivo Life GmbH, die vor allem mobile Dienste organisiert, aber auch einige stationäre Häuser betreibt. Mit der Convivo 40 GmbH und die Pflegezentrum Rotenburg-Scheeßel GmbH sind zwei weitere Unternehmen der Gruppe ebenfalls in der Insolvenz.
Wie sich das weitere Verfahren der Dachgesellschaft auf die übrigen Beteiligungen auswirkt, ist derzeit noch unklar. Die einzelnen Einrichtungen sind zumeist selbstständige GmbHs, an denen die Holding häufig die Mehrheitsanteile besitzt. Insgesamt zählen etwa 85 Einzelunternehmen zur Gruppe. Dazu kommen zahlreiche Minderheitsbeteiligungen.
Mit gut 4500 vollstationär betreuten Bewohnern in 61 Pflegeheimen vor allem in Nordwest-Deutschland gehört die Bremer Convivo-Gruppe zu den 20 größten privaten Pflegeanbietern in Deutschland. Insgesamt beschäftigt die Unternehmensgruppe 4800 Menschen. Die in Bremen und Hamburg ansässigen Rechtsanwälte Malte Köster und Christoph Morgen haben ihre Arbeit als Insolvenzverwalter sofort aufgenommen. "Im Moment verschaffen wir uns gemeinsam mit unseren Teams ein Bild vor Ort, um im Anschluss die Mitarbeiter über die bevorstehenden Schritte im Insolvenzverfahren zu informieren“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Die pflegerische Versorgung der betroffenen Bewohner sei vollumfänglich sichergestellt. Die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter sind über das Insolvenzgeld bis März gesichert. Das Bremer Sozialressort zeigt sich optimistisch, dass sich für die zehn Standorte mit rund 500 Pflegeplätzen in Bremen Lösungen für eine Fortsetzung des Betriebs über den März hinaus finden werden.
Laut dem letzten veröffentlichten Geschäftsbericht der Holding betrug der Jahresumsatz 2020 gut 187 Millionen Euro. Dem stehen Lohnkosten von etwa 120 Millionen Euro sowie jährliche Mietkosten für die Einrichtungen von etwa 35 Millionen Euro als größte Einzelposten bei den Ausgaben gegenüber. Als Jahresüberschuss wurden 2020 etwa 400.000 Euro ausgewiesen. Im Jahr zuvor waren es noch mehr als 15 Millionen Euro. Der auffällige Unterschied wird durch den Verkauf zweier Tochtergesellschaften im Jahr 2019 erklärt.
Die Insolvenz eines anderen, von der Diakonie geführten Pflegeheims am Kirchweg beschäftigt bereits seit Anfang Januar die Bremer Behörden, weil hier keine Weiterführung des Betriebs gelang. Mehr als 90 Bewohner brauchen eine neue Bleibe. Laut Wohn- und Betreuungsaufsicht konnten bis Ende voriger Woche 46 Betroffene umziehen. Der Einrichtungsleiter geht davon aus, dass bis Mitte Februar alle Bewohner anderweitig untergebracht sind.