Für die mehr als 90 Pflegebedürftigen des in Insolvenz gegangenen Pflegeheims am Kirchweg dürfte ein Umzug innerhalb der Neustadt schwierig werden. Eine aktuell von der Heim- und Betreuungsaufsicht zusammengestellte Liste mit freien Plätzen in anderen Einrichtungen weist keine einzige Möglichkeit für die Betroffenen aus, im Stadtteil zu verbleiben. Die nächstgelegenen Angebote liegen in Bremen Mitte oder Huchting. Weitere Plätze verteilen sich über das gesamte Stadtgebiet bis Bremen-Nord.
Die Senioren müssen ihr jetziges Pflegeheim bis Ende Februar verlassen, weil es im Rahmen der vorläufigen Insolvenz nicht gelungen ist, für das vom Diakonieverein Berlin-Zehlendorf betriebene defizitäre Haus, einen neuen Träger zu finden. Die ebenfalls zur Diakonie gehörende Stiftung Lobetal hatte kurzfristig wenige Tage vor Weihnachten und laut Insolvenzverwalter unerwartet einen Rückzieher gemacht, nachdem sie sich bereits als neue Betreiberin bei Bewohnern und Beschäftigten präsentiert hatte.
Die reinen Zahlen der vierseitigen Liste mit freien Heimplätzen aus der Behörde weckt auf den ersten Blick zudem zwar die Hoffnung, dass es bis Ende Februar gelingt, alle Bewohner unterzubringen, weil insgesamt mehr als 220 Plätze aufgezählt werden. Allerdings sind nur 35 tatsächlich unmittelbar verfügbar. Bei knapp 190 Plätzen sind die Angebote mit der Bedingung verknüpft, dass Pflegepersonal aus dem Haus am Kirchweg mitkommen müsste. Die Liste lässt daher Rückschlüsse darüber zu, wo Pflegeplätze zwar baulich in Form von Zimmern und Betten vorhanden sind, derzeit aber Belegungsstopps verfügt, vereinbart oder freiwillig von den Betreibern verhängt wurden, weil den jeweiligen Häusern das Personal fehlt, um die gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel einzuhalten.
Auch gibt es an vielen Stellen weitere Rahmenbedingungen und Einschränkungen. So sind nicht alle Plätze für Pflegebedürftige mit Demenz geeignet oder es können nur bestimmte Pflegegrade aufgenommen werden. Andere Plätze sind vom Betreiber als „Komfortzimmer“ ausgewiesen, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind.
Die Wohn- und Betreuungsaufsicht hat nun eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die Bewohner, Heimbetreiber und Personal zusammenbringen soll. Ob es immer gelingt, passende „Umzugspakete“ zum Beispiel aus vertrauten Zimmernachbarn und Personal zu organisieren, ist offen. „Wir können allen Bewohnern und Beschäftigten immer nur Angebote machen, sie sind grundsätzlich frei, sich individuell unterschiedlich zu entscheiden“, sagt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts.
Keine Änderung gibt es für den von der Spechtgruppe geplanten Ersatzbau für das Pflegeheim am Kirchweg. Er soll in unmittelbarer Nähe auf dem Gelände der ehemaligen Silberwarenfabrik Koch und Bergfeld entstehen. Ursprünglich sollte die nun insolvente Einrichtung ab 2024 vollständig dahin umziehen. Damit sollten zugleich die zahlreichen Probleme mit der bisherigen Immobilie gelöst werden, deren 70er-Jahre-Architektur und Zustand als eine wesentliche Ursache für die Betriebsverluste gelten.
Firmenchef Rolf Specht hat auf Anfrage des WESER-KURER angekündigt, das Pflegeheim in dem nun nicht mehr als Ersatz notwendigen Neubau als neue Einrichtung in Eigenregie zu betreiben. „Die Plätze werden ja gerade in der Neustadt gebraucht, wie man jetzt sieht“, sagte Specht. Keine Abstriche gibt es auch bei der geplanten Größe von etwa 110 Plätzen. Eigentlich gilt in Bremen eine Begrenzung auf 80 Plätze für neue Häuser. Weil der Neubau eine bereits bestehende Einrichtung aufnehmen sollte, konnte Specht davon abweichen. Jetzt ist der Planungsprozess nach Ansicht des Unternehmers wie auch der Sozialbehörde aber zu weit vorangeschritten, um die Zahl noch zu reduzieren.