Pflegekräfte im Land Bremen arbeiten bereits jetzt am Limit – die Bedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werden sich in den kommenden Jahren aber noch weiter zulasten der Beschäftigten verschlechtern. Zu diesem Befund kommt eine repräsentative Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen.
„Bei den Beschäftigten kommt zu wenig Wertschätzung an“, sagte Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Kammer. „Gesellschaftlicher Respekt drückt sich nicht nur in Zuspruch aus, sondern auch in angemessenen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen. Da sind wir in der Pflege aber noch lange nicht.“ Die aktuelle Auswertung der Kammer für den Gesundheitsbereich basiert auf einer Befragung von Beschäftigten in Bremen aus dem Jahr 2017.
Rund 20 000 sozialversichert Beschäftigte in Bremen und Bremerhaven arbeiten danach in stationären Einrichtungen, 14 000 in Krankenhäusern und 6000 in Alten- und Pflegeeinrichtungen. „Ihre Lage ist von einem bereits jetzt erheblichen Fachkräftemangel geprägt“, betonte der Kammer-Chef. In der Altenpflege kämen derzeit auf einen Arbeitssuchenden vier offene Stellen, in der Krankenpflege sei das Verhältnis eins zu zwei. Im Schnitt dauere es ein halbes Jahr, bis eine Stelle besetzt sei.
Fachkräftemangel wird noch größer
Schierenbeck: „Der Fachkräftemangel wird in den nächsten Jahren noch größer.“ Die Gründe: Mit einer höheren Lebenserwartung steige der Pflegebedarf. Auf der anderen Seite führten die schlechten Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dazu, dass sich zu wenige junge Menschen für den Pflegeberuf entschieden – und gleichzeitig immer mehr Beschäftigte früher aus dem Beruf ausschieden. So gab laut der Studie fast die Hälfte (45 Prozent) der Befragten an, dass eine Beschäftigung bis zum regulären Renteneintritt nicht möglich sei. „Dabei ist bereits jetzt rund ein Viertel der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen über 55 Jahre alt“, so der Kammer-Chef.
Auch in Niedersachsen wird sich der Notstand laut der Pflegekammer des Landes verschärfen: „Bis 2033 werden voraussichtlich 35 bis 43 Prozent der heute in Niedersachsen tätigen Pflegefachpersonen nicht mehr in ihrem Pflegeberuf tätig sein“, sagte Kammer-Präsidentin Sandra Mehmecke in einer Mitteilung zur Vorstellung eines Lageberichts Ende Dezember. Diese Lücke könne durch den Nachwuchs kaum geschlossen werden.
Die Ergebnisse der Befragung in Bremen zeigen laut Schierenbeck deutliche Unterschiede zu anderen Branchen: So sei vor allem in der Altenpflege der Anteil der Teilzeitkräfte überdurchschnittlich hoch, bei den Fachkräften erreiche er einen Spitzenwert von 80 Prozent. Grund dafür seien oft betriebswirtschaftliche Interessen, Teilzeitkräfte könnten zeitlich flexibler eingeteilt und leichter aus arbeitsfreien Zeiten geholt werden. In den Pflegeheimen würden rund ein Viertel der Pflegekräfte gern mehr arbeiten.
Die meisten Pflegekräfte bekommen nur wenig Gehalt
Das hänge auch mit den niedrigen Verdiensten zusammen: „Mehr als die Hälfte bekommt monatlich weniger als 1500 Euro netto“, so der Hauptgeschäftsführer der Bremer Kammer. Im Bundesdurchschnitt bekämen die Beschäftigten in der Altenpflege immer noch 600 Euro weniger als ausgebildete Fachkräfte in den Kliniken. „Das liegt auch daran, dass es in Kliniken noch Tarifstrukturen gibt“, so die Geschäftsführerin und Leiterin der Politikberatung der Kammer, Elke Heyduck.
Die dünne Personaldecke und Arbeitsverdichtung führten dazu, dass vor allem körperliche Belastungen deutlich gestiegen seien: Über 60 Prozent der Beschäftigten in Kliniken und Pflegeheimen gaben dies an, nur vom Baugewerbe mit über 80 Prozent werde der Wert übertroffen. Einen weiteren negativen Spitzenwert liefert die Frage nach Stress und Arbeitsdruck: 88 Prozent in Kliniken und 69 Prozent in Pflegeeinrichtungen gaben an, fast immer oder oft schnell arbeiten zu müssen. Schierenbeck: „Die Folge ist chronischer Zeitmangel. Wenn man diese Zahl als Patient hört, kann einem anders werden.“
Das Sofortprogramm von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das bundesweit 13 000 zusätzliche Pflegestellen vorsieht, löse den Notstand nicht: „Woher sollen Fachkräfte kommen, wenn schon jetzt offene Stellen nicht besetzt werden können“, sagte Heyduck. Die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden; das bedeute mehr Vollzeitstellen, bessere Bezahlung sowie bundesweit einheitliche Vorgaben zur Personalbemessung.