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Zugewanderte Kinder 85 ausländische Lehrkräfte unterrichten an Bremer Schulen

An Bremens Schulen sind viele Kinder aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien dazu gekommen. Und inzwischen arbeiten auch etliche ausländische Pädagogen hier. Ein ukrainische Lehrerin erzählt von ihrem Neustart.
25.01.2024, 05:00 Uhr
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85 ausländische Lehrkräfte unterrichten an Bremer Schulen
Von Sara Sundermann

Zinaida Kulia geht von Tisch zu Tisch und gibt ihren ukrainischen Schülerinnen und Schülern hier und da einen Tipp. Die 9. Klasse der Willkommensschule Ohlenhof in Gröpelingen übt gerade "Wenn-dann"-Sätze im Deutschen. Lehrerin Kulia kann mit den Jugendlichen jederzeit vom Deutschen ins Ukrainische wechseln – denn sie ist selbst Ukrainerin. Allerdings spricht sie fließend Deutsch, schon in der Ukraine begann sie vor vier Jahren mit Sprachkursen am Goethe-Institut.

85 Lehrkräfte, die ihren Abschluss im Ausland gemacht haben, arbeiten inzwischen an den Schulen der Stadt. Sie wurden laut Bildungsbehörde seit 2023 eingestellt. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges habe Bremen die Zugangsvoraussetzungen für ausländische Lehrkräfte deutlich gesenkt, betont die Behörde. Die meisten der zugewanderten Pädagogen arbeiten als Sprachförderkräfte an den Willkommensschulen, die in Bremen zuletzt neu entstanden sind. Es sind Schulen für Kinder aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien, die noch kein Deutsch können. Von den 85 ausländischen Lehrkräften kommen 38 aus der Ukraine. Sie sind bei der Bildungsbehörde oder beim Verein Stadtteilschule angestellt.

Lehramts-Master mit 21 Jahren

Zinaida Kulia wirkt professionell und freundlich – und dabei gar nicht so viel älter als ihre Schüler. Sie ist 25 Jahre alt. "Ich habe aber schon vier Jahre Berufserfahrung", sagt sie und lacht. In der Ukraine verließ sie die Schule mit 16, dann studierte sie Lehramt und machte ihren Master mit 21. "In der Ukraine gibt es für Lehrer kein Referendariat", schildert die junge Frau. In ihrem Heimatland würden junge Menschen generell früher ins Berufsleben starten als in Deutschland.

Im Februar 2022 begann der russische Angriff auf die Ukraine. Im Herbst kamen Zinaida Kulia und ihr Mann nach Bremen. Sie beide hatten tatsächlich schon vor Beginn des Krieges geplant, nach Deutschland auszuwandern. Doch so hatten sie sich ihre Auswanderung nicht vorgestellt.

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Gut war für Zinaida Kulia aber, dass sie hier rasch als Lehrerin arbeiten konnte. Ihr Berufsstart im neuen Land lief in Rekordgeschwindigkeit – so leicht ist es keineswegs für alle. "Im November bin ich angekommen, im Dezember habe ich angefangen, hier zu arbeiten", sagt die junge Pädagogin. "Wir wurden ohne Anerkennung direkt als Sprachförderkräfte eingestellt." Lediglich ihr ukrainisches Abschlusszeugnis hatte sie zuvor von einer Anerkennungsberatung in Bonn bewerten lassen.

Berufsbegleitend besuchte Zinaida Kulia ein Jahr lang einen für ausländische Pädagogen konzipierten Deutschkurs des Paritätischen Bildungswerks. "Das war ein Sprachkurs, kombiniert mit Basis-Qualifikationen für den Beruf", sagt die 25-Jährige. Vermittelt worden sei auch Wissen dazu, wie man als Lehrerin mit Eltern und Schülern spricht und welche gesetzlichen Richtlinien an Bremer Schulen gelten.

"Anpassung ohne Stress"

Inzwischen unterrichtet Zinaida Kulia "Deutsch als Zweitsprache" und "Gesellschaft und Politik" und ist Klassenlehrerin einer 9. Klasse an der Willkommensschule. "Viele Kinder haben gedacht, der Krieg ist bald vorbei, dann gehen wir zurück in die Ukraine", sagt Zinaida Kulia. Auch sie selbst habe anfangs auf ein rasches Kriegsende gehofft. "Aber die Kinder müssen die Realität wahrnehmen: Wir müssen hier lernen, studieren oder eine Ausbildung machen, um in Sicherheit zu bleiben." An der Willkommensschule sei es für die Kinder möglich, sich langsam an die neue Situation zu gewöhnen: "Wir können hier die Anpassung ohne Stress machen."

"Bremen strengt sich zurzeit sehr an, um mehr Lehrkräfte an die Schulen zu holen und Qualifizierungsangebote zu machen", sagt Eckhard Feige, Schulleiter der Willkommensschule Ohlenhof. Etwa 150 ukrainische Kinder werden an seiner Schule von 20 mehrheitlich ukrainischen Lehrkräften unterrichtet. Für ausländische Pädagogen böten sich derzeit große Chancen, ist Feige überzeugt. "Wir haben schon drei unserer besten ausländischen Lehrkräfte abgegeben an Regelschulen, das ist auch ein Gewinn für die Bremer Schulen."

Deutsch auf C1-Niveau gefordert

Bremen will die internationalen Pädagogen dauerhaft halten, zunächst für den Unterricht der zugewanderten Kinder. 12 der 85 ausländischen Pädagogen haben laut Behörde bereits unbefristete Verträge erhalten, 70 befänden sich im Prozess für eine dauerhafte Übernahme. Viele ukrainische Lehrkräfte hätten inzwischen Deutschkenntnisse auf C1-Niveau erworben. Das wird auch erwartet: Wer unbefristet als Sprachförderkraft in Bremen beschäftigt werden will, muss bis Ende des Jahres den C1-Nachweis einreichen. Auch für eine Einstellung als regulärer Lehrer an Bremer Schulen wird C1 gefordert. C1 ist die zweithöchste Stufe der Sprachzertifikate – noch besser ist nur C2, das als fast muttersprachliches Niveau gilt. 

Zinaida Kulia kann schon jetzt das höchste Deutsch-Niveau vorweisen. Perspektivisch kann sie sich vorstellen, noch mal in Deutschland auf Lehramt zu studieren oder das Referendariat zu machen. Genau festlegen möchte sie sich im Moment aber noch nicht.

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