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Koalitionsgespräche Wie sich Bremen in die Ampel-Verhandlungen einbringt

Bremer Akteure sitzen in diesen Tagen mit am Tisch, wenn über Inhalte für einen Koalitionsvertrag auf Bundesebene gerungen wird. Dem WESER-KURIER haben sie erzählt, wie sie die Ampel-Gespräche erleben.
05.11.2021, 16:30 Uhr
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Wie sich Bremen in die Ampel-Verhandlungen einbringt
Von Jürgen Theiner

In Berlin laufen die Koalitionsverhandlungen auf vollen Touren, und sechs Bremer reden dabei ein Wörtchen mit. Insbesondere die örtlichen Grünen sind zahlenmäßig vergleichsweise stark vertreten, sie stellen allein drei der Unterhändler.

Der zwischen SPD, Grünen und FDP verabredete Zeitplan sieht vor, dass zunächst die Fachpolitiker der Parteien in insgesamt 22 Arbeitsgruppen inhaltliche Vorarbeit leisten. Bis zum 10. November sollen entsprechende Papiere vorliegen, die dann von den Parteispitzen abschließend beraten werden. In einer dieser Fachgruppen geht es um Mobilität, und wie es der Zufall will, führt dieses Thema zwei Schwergewichte der Bremer Landespolitik zusammen.

Sowohl Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) als auch Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), die aktuell der Verkehrsministerkonferenz der Länder vorsteht, wurden von ihren jeweiligen Bundesparteien in das Gremium berufen. Zum inhaltlichen Stand der Beratungen sagen Bovenschulte und Schaefer ebenso wenig wie irgendein anderer namhafter politischer Akteur in Berlin, denn die künftigen Koalitionäre haben sich für die aktuelle Phase der Gespräche ein striktes Schweigegelübde gegenüber den Medien auferlegt.

Also beschränkt sich der Bürgermeister auf die allgemeine Stimmung in der Mobilitäts-AG, wenn er sagt: "Wir müssen hier tiefgehende Schiffe durch den Kanal ziehen. Die Gesprächsatmosphäre ist allerdings gut und konstruktiv." Was ihm und auch den anderen Bremern bei der Berliner Runde zugute komme, sei die kombinierte Erfahrung von Landes- und Kommunalpolitik. Anders als manche Landespolitiker aus Flächenländern sei man "dicht dran an der kommunalen Ebene", etwa bei Themen wie der Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs.

Wir müssen hier tiefgehende Schiffe durch den Kanal ziehen
Andreas Bovenschulte über die Koalitionsgespräche der Ampel-Parteien

Ganz ähnlich sieht das Maike Schaefer. Den Ablauf eines Verhandlungstages in der Arbeitsgruppe muss man sich nach ihren Worten so vorstellen: Morgens absolvieren die AG-Mitglieder jeder Partei zunächst separate Vorbereitungsrunden. Anschließend findet man sich in großem Kreis zusammen. "Wir sitzen dann in einer Hufeisenrunde, und in der Mitte steht ein großer Beamer, der die Texte projiziert, an denen wir arbeiten", schildert Schaefer den Arbeitsgruppenalltag. Ähnlich wie der Bürgermeister sieht auch Schaefer die Verhandlungen auf einem guten Weg. Allerdings gebe es noch "Knackepunkte", die bis zur nächsten Woche ausgeräumt werden müssten.

Anja Stahmann (Grüne) ist das dritte Senatsmitglied, das in diesen Tagen öfter in Berlin unterwegs ist. Die Sozialsenatorin nimmt an der Arbeitsgruppe "Kinder, Familie und Jugend" teil – und tut das offenbar mit großer Befriedigung. Die Beratungen kämen gut voran, meint die gebürtige Bremerhavenerin, das Arbeitsklima sei konzentriert und sehr professionell. "Alle Parteien haben Leute geschickt, die da nicht nur hinkommen, um sich aufzuwärmen", sagt Stahmann. Manches von dem, was sich als Ergebnis abzeichne, "hätten wir mit CDU/CSU so wohl nicht vereinbaren können", ist sie überzeugt.

Aus der zweiten Reihe der Landesregierung mischt Staatsrat Martin Hagen in der Hauptstadt mit, genauer gesagt: in der Arbeitsgruppe "Moderner Staat und Demokratie". Hagen gilt als ausgewiesener Experte für Fragen der Digitalisierung des Behördenapparats. Er freut sich, dass seine Partei ihn gebeten hat, "Querschnittsthemen wie die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren und die Beschleunigung von Planungsverfahren mit zu verhandeln". Hagens Ziel: eine "Modernisierungskoalition für Deutschland".

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Auch die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Sarah Ryglewski, ist in Berlin mit von der Partie. Im Unterschied zu den anderen Bremer Unterhändlern hat die Sozialdemokratin ihren Arbeitsplatz allerdings ohnehin in der Hauptstadt und besitzt aufgrund ihrer Position einen kurzen Draht zum designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In ihrer Arbeitsgruppe "Finanzen und Haushalt" geht es um die sehr grundsätzliche Frage, wie viel Geld für all die Reformprojekte zur Verfügung stehen wird, mit denen die angestrebte Ampelkoalition einen gesellschaftlichen Aufbruch bewirken möchte. Gerade in finanzpolitischen Fragen gab es bisher einen tiefen Graben zwischen SPD und FDP. Ryglewski sagte dem WESER-KURIER, sie sei dennoch zuversichtlich, "dass wir zu einem Ergebnis kommen werden, hinter dem alle drei Parteien stehen werden".

Ein Bremer Akteur, den man bei den Berliner Gesprächen vielleicht nicht auf Anhieb erwartet hätte, ist Magnus Buhlert. Schließlich ist der Freidemokrat "nur" einfacher Abgeordneter des kleinsten Landesparlaments. Allerdings koordiniert er schon seit mehreren Jahren die Wissenschaftspolitik der FDP-Fraktionen von Bund und Ländern, und in dieser Funktion nimmt er an den Gesprächen der Arbeitsgruppe "Innovation, Wissenschaft und Forschung" teil. "Ich empfinde das als eine Ehre", sagt der Liberale. Was die anderen Bremer in Berlin so treiben, behält er dabei durchaus im Blick. Mit feinem Spott kommentiert er: "Der Bürgermeister und Maike Schaefer freuen sich bestimmt, dass sie sich verkehrspolitisch mal über etwas anderes unterhalten dürfen als über die Martinistraße."

Die Beratungen der 22 Arbeitsgruppen finden zum Teil in den Landesvertretungen der Bundesländer in Berlin statt. Auch die Bremische "Botschaft" an der Spree war schon zweimal Schauplatz eines solchen Treffens. "Das ist natürlich etwas Besonderes, aber auch nichts Ungewohntes für uns", sagt der für das Protokoll zuständige Sprecher der Landesvertretung, Veit Swoboda. So viele bekannte politische Akteure wie zurzeit seien zuletzt wohl Mitte des vergangenen Jahrzehnts in der Bremischen Vertretung ein und aus gegangen. Damals hatte Bremen den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne, entsprechend gefragt war damals die Adresse an der Hiroshimastraße 24, gelegen zwischen Tiergarten und Landwehrkanal.

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