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Unbegleitete Minderjährige Antänzer und Einbrecher: Jugendbanden beschäftigen Bremer Polizei

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die serienweise Straftaten begehen? Und keiner weiß, wie man ihrer Herr werden soll? Was derzeit in Bremen und im Umland passiert, erinnert stark an die Jahre 2015/16.
23.03.2023, 05:00 Uhr
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Antänzer und Einbrecher: Jugendbanden beschäftigen Bremer Polizei
Von Ralf Michel

Zwei Gruppen unbegleiteter minderjähriger Ausländer aus Bremen haben in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Straftaten begangen – in der Stadt, aber auch im niedersächsischen Umland. Ein Apotheker aus Verden hat nach mehreren Einbrüchen in sein Ladenlokal Anzeige erstattet: nicht gegen den 13-jährigen Täter, sondern gegen das Jugendamt Bremen und den Betreuer des Jungen. Er wirft den Bremer Behörden vor, sich nicht ausreichend um das Kind zu kümmern.

Hinsichtlich der Täter tappt die Polizei keineswegs im Dunkeln. Im Gegenteil, sagt Holger Jureczko, Sprecher der Bundespolizei in Bremen. „Es sind ja immer dieselben.“ Seit Anfang Februar habe man eine achtköpfige Gruppe im Visier. Jugendliche aus Albanien und Algerien, die in wechselnder Zusammensetzung agierten – im Hauptbahnhof, in den Zügen und im Stadtgebiet. „Sie pendeln hin und her und spähen den gesamten Bahnhofsbereich nach möglichen Opfern aus. Die gehen hier regelrecht Streife.“

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Im Bahnhof seien angetrunkene Männer die bevorzugten Opfer, erklärt Jureczko. Oft gehe es dabei um sogenannte Antanz-Diebstähle. Die Männer würden freundlich angesprochen, umarmt und dabei bestohlen. In den Zügen gingen die Täter durch die Waggons, um das Terrain nach Beute abzuscannen. Manchmal wurden die Diebe auf frischer Tat ertappt oder nachträglich über die Videokameras im Bahnhof überführt. Auf sichergestellten Handys fanden sich Fotos von ihrer mutmaßlichen Beute, wie etwa von dekorativ ausgebreiteten Geldscheinen. Die Jugendlichen hatten sie selbst aufgenommen, erzählt der Polizeisprecher. Vielleicht, um damit vor anderen anzugeben. 

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Die Mitglieder dieser Gruppe sollen zwischen 14 und 18 Jahre alt sein, die meisten seien 16 oder 17. Ein, zwei Jahre jünger sollen die vier Täter einer zweiten Gruppe sein, laut Jureczko zwei marokkanische Brüderpaare. Die Polizei macht sie für mehr als 20 Einbrüche in Bremen und Umland verantwortlich, mehrere davon in Apotheken. 

Einer dieser Täter ist erst 13. Seinetwegen erstattete der Apotheker aus Verden Anzeige gegen die Bremer Behörde. Der Junge selbst ließ sich offenbar von seiner Festnahme wenig beeindrucken. Sofort danach beging er mit seinem 14-jährigen Bruder einen Einbruch in der Sögestraße, berichtet Franka Haed­ke, Sprecherin der Polizei Bremen. Ge­gen den 14-Jährigen, der schon erheblich mit ähnlichen Delikten in Erscheinung getretenen war, wurde ein Haftbefehl erwirkt. Der 13-Jährige verschwand laut Polizei zunächst aus der Stadt, soll aber wieder in seine Bremer Jugendeinrichtung zurückgekehrt sein. „In diesen Fällen findet ein ständiger und enger Austausch mit dem Amt für soziale Dienste, der Amtsvormundschaft sowie der Bundespolizei statt“, sagt Haedke.

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Die erwischten Jugendlichen erhalten eine Strafanzeige, erläutert Holger Jureczko das Verfahren. Soweit erreichbar, setze man sich mit dem Jugendamt oder dem Betreuer der Jugendlichen in Verbindung. Mehr passiere in der Regel nicht. „Einige haben wir alle paar Tage hier“, so Jureczko. Manche seiner Kollegen würden von den Jugendlichen inzwischen geduzt. „Die lachen uns aus: Ich bin Jugendlicher. Du kannst mir gar nichts.“ Es seien zwar nur wenige Täter, „aber die beschäftigen die Polizei massiv“.

Die Situation erinnert stark an die Jahre 2015/16. Auch damals gab es in Bremen eine Gruppe unbegleiteter Minderjähriger, auf deren Konto serienweise Diebstähle und Raubtaten gingen. Der Senat beschloss daraufhin ein Konzept für eine geschlossene intensivpädagogische Einrichtung im Blockland. Es wurde letztlich nicht umgesetzt, auch weil sich – man schrieb inzwischen 2018 – die Lage wieder beruhigt hatte.  

Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde, erinnert sich an die Erwartungen, die seinerzeit an das Sozialressort gestellt wurden und die auch heute wieder in der Diskussion um die jugendlichen Straftäter mitschwingen. Sie jedoch seien falsch – damals wie heute. „Die Jugendhilfeeinrichtungen sind da definitiv machtlos“, betont Schneider. Für den Umgang mit Straftätern seien die Strafverfolgungsbehörden zuständig. „Das gehört in die Hände der Justiz.“ 

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Es gibt in Bremen intensivpädagogische Einrichtungen, erklärt Schneider. „Dort wird auch mit ihnen gearbeitet. Aber festhalten können wir sie nicht.“ Natürlich kenne er die Klage der Polizei, dass die jugendlichen Täter unmittelbar nach ihrer Freilassung erneut straffällig würden. „Ja, einige von ihnen gehen in den Einrichtungen sofort wieder durch die Tür raus.“

Aber das habe nichts mit der Verletzung der Aufsichtspflicht zu tun. „Kein Träger darf sie in ihren Zimmern einschließen. Wenn er das tut, macht er sich strafbar.“ An dem Verhalten der Kinder und Jugendlichen etwas zu ändern, könne nur über Beziehungsarbeit gelingen. Das sei ein Prozess. Schneider: „Manchmal klappt der auch, aber nicht immer.“

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