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Arbeitszeiterfassung Neue Zeitrechnung für Bremer Lehrer

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts müssen die Länder ihren Lehrern ein System der Arbeitszeiterfassung anbieten. Der Personalrat rechnet mit einem eindeutigen Ergebnis.
12.01.2023, 05:00 Uhr
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Neue Zeitrechnung für Bremer Lehrer
Von Frank Hethey

Für Lehrkräfte in Deutschland bricht im wahrsten Wortsinn eine neue Zeitrechnung an: Der Arbeitgeber muss künftig dafür Sorge tragen, dass ihre gesamte Arbeitszeit systematisch erfasst wird. Der Vorsitzende des Bremer Personalrats Schulen, Jörn Lütjens, rechnet damit, dass „eine Erfassung ein erhebliches Quantum an bislang verborgener Mehrarbeit aufdecken würde“. In Zugzwang werden die Länder durch eine Vorgabe des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gebracht. Das Gericht hatte seine Entscheidung im September verkündet und Anfang Dezember die nähere Begründung nachgeliefert.  

Mit Genugtuung blickt Cornelia Dreyer, Leiterin des Gymnasiums an der Hamburger Straße, der neuen Regelung entgegen. Zahlreiche Lehrkräfte arbeiteten aktuell am Limit. Unberücksichtigt blieben viele Konferenzen und Mehrarbeit durch hohe Korrekturbelastung. Deshalb „würden sich vermutlich viele Lehrkräfte und auch viele Schulleitungen über eine Echtzeit-Erfassung ihrer Arbeitszeit freuen“.

Womöglich frohlockt nicht jeder Lehrer. Der frühere Direktor des Kippenberg-Gymnasiums, Hermann Pribbernow, weist auf Fächerkombinationen wie Sport und Kunst hin. „Da wird die vorgeschriebene Arbeitszeit eher unterschritten“, sagt das Vorstandsmitglied des Philologenverbands.

Das Problem der Arbeitszeiterfassung von Lehrern: Nur die Unterrichtsstunden sind eindeutig zu messen. In Bremen liegt der Anteil der Pflichtstunden pro Woche – des sogenannten Deputats – zwischen 25 und 28 Stunden. In der gymnasialen Oberstufe  beläuft sich das Deputat auf 25, an Gesamtschulen auf 26, an Grundschulen auf 28 Stunden. Das ist nur ein Teil der Arbeitszeit, es kommen noch zahlreiche Aufgaben außerhalb des Unterrichts hinzu. Für Gymnasiallehrer nennt Pribbernow neben Unterrichtsvorbereitung und Korrekturen auch Elterngespräche, Fortbildungen und Klassenfahrten. Gleichwohl bezweifelt er, ob bei Erfassung der gesamten Arbeitszeit und unter Berücksichtigung der Schulferien wesentlich mehr als 40 Stunden zusammenkommen.

Bislang entziehen sich diese Zusatzaufgaben einer quantitativen Berücksichtigung. „Mobiles Arbeiten beziehungsweise Homeoffice müssen bei der Zeiterfassung mitgedacht werden“, fordert Dreyer im Einklang mit der juristischen Maßgabe. Die Frage ist, wie diese zusätzlichen Arbeitsstunden erfasst werden sollen. Eine Stechuhr im Lehrerzimmer ist laut Dreyer „weder zeitgemäß noch realistisch. Ich könnte mir hier digitale Lösungen vorstellen und bin gespannt, welches System favorisiert wird“. Solche Modelle schweben auch dem Personalrat vor. Lütjens nennt spezielle Apps, die für die Arbeitszeiterfassung geeignet seien.

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In der Bildungsbehörde ist man noch nicht so weit. Lütjens hat den Eindruck, die Behörde lasse es an Eifer bei der Umsetzung der BAG-Vorgaben fehlen. Als man das Thema bei der Personalversammlung im Dezember angeschnitten habe, sei klar geworden, dass kein entsprechendes Konzept existiere. Stattdessen habe Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) infrage gestellt, ob die Arbeitszeiterfassung im Sinne der Beschäftigten sei. Sinngemäß habe sie suggestiv zurückgefragt: „Das will der Personalrat, dass die Beschäftigten das machen müssen?“ 

Die Behörde hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die Optionen zur Arbeitszeiterfassung würden „ausführlich diskutiert“, sagt Ressortsprecherin Maike Wiedwald. Es handele sich um eine komplexe Aufgabe, zumal die Schulen eigene Wege einschlagen könnten. Laut Lehrerarbeitszeitaufteilungsgesetz steht es den Schulen frei, ein eigenes Arbeitszeitmodell zu entwickeln. Dieses Modell richtet sich nicht nach den festgelegten Pflichtstunden, sondern nach der Jahresarbeitszeit. 

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Nach Kenntnis von Wiedwald beschäftigt sich auch die Kultusministerkonferenz mit dem Thema. Vor Weihnachten hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eine Reform des Arbeitszeitgesetzes in Aussicht gestellt. Bislang sieht das Arbeitszeitgesetz nur vor, Überstunden oder andere Formen der Mehrarbeit festzuhalten. Ob eine abweichende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2019 auch in Deutschland umgesetzt werden muss, war bis zum Spruch des Bundesarbeitsgerichts umstritten. 

In den meisten Bremer Behörden wird die Arbeitszeit laut Sven Stritzel, Vize-Vorsitzender des Beamtenbunds, elektronisch erfasst. Allerdings geschehe das nicht einheitlich, es gebe unterschiedliche Anbieter. Schulleiterin Dreyer setzt auf einen positiven Effekt der Arbeitszeiterfassung. „Meine Hoffnung wäre es, dass dadurch der Lehrberuf aufgewertet und wieder attraktiver wird und sich mehr junge Leute für ein Lehramtsstudium entscheiden.“

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