Die Flüchtlinge, die Bremen in jüngster Zeit aufgenommen hat, verteilen sich ungleich in der Stadt. Wenn sie in eigene Wohnungen ziehen, dann meist in ärmere Gebiete am Stadtrand. Dort stößt die Infrastruktur zum Teil an Grenzen, wenn Kitas und Schulen, Ärztinnen und Polizisten innerhalb kurzer Zeit deutlich mehr Menschen versorgen müssen.
In den Jahren 2020 und 2021 stieg die Zahl der ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner in Bremen laut Statistischem Landesamt um mehr als 3000 Menschen. Darin enthalten sind nicht nur Geflüchtete, sondern zum Beispiel auch EU-Zuwanderer. Den größten Anstieg ausländischer Bewohner verzeichneten Blumenthal (plus 583), Vegesack (plus 538) und Huchting (plus 534), das gilt auch prozentual gemessen an ihrer Einwohnerzahl. Walle, die Vahr und Osterholz verzeichneten ebenfalls deutlichen Zuwachs.
In anderen Stadtteilen sank die Ausländerzahl im gleichen Zeitraum: Einen Rückgang verzeichneten insbesondere Mitte und Neustadt, aber auch die Östliche Vorstadt, Oberneuland und Woltmershausen. In Schwachhausen, Findorff und Horn blieb die Zahl in etwa konstant.
Zu den Gebieten, in denen Flüchtlinge in diesem Jahr unterkamen, finden sich Anhaltspunkte in einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der CDU zur Jugendarbeit. Die dort genannten Zahlen beziehen sich auf junge Geflüchtete unter 21 Jahren. Doch die Verteilung ist ähnlich: Die mit Abstand meisten jungen Geflüchteten leben in Vegesack (1130), viele wohnen auch in Blumenthal (870) und Huchting (770) sowie in Gröpelingen, Hemelingen und Osterholz.
Aus den Zahlen ist ersichtlich: Eine Handvoll benachteiligter Stadtteile nimmt überproportional viele Flüchtlinge und Zuwanderer auf. Andere Stadtteile verzeichnen dagegen kaum Zuzug aus dem Ausland. Zentrale und gutbürgerliche Stadtteile blieben von Flüchtlingsaufnahme und Zuwanderung in letzter Zeit fast unberührt.
Den zentralen Grund dafür sehen Sozialressort und Praktiker aus den Stadtteilen darin, dass Geflüchtete dorthin ziehen, wo sie bezahlbare Wohnungen finden. "Amt und Jobcenter übernehmen nur Mieten bis zu einer bestimmten Höhe, dadurch ziehen Menschen automatisch in die Stadtteile mit günstigen Wohnungen", sagt Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Derzeit übernehme das Amt etwa eine Bruttokaltmiete von bis zu 537 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt und bis zu 789 Euro für eine vierköpfige Familie. Für Stadtteile mit höheren Mieten gebe es kleine Aufschläge.
"In der Lüssumer Heide und im Zentrum von Blumenthal hatten wir immer wieder viel freien Wohnraum", schildert Carola Schulz, Quartiersmanagerin in Blumenthal. In teils kaum sanierte Wohnungen, in die viele andere Bremer nicht einziehen wollten, solange es Alternativen gab, seien zahlreiche Flüchtlinge gezogen. Leerstand in Lüssum gebe es im Prinzip nicht mehr. „Wir nehmen die Herausforderung an, wir sind eben die Quartiere, wo die Leute ankommen", sagt Schulz. "Aber natürlich hat das Grenzen in der Belastung."
Bemerkbar mache sich das zum Beispiel in Schulen und Arztpraxen: "Für Facharzt-Termine müssen viele Erwachsene nach Gröpelingen oder Lesum ausweichen, und es sind für alle tierisch lange Wartezeiten", so Schulz. Zu Sprachkursen in der Innenstadt und zur Arbeit seien die Wege oft weit: "Ich kenne Leute, die wohnen in Blumenthal und arbeiten bei Amazon in Achim, die pendeln jeden Tag oder im Schichtdienst jede Nacht." Die Quartiersmanagerin fordert: "Wenn es schon nicht überall günstigen Wohnraum gibt und arme Menschen in bestimmten Gebieten wohnen, dann gebt uns eben die nötigen Mittel für die Quartiere." Gebraucht würden zum Beispiel kleinere Schulklassen und Kitagruppen.
"Huchting ist gefühlt ein Gewoba-Stadtteil mit vielen staatlich geförderten Wohnungen", sagt Jörg Wiltschko, stellvertretender Ortsamtsleiter in Huchting. Die Mieten seien günstiger als im Zentrum, deshalb zögen viele Geflüchtete in den Stadtteil. Er betont: "Es wäre gut, wenn Stadtteile, die noch Kapazitäten haben, auch berücksichtigt werden." Hier müsse die senatorische Behörde Abhilfe schaffen, um nicht manche Stadtteile zu überfordern und andere zu bevorteilen. Überlastete Systeme zeigten sich in Huchting durch mehr Jugendkriminalität, Engpässe bei Hausärzten und volle Kitas und Schulen. „Ein Mensch ist schnell hierher gezogen, aber bis eine Arztpraxis oder eine Kita neu eröffnet wurde oder die Polizei verstärkt wurde, dauert es oft.“