Die Tami-Oelfken-Schule in Lüssum war bis zur vergangenen Woche vor allem Nordbremern bekannt. Nach einem öffentlichkeitswirksamen Hilferuf hat sich das geändert: Wie berichtet, ist die Grundschule mit inklusiver Ausrichtung nicht zuletzt wegen steigender Schülerzahlen überfordert – Räume und Personal fehlen, Lehrkräfte werden von Schülern körperlich angegriffen. In einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde hat sich die Stadtbürgerschaft am Dienstag mit dem Thema beschäftigt. Die Fachpolitiker der Opposition erhoben Vorwürfe gegen Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD), während die Regierungskoalition vor allem externe Faktoren für die Eskalation an der Problemschule verantwortlich machte. So argumentierten die einzelnen Fraktionen.
Birgit Bergmann (FDP): Die Zustände an der Tami-Oelfken-Schule seien "ein Verbrechen an den Kindern und ein sukzessives Vernichtungsinstrument für motivierte Kollegen", sagte Birgit Bergmann. Die FDP-Bildungspolitikerin verwies darauf, dass die Probleme an der Lüssumer Grundschule lange bekannt seien – Aulepp habe es versäumt, zu handeln. Bergmann warf der Bildungssenatorin außerdem vor, kein realistisches Bild von der Situation an den Bremer Schulen zu haben. Die FDP-Abgeordnete forderte umfassende Analysen – zum Beispiel durch Befragungen der Schulleiter. Der Personalmangel an den Schulen sei dramatisch. Sollten die bisherigen Bemühungen nicht erfolgreich sein, müsse man vielleicht auch an "heilige Kühe" ran, so Bergmann. Sie nannte eine Einschränkung der Ganztagsangebote und eine Reduktion des Unterrichts auf die Kernfächer als mögliche Notlösungen. "Ich will all diese Sachen von ganzem Herzen nicht", sagte sie. Um eine Eskalation wie an der Tami-Oelfken-Schule zu verhindern, so Bergmann, könnten sie jedoch notwendig werden.
Gönül Bredehorst (SPD): An der Tami-Oelfken-Schule seien viele Faktoren zusammengekommen, die zur jetzigen Situation geführt hätten, so Gönül Bredehorst. Die SPD-Bildungspolitikerin verwies unter anderem auf die Schülerzahlen, die im Stadtteil Blumenthal und vor allem in Lüssum besonders stark wachsen – unter den Zugezogenen sind viele Einwanderer und Geflüchtete. Die Schuld liege nicht bei der Bildungsbehörde, die mittlerweile annehmbare Lösungen gefunden habe, sagte Bredehorst. Bis Ende 2023 soll die Schule dem Bildungsressort zufolge einen weiteren Mobilbau bekommen. Zudem solle die Schule künftig vorrangig Zugriff auf Lehrkräfte erhalten, die sich in Bremen bewerben.
Sandra Ahrens (CDU): "Es brodelt nicht erst seit gestern", sagte Sandra Ahrens. Die Tami-Oelfken-Schule sei seit fünf Jahren überlastet; im Bremer Westen habe es zudem schon 2013 und 2016 ähnliche Hilferufe von Schulen und Kitas gegeben. "Es zählen Taten, und da haben Sie vollumfänglich versagt", sagte die Christdemokratin an Aulepp gerichtet. Grundsätzlich überlasse es Bremen einigen wenigen Schulen, die Hauptlast der Inklusion zu tragen. Die Schulen in den benachteiligten Stadtteilen, so Ahrens, müssten am besten ausgestattet sein – aktuell sei das Gegenteil der Fall.
Christopher Hupe (Grüne): Warum an der Tami-Oelfken-Schule nicht früher gehandelt worden sei, fragte der Grünen-Bildungspolitiker Christopher Hupe. Er stellte die Rolle der Schulaufsicht infrage, kritisierte aber auch die Opposition: "Es reicht nicht, die Probleme zu benennen". Hupe selbst schlug unkonventionelle Lösungen vor, um dem Personalmangel an besonders belasteten Schulen zu begegnen. Man könne zum Beispiel Sportvereine einbinden und einen Boxtrainer an die Schule holen, damit die Kinder sich auspowern könnten. Er verwies auch auf Ansätze aus Thüringen, wo Hupe zufolge finanzielle Anreize dafür sorgen sollen, dass mehr Lehrer sich für Schulen in Problembezirken entscheiden.
Sofia Leonidakis (Linke): "An dieser Schule ballen sich alle Probleme, die derzeit im Bremer Schulsystem vorhanden sind", sagte Sofia Leonidakis. Die Linken-Fraktionsvorsitzende sieht die Probleme in einem größeren Zusammenhang: Wenn bezahlbarer Wohnraum vor allem in bestimmten Gebieten verfügbar sei, brauche man sich nicht zu wundern, dass es dort zu einer Ballung komme. Günstigere Mieten in zentralen Stadtteilen könnten Leonidakis zufolge auch zu einer besseren Verteilung der Schüler mit Sprachdefiziten oder anderen Problemen führen. Bezogen auf die Tami-Oelfken-Schule begrüßte die Linken-Politikerin Aulepps Ankündigung, die Schule bei der Personalverteilung und dem Bau neuer Räumlichkeiten bevorzugt zu behandeln. "Der Hilferuf ist spät gehört worden, aber er ist gehört worden", so Leonidakis.
Bildungssenatorin Sascha Aulepp: Im kommenden Schuljahr sollen der Bildungssenatorin zufolge 96 Schüler und Schülerinnen an der Tami-Oelfken-Schule aufgenommen werden. Dieser sprunghafte Anstieg – bedingt durch den Zuzug im Stadtteil – sei nicht vorhersehbar gewesen, so Aulepp. Die Situation an der Schule sei einerseits besonders, andererseits stünden auch die anderen Schulen in Blumenthal vor großen Herausforderungen. Aulepp erhofft sich lokale Entlastung durch eine Schule an der Cranzer Straße, die 2024 ihren Betrieb aufnehmen soll. Die Bildungssenatorin verwies außerdem auf eigene Ansätze, um der Personalnot beizukommen. So habe man bereits das coronabedingte Berufsverbot für schwangere Lehrkräfte aufgehoben. Zudem sollen Aulepp zufolge Anreize für Teilzeitkräfte geschaffen werden, damit diese ihre Stunden aufstocken.