- Warum sind Praxen bedroht?
- Wie stellt sich die Lage in Bremen dar?
- Worum geht es bei den Verhandlungen?
- Was sagen die Krankenkassen zu den Forderungen?
- Drohen Praxisschließungen?
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte fordern mehr Geld von den gesetzlichen Krankenkassen, ansonsten sei die ambulante Versorgung von Patienten gefährdet. Anlass sind die Honorarverhandlungen zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die erste Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche blieb ergebnislos, nächster Termin ist der 24. August.
Warum sind Praxen bedroht?
Steigende Praxis-, Personal- und Investitionskosten machten den Betrieb immer schwieriger. Die Inflationsrate lasse die Ausgaben zudem weiter in die Höhe schnellen, nachdem es 2021 und 2022 bereits starke Anstiege gegeben habe, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) mit. Wegen der gedeckelten Arzthonorare sei eine ausreichende Gegenfinanzierung nicht mehr möglich. „Die Stimmung bei Ärztinnen und Ärzten sowie dem Praxispersonal ist auf dem Tiefpunkt angelangt“, betonen die Vorstände Bernhard Rochell und Peter Kurt Josenhans. Für Ärztenachwuchs und Praxispersonal werde die ambulante Versorgung immer unattraktiver. Politik und die Krankenkassen müssten dringend handeln, da ansonsten eine flächendeckende ambulante Patientenversorgung nicht mehr gewährleistet sei.
Wie stellt sich die Lage in Bremen dar?
„Wir haben im Frühjahr an unseren beiden Praxisstandorten die Sprechzeiten jeweils um einen Tag einschränken müssen, weil wir nicht mehr genug Personal für fünf Tage in der Woche haben“, beschreibt Uwe Schwichtenberg, Hautarzt in Bremen-Nord. Medizinische Fachangestellte verließen unter anderem die Praxen in Richtung Kliniken, weil sie dort besser verdienten. Der Vorsitzende des Bremer Berufsverbands der Dermatologen wirft Politik und Kassen „bewusstes Ignorieren“ vor: „Wir können die Praxen nicht mehr betriebswirtschaftlich führen. Mieten, Strompreise und andere Kosten gehen nach oben, dazu die Inflation. Die Krankenhäuser bekommen einen Energiezuschlag vom Bundesgesundheitsminister – und die Praxen gehen wieder leer aus.“ Es gehe nicht nur um die Ärzte, sondern auch um das Personal – und die Patienten. Schon jetzt gebe es in Bremen massive Probleme, Nachfolger für Arztpraxen zu finden.
Worum geht es bei den Verhandlungen?
Es geht um die Höhe des sogenannten Orientierungswerts – die Preise für die ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen. Die Kassenärzte fordern eine Erhöhung um 10,2 Prozent. Sie setzen sich laut KBV neben Kostensteigerungen aus den Vorjahren unter anderem aus einer Inflationsprämie für Ärzte und Psychotherapeuten für 2023 sowie einer monatlichen Gehaltserhöhung von 300 Euro brutto für nichtärztliches Praxispersonal zusammen. Als Inflationsprämie werden 3000 Euro pro Arzt und Therapeut angesetzt. Damit orientiere man sich am Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und dem Anstieg der Gehälter von Ministern und Bundesbeamten, argumentiert die KBV. Der GKV-Spitzenverband bietet eine Erhöhung von 2,1 Prozent an.
Was sagen die Krankenkassen zu den Forderungen?
„Wir sind zuversichtlich, dass es eine faire Einigung geben wird“, sagt Janina Ebberfeld, Vorstandsbeauftragte für Versorgung bei der AOK Bremen/Bremerhaven. Die sich verändernden Kostenstrukturen der Praxen würden jährlich bewertet und flössen in die Steigerung des Orientierungswertes mit ein.
Drohen Praxisschließungen?
Sollten die Kassen nicht bereit sein, ausreichend Geld für die ambulante Versorgung zur Verfügung zu stellen, werde sich die Lage weiter verschlechtern. „Dann sei letztlich zu überlegen, wie das Leistungsangebot für die Versicherten dem finanziellen Rahmen angepasst werden könne“, teilt die KVHB mit. Die Druckmittel der Ärzte sind laut der Bremer AOK jedoch begrenzt. „Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund ihres Versorgungsauftrags dazu verpflichtet, wöchentlich eine bestimmte Anzahl an Sprechstunden anzubieten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen dafür sorgen, dass diese Vorgabe auch eingehalten wird“, stellt Ebberfeld klar. Für Freitag planen die Kassenärztlichen Vereinigungen im Rahmen einer bundesweiten Aktion eine Krisensitzung. Und am 2. Oktober könnten auch in Bremen Praxen geschlossen bleiben. Der Virchowbund und andere Ärzteverbände planen dann Protestaktionen.