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E-Scooter Blindenverein verklagt Bremen

Öffentliche Flächen in Bremen dürfen auch weiterhin von E-Rollern beparkt werden. Der Blindenverein will nun das Sondernutzungsrecht für die Leih-Roller kippen.
22.04.2023, 05:00 Uhr
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Blindenverein verklagt Bremen
Von Justus Randt

Die Elektroroller-Verleiher Lime und Bolt haben das Rennen um die Sondernutzungslizenzen für E-Scooter in der Stadt gemacht. Die Anbieter Voi und Tier müssen zum 1. Mai das Feld räumen. Öffentliche Flächen, sofern sie nicht, wie Grünanlagen und Fußgängerzonen, ausdrücklich von der Nutzung ausgenommen sind, werden auch künftig von den Rollern befahren und beparkt. In der Vergangenheit hat das zu Ärger und sogar zu einem folgenschweren Unfall geführt, der ein juristisches Nachspiel hat: Der Blinden- und Sehbehindertenverein Bremen kündigt eine Verbandsklage gegen die Stadtgemeinde Bremen an.

Der blinde Klaus Bopp, der in der Neustadt über zwei umgekippte Voi-Roller gestürzt war und sich schwer verletzt hatte, geht gegen ein Urteil des Landgerichts Bremen in Berufung, das ihm eine erhebliche Mitschuld an dem Unfall bescheinigt hatte. Bopps Anwalt Thomas Hiby will das "dramatische Urteil" auf keinen Fall so stehen lassen und hat in dieser Woche Berufung eingelegt. "Wir arbeiten gerade an der Begründung", sagt Hiby. Nach Bekanntwerden des Urteils hatten Leserinnen und Leser des WESER-KURIER spontan Solidarität mit dem 53-jährigen Unfallopfer bekundet und dem Richter den Besuch des Bremer Rollstuhl- und Blindenparcours empfohlen.

In einer Güteverhandlung am Landgericht Bremen hatte die 6. Zivilkammer klar gemacht, dass von den geforderten 20.000 Euro Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderung für den Oberschenkelhalsbruch und den folgenden achtmonatigen Arbeitsausfall Bopps keinesfalls ausgegangen werde. Auch 15.000 Euro wollte Voi nicht akzeptieren.

Der Vorwurf aber, sich falsch verhalten zu haben, ärgert Klaus Bopp am meisten. Dem Kammervorsitzenden war unverständlich, wieso der blinde Bremer nicht um die Hindernisse herum gegangen sei, nachdem er den ersten von zwei liegenden Rollern mit dem Stock ertastet hatte. Dass jemand im Stolpern einen Ausfallschritt nach vorn macht, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, wollte er nicht gelten lassen. Und damit, dass die Roller, ehe sie umgekippt waren, im 90-Grad-Winkel zur Hauswand auf dem Gehweg geparkt wurden, habe der Rollerverleiher keineswegs seine Verkehrssicherungspflicht verletzt, befand der Richter. Es existierten schlicht keine Parkvorschriften.

Unter anderem in diesem Punkt hat die Innenbehörde mit der neuen Sondernutzungserlaubnis für Leih-Elektroroller nachgearbeitet: Die neuen Anbieter sind dazu verpflichtet, ihre Roller parallel zur Fahrbahn zu parken – und Rollerfahrerinnen und Rollerfahrer "durch geeignete organisatorische sowie technische Maßnahmen dazu anzuhalten, dass sie die E-Scooter am Ende ihrer Fahrt so abstellen, dass weder die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs noch die Barrierefreiheit beeinträchtigt werden".

Barrierefreiheit ist auch der Zentralbegriff in einem – gescheiterten – Schlichtungsverfahren beim Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein gewesen. Darin war es auch um das Abstellen der Roller gegangen. Initiator war der Blinden- und Sehbehindertenverein Bremen (BSV). Der hatte im Schlichtungsverfahren eine entsprechende Einigung mit der Stadt und den zwei Rolleranbietern angestrebt, dass Elektroroller eigene Abstellflächen abseits von Gehwegen bekommen – anstelle des sogenannten Free Floatings, bei dem die Fahrzeuge mit Einschränkung einfach abgestellt werden können.

Mit dem Scheitern der Schlichtung steht dem BSV der Klageweg vor dem Verwaltungsgericht Bremen offen. Als Prozessbevollmächtigter ist auch hier Rechtsanwalt Thomas Hiby beteiligt. Er ist neuerdings Geschäftsführer des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins Berlin, der bereits eine Verbandsklage gegen die Hauptstadt angestrengt hat. Hiby zufolge wird in Bremen Feststellungsklage erhoben – mit dem Ziel, die Sondernutzungserlaubnis für Leih-Elektroroller für nichtig zu erklären. Seine Begründung: Die rechtliche Grundlage zum Abstellen der Roller auf Gehwegen fehle und diese Erlaubnis könne kein Sonderparkrecht schaffen.

Joachim Steinbrück, Frankensteins Amtsvorgänger und Mitglied im Umwelt- und Verkehrsausschuss des Bremer Blinden- und Sehbehindertenvereins, erwartet den Wechsel der Scooter-Verleiher mit Spannung. Die Forderung nach eigenen Stellflächen für die Roller hält er nach wie vor für zentral.

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