Meist hörten die Stammkunden seine Stimme schon von Weitem. "Wo geiht di dat?", soll Dieter Winkelmann zur Begrüßung gern auf Platt nach dem Befinden gefragt haben. Eier und Wurst, saisonales Obst und Gemüse sowie im Sommer kleine Blumensträuße brachte der Grasberger Landwirt mit seinem Pritschenwagen in die Stadt. Jeweils donnerstags und freitags verkaufte er seine Waren in Schwachhausen, Peterswerder, im Fesenfeld, Steintor und Ostertor. Als Bauer, der Gemüse aus dem Umland verkauft – umgangssprachlich verhökert – gehörte er einer Berufsgruppe an, die heute immer mehr aus dem Straßenbild Bremens verschwindet: die Kohlhöker. Viele, die bei ihm einkauften, schätzten Dieter Winkelmann für seine Herzlichkeit und Offenheit. Nun ist er nach kurzer Krankheit gestorben.
Als dessen Eltern Anna und Otto das Geschäft 1949 begründeten, brachten sie die Waren noch mit dem Pferdewagen. Bis vor wenigen Jahren, noch als 90-Jähriger, fuhr der Senior als Beifahrer mit. Da hatte Dieter Winkelmann längst die Regie übernommen und sich in etwa 20 Jahren seine eigene Stammkundschaft aufgebaut. Für die Bremer Kunden sei er "eine Art Institution" gewesen, sagt sein Sohn Sven Winkelmann: 150 bis 200 Personen hätten regelmäßig bei ihm eingekauft, schätzt er.
Bei Regen stellte er ein Dach für die Kunden auf und an der letzten Station seiner Freitagstour blieb der Stand oft bis 22 Uhr geöffnet. Anschließend saß er noch beim Kundenstammtisch in einer von Bremens ältesten Kneipen: Paul's Kloster im Ostertor. Auch im Corona-Winter 2020 sei der abendliche Schnack nicht ausgefallen. Mit Abstand und Flaschenbier vom Wirt der Gaststätte hätten sie die kontaktarme Zeit gemeinsam überbrückt.

Anna und Otto Winkelmann fuhren mindestens ein halbes Jahrhundert als Kohlhöker von Grasberg nach Bremen.
Dieter Winkelmann war gesellig und engagiert, mit seiner Männerrunde in Hanschens Tanktreff in Grasberg, als Mitglied im Schützenverein Huxfeld sowie in der Feuerwehr Huxfeld, die ihn für 40 Jahre Vereinstreue mit einer Ehrennadel auszeichnete. Laut Sven Winkelmann fiel die Urkundenverleihung auf einen Donnerstag - das sei das einzige Mal gewesen, dass sein Vater die Donnerstagstour auf Mittwoch vorgezogen habe.
"Er kam sehr gut mit unterschiedlichen Leuten in Kontakt, kannte ihre Namen und Geschichten. Er hatte eine freundliche, zuvorkommende Art und hat jeden gleich behandelt", sagt Sven Winkelmann. Der 27-Jährige kümmerte sich die vergangenen Jahre überwiegend um den Hof und sagt, er spiele mit dem Gedanken, das Geschäft weiterzuführen – möglicherweise Anfang September.

Sven Winkelmann bei einem Treffen mit Stammkunden aus dem Viertel, mit denen sein Vater Dieter jeden Freitag nach der Tour noch in der Viertel-Kneipe Pauls Kloster zusammenkam.
Eine seltsame Vertrautheit habe sie schon bei ihrer ersten Begegnung gespürt, erzählt Doris Wetjen, Kundin aus dem Viertel und Teil der Freitagsrunde in Paul's Kloster. Wenn Winkelmann um die Ecke bog, habe sie als kleines Dankeschön auch mal Kaffee und Kuchen vorbeigebracht. Diese Fürsorglichkeit sei keine einseitige Sache gewesen. Wenn jemand von seinen regelmäßigen Kunden krank war, habe Dieter Winkelmann an der Haustür geklingelt und die üblichen Bestellungen vorbeigebracht. Für Kinder hielt er immer eine Tüte Süßigkeiten bereit.
Neben seinem Angebot mit frischen, regionalen Produkten habe Dieter Winkelmann seinen Kunden auf einfache Weise nähergebracht, wie es in der Landwirtschaft zugehe, erzählt eine ehemalige Kundin. "Über Dieter habe ich erfahren, dass es Frost gibt, wenn die Wildgänse beim Vorüberfliegen schreien", erinnert sie sich. Wenn neue Kälber auf dem Hof geboren wurden, hätten seine Kunden davon ebenfalls sofort erfahren. "Ich kaufe sonst Bio, aber bei Dieter auch das Konventionelle", sagt Stammkundin Antje Moebus. Denn so wisse man, woher die Produkte kommen.
Eine Stammkundin beschreibt Dieter Winkelmanns Wesen mit einer Anekdote. Einmal habe ihm ein zehnjähriges Mädchen zugerufen: "Bist du ein Bauer?" – "Ja!", habe er zurückgerufen, "und die sind sehr wichtig". Beim nächsten Mal habe das Mädchen ihn mit "Hallo Bauer!" begrüßt, und er zurück: "Hallo Mädchen!".