Eigentlich könnte im Viertel jetzt alles gut sein, nachdem sämtliche Corona-Beschränkungen früher als geplant schon Anfang Februar aufgehoben wurden. Wäre der Dezember noch relativ ruhig gewesen, hätte der Januar das alles wieder wettgemacht, so die Bilanz von Andreas Hötzel, der als Gastronom das Il Blu und das Café Engel" betreibt. "Zumindest bei unseren Gästen ist es angesichts von Krisen, Krieg und Inflation so: Die Leute sagen, lass uns heute leben, wer weiß, was übermorgen ist", so Hötzel bei der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses öffentliches Leben, Handel und Gewerbe des Beirates Mitte und des Sozialausschusses des Beirates Östliche Vorstadt.
Im Lagerhaus meldeten sich aber auch andere Gastronomen wie Ulf Sommerfeld von der Interessengemeinschaft Das Viertel (IGV) zu Wort, die feststellten, dass Kundschaft, die eher jeden Euro umdrehen müsse, eher auf einen Kneipen- oder Restaurant-Besuch verzichte. Insolvenzen seien die Folge und ein Ende dieser Entwicklung noch nicht absehbar. So schließt mit dem Jannings an diesem Wochenende ein beliebtes Restaurant in der Östlichen Vorstadt. Ein gravierendes Problem haben allerdings alle: Die rasante Zunahme des organisierten Taschendiebstahls in den Läden sowie des Diebstahls auf offener Straße, teilweise schon am helllichten Tag. Darauf hatte Hötzel schon vor Monaten hingewiesen. Karin Take von der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) kennt das Problem: "Bis Sie die haben, sind die schon wieder mit dem Bus nach Hamburg unterwegs".
Taschendiebstahl als größtes Problem
Felix Grundmann betreibt das Heartbreak Hotel und berichtete: Die Situation am "Bermuda Dreieck" sei wirklich gefährlich, da es im Fehrfeld sehr dunkel sei. Die lang versprochene Verbesserung der Beleuchtungssituation lasse genauso auf sich warten wie die bereits vor Monaten versprochenen Hybrid-Streifen. Take versprach, sich weiterhin für beides einzusetzen. Doch von den Teams, die aus Vertretern von Polizei und Ordnungsamt bestehen sollten, ist immer noch nichts zu sehen. "Wir brauchen dringend mehr Polizei-Präsenz vor Ort.
Dass da Mannschaftswagen einmal ums Sielwalleck fahren reicht eben nicht. Dazu haben wir schon lange einen Beschluss gefasst", unterstrich Steffen Eilers (Grüne), Sprecher des Beirates Östliche Vorstadt. Das sieht auch Hellena Harttung so, Leiterin des Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt: "Wir warten verzweifelt auf die Hybridstreifen", betonte sie. Immerhin sei die Zusage für den Einsatz und die finanzielle Absicherung des Awareness-Teams für mehr Sicherheit inzwischen in trockenen Tüchern. Polizei-Pressesprecherin Franka Haedke verweist auf die Präsenz- und Kontrollmaßnahmen am Hauptbahnhof, die viele Kräfte binden, betont aber auch, dass die Kops des Polizeikommissariats Mitte Gespräche mit Gewerbetreibenden und Anwohnern über aktuelle Probleme führten und bei konkreten Störungen auch entsprechend eingeschritten seien.
Und sonst? Sven Leiberg, seit rund einem Jahr Vorsitzender der IGV, zog Bilanz der vier autofreien Viertel-Samstage des Jahres 2022, die zwar gut gelaufen seien, allerdings wünscht er sich mehr Beteiligung einzelner Läden, vor allem im Steintor. Außerdem arbeitet die IGV wie schon unter ihrem vorhergehenden Vorsitzenden Norbert Caesar daran, ein Immobilienkataster zu erstellen, was sich allerdings nach wie vor schwierig gestaltet, da rund die Hälfte der Immobilieneigentümer im Viertel den Kontakt zur Öffentlichkeit meiden. Ein Streitpunkt ist auch die Vielzahl der Kioske im Steintor, die den Gastronomen ein Dorn im Auge ist. Im Raum steht ein Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr wie es bereits in anderen Städten praktiziert wird.