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"Inneres" im Koalitionsvertrag Digitalisierungsoffensive bei der Bremer Polizei

Mit deutlich mehr Personal will die neue Regierungskoalition die innere Sicherheit in Bremen stärken. Entscheidend für den Erfolg im Bereich "Inneres" dürfte ein weiterer Aspekt des Koalitionsvertrages sein.
23.07.2023, 19:30 Uhr
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Digitalisierungsoffensive bei der Bremer Polizei
Von Ralf Michel

Leitet man den Stellenwert der Vorhaben zur inneren Sicherheit von ihrer Platzierung im Koalitionsvertrag ab, so scheint dieser Bereich nicht eben hohe Priorität bei Rot-Grün-Rot zu genießen. Wirtschaft, Arbeit, Klima, Bildung, Kitas, Wohnen … Alles weiter vorne platziert und meist auch umfangreicher als die Pläne und Zielmarken für "Inneres", denen die Seiten 138 bis 144 in dem 168-seitigen Vertrag gewidmet sind. Andererseits: Dass die Bedeutung des Themas „Sicherheit“ für viele Bürger sehr wohl auch bei SPD, Grünen und Linken angekommen ist, zeigt ein Blick auf das Deckblatt des Koalitionsvertrages. „Veränderung gestalten“ heißt es da. Und zwar an erster Stelle „sicher“, erst danach folgen „sozial, ökologisch und zukunftsfest“.

Inhaltlich findet die Sicherheit in Bremen vor allem in den angestrebten Personalstärken ihren Niederschlag. Ob die geplanten Aufstockungen bei Polizei, Feuerwehr, Ordnungsdienst und Verkehrsüberwachung am Ende zu finanzieren sein werden, muss sich zeigen. Doch erst mal stehen die Zielzahlen schwarz auf weiß im Vertrag: 3100 Vollzeitstellen sollen es 2027 bei der Polizei in Bremen sein, 580 in Bremerhaven, derzeit sind es 2717 beziehungsweise 488. Um diese Zahlen erreichen zu können, müssen zum einen wie zuletzt Jahr für Jahr 225 neue Polizeianwärter ausgebildet, zum anderen 60 Nichtvollzugsbeamten pro Jahr (Bremerhaven: 30) eingestellt werden.

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Die Feuerwehr soll im selben Zeitraum von derzeit 680 auf 860 Vollzeitstellen anwachsen, der Ordnungsdienst von 75 auf 120 und die Verkehrsüberwachung von 30 auf 90 Stellen.

Wie effektiv die Bremer Polizei in den kommenden vier Jahren arbeiten wird, hängt indes nicht allein von ihrer Personalstärke ab. Entscheidend dürfte auch sein, wie die Koalition auf einem anderen ihrer Hauptthemenfelder vorankommt – bei der Digitalisierung. In der Innenbehörde wird von einer „Digitalisierungsoffensive“ gesprochen. Worunter beispielsweise zu verstehen ist, dass die Polizei mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden soll, um insbesondere die Sachbearbeitung bei Massenverfahren vereinfachen und beschleunigen zu können.

"Zeitenwende im Bürgerservice"

Der angestrebte Digitalisierungsschub soll sich aber keineswegs nur auf die Polizei beschränken. Beim Service im Bürgeramt soll dadurch nach Willen der Koalitionäre gar eine neue Zeitrechnung eingeläutet werden. Man werde ein digitales Bürgeramt schaffen und „damit das beste digitale Bürgerservice-Angebot in Deutschland schaffen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Ziel sei es, für jede Lebenslage und für alle wesentlichen Bürgerdienstleistungen eine neue Service-Plattform mit einem „nutzerfreundlichen Leistungsportfolio aus einem Guss“ anzubieten. Zum Vorreiter soll sich dabei das Bürgerservicecenter Mitte in der Innenstadt entwickeln. Terminvergabe und Wartezeit sollen – je nach Anliegen – auf maximal 14 bis 31 Tage reduziert werden.

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Ein Gros der Anliegen soll aber künftig ohnehin online zu erledigen sein. Wo der Gang zum Amt trotzdem erforderlich bleibt, sollen Erleichterungen greifen. So etwa „schnellere Schalter“ für Kurzanliegen. Ermöglicht werden soll auch das einfache Abholen von Ausweisdokumenten. Beantragte und bearbeitete Dokumente, wie zum Beispiel ein neuer Personalausweis, sollen zu jeder Tages- und Nachtzeit an sieben Tagen die Woche an sogenannten Dokumentenabholstationen abzuholen sein. Bei den Baugenehmigungsverfahren "ist unser Anspruch, bis zum Ende der Legislaturperiode unter den Top drei bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit der 15 größten deutsche Städte zu sein".

Kompromiss beim Taser

Als „Kompromiss“ mag bezeichnet werden, was die Koalition zu dem Reizthema schlechthin der vergangenen Jahre zu Papier gebracht hat: Es wird keine Taser für jeden Streifenwagen geben, was Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) gefordert hatte. Aber die Elektroschocker bleiben in Bremen auch nicht wie bisher auf die Sondereinsatzkräfte beschränkt, wie es Grüne und vor allem die Linke gerne gesehen hätten. Auch die Unterstützungs- und Eingreifgruppe, eine Spezialeinheit, gebildet aus Mitgliedern der Bereitschaftspolizei, wird künftig mit Tasern ausgerüstet sein. Bislang besteht diese Gruppe aus den Besatzungen von zwei Fahrzeugen, die rund um die Uhr in Bremen unterwegs sind. Durchgehend eingeschaltet muss bei Taser-Einsätzen die Bodycam.

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Wenn es um die Sicherheit in den Quartieren ging, ist auch die Zahl der Kontaktpolizisten ein ständiger Streitpunkt. Hier will die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode „verlässlich 110 Beamte“ sicherstellen. Zielzahlen in dieser Größenordnung gibt es allerdings schon seit Jahren, erreicht wurden sie nie. Derzeit gibt es 94 Kops in Bremen.

Eine Neuerung gibt es schließlich bei der Hochschule für Öffentliche Verwaltung: Sie ist nicht mehr länger dem Finanzressort unterstellt, sondern jetzt der Innenbehörde. Im Grunde nicht mehr als der organisatorische Nachvollzug gelebter Praxis: Schon seit Längerem studiert an der Hochschule fast nur noch der Polizeinachwuchs.

Zur Sache

CDU-Kritik an Koalition: "Fauler Kompromiss"

"Wie viel Misstrauen gegenüber seinen eigenen Polizeibeamten muss man eigentlich haben, dass einige den Taser tragen dürfen und andere nicht?", fragt Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU angesichts der im Koalitionsvertrag festgelegten Regelungen zum Einsatz von Elektroschockern bei der Polizei. Von einem „faulen Kompromiss" der die Einsatzführung der Polizeikräfte in der Stadt Bremen eher erschweren werde, als für mehr flächendeckende Sicherheit im öffentlichen Raum zu sorgen, spricht seine Fraktionskollegin Christine Schnittker.

Für Lübke gibt es keine sachlichen Gründe gegen die flächendeckende Einführung des Tasers bei der Polizei in Bremen. Er könne Menschenleben retten, da die Alternative – der Einsatz der Schusswaffe – sehr viel wahrscheinlicher zum Tod führe. "Außerdem ist es auf Grund der Fürsorge schon geboten, die Polizei flächendeckend damit auszurüsten, um traumatische Belastungen durch den Schusswaffengebrauch zu verhindern." Genauso sieht es Schnittker: Dass in der Stadtgemeinde Bremen lediglich die Unterstützungs- und Eingreifgruppe der Bereitschaftspolizei mit Distanzelektroimpulsgeräten ausgestattet werde, nicht aber gesamt der Einsatzdienst, zeige, dass Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sich bei der Taser-Frage "zum wiederholten Mal den politisch linken Kräften im Senat gebeugt" habe.

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