- Was bedeutet Maßregelvollzug?
- Wie viele Menschen sind in Bremen in der forensischen Klinik untergebracht?
- Wie viele zusätzliche Plätze sind erforderlich?
- Was ist die Ursache für den Anstieg?
- Was sind die Folgen von Überbelegung?
Der Eingangsbereich ist mit besonderen Sicherheitsmaßnahmen versehen: Ein Metalldetektor, Panzerglas und Kameras gehören dazu. Eine vier Meter hohe Mauer umfasst das Gelände. Dahinter befinden sich die Gebäude der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie, die zum Klinikum Bremen-Ost gehören. Hier sind Menschen untergebracht, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder im Zusammenhang mit einer Suchterkrankung eine Straftat begangen haben. Anstatt eine Haftstrafe im Gefängnis zu verbüßen, wurde vom Gericht die freiheitsentziehende Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Klinik angeordnet. Maßregelvollzug ist die juristische Bezeichnung dafür. In Bremen reichen die Plätze dafür nicht mehr aus – zeitweise herrscht Überbelegung.
Was bedeutet Maßregelvollzug?
Aufgabe des Maßregelvollzugs ist es, das Risiko weiterer Straftaten zu verhindern, durch eine gesicherte Unterbringung und Behandlung. Geregelt ist dies im Strafgesetzbuch durch Paragraf 63 (Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus), Paragraf 64 (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) und Paragraf 126a Strafprozessordnung (einstweilige Unterbringung anstelle von Untersuchungshaft). In Bremen nimmt die forensische Klinik am Klinikum Ost die Aufgabe des gesamten Maßregelvollzugs wahr.
Wie viele Menschen sind in Bremen in der forensischen Klinik untergebracht?
"In den vergangenen Jahren ist die durchschnittliche Belegung des Maßregelvollzugs in Bremen von 131 Patienten im Jahr 2017 auf 154 Patienten mit Stand vom 30. November 2022 gestiegen", heißt es in der Senatsantwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion. Voll ausgelastet sei die Klinik bei einer Belegung von 155 Plätzen. Im Dezember sei diese Kapazitätsgrenze mit 160 Patienten teilweise überschritten worden. 2018 seien bereits 18 neue Plätze geschaffen worden. "Diese Erweiterung reicht jedoch bei der aktuellen Entwicklung nicht aus", heißt es in der Senatsantwort. "Der Maßregelvollzug ist meistens voll belegt, die Zahlen sind kontinuierlich angestiegen", bestätigt die Sprecherin des Klinikbetreibers Gesundheit Nord (Geno), Karen Matiszick. "Das betrifft vor allem Menschen mit Suchterkrankungen oder Psychosen des schizophrenen Formenkreises."
Wie viele zusätzliche Plätze sind erforderlich?
Laut dem Senatspapier sollen zügig 40 neue Plätze in der forensischen Klinik geschaffen werden. Die Geno wurde von der zuständigen Gesundheitsbehörde mit einem Konzept beauftragt. "Im ersten Schritt geht es um 32 Plätze, die in zwei neuen Stationen geschaffen werden", sagt Matiszick. Dafür muss die Klinik baulich erweitert werden. "Bei einem Termin Anfang Februar stellt die Geno einen ersten Konzeptentwurf in der Gesundheitsbehörde vor", teilt Ressortsprecher Lukas Fuhrmann mit. Was "zügig" konkret bedeutet, steht noch nicht fest: "Dass die neuen Plätze noch in diesem Jahr zur Verfügung stehen, ist eher unwahrscheinlich."
Wie ist die Lage in anderen Bundesländern?
Bundesweit gibt es seit Jahren einen massiven Anstieg bei den Unterbringungen, teilt die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit, die zuletzt alle 78 Kliniken für den Maßregelvollzug in Deutschland befragt hat. "Die Ergebnisse sind ernüchternd: Der Großteil der Kliniken, die sich an der Umfrage beteiligt haben, beklagt eine deutliche Überbelegung, nicht zuletzt aufgrund steigender Patientenzahlen", teilte die Fachgesellschaft Ende November mit. 2019 seien etwa 12.000 Menschen nach den Paragrafen 63 oder 64 in Kliniken des Maßregelvollzugs untergebracht gewesen.
Was ist die Ursache für den Anstieg?
Zum einen würden immer mehr Patienten von den Gerichten eingewiesen. "Eine große Rolle spielt bei der Entwicklung sicherlich das Thema Sucht und Drogen", so Fuhrmann. Dies betonte zuletzt der Magdeburger Psychiater Hans-Henning Flechtner, der dem Psychiatrie-Ausschuss in Sachsen-Anhalt vorsitzt. In dem Bundesland waren die beiden Einrichtungen des Maßregelvollzugs im Oktober zu 18 und 22 Prozent überbelegt. Die Klientel habe sich verändert hin zu Patienten mit Psychosen. Es gebe weniger Alkoholabhängige und dafür mehr Patienten, die von mehreren Drogen abhängig seien. Diese Trends gebe es bundesweit.
Was sind die Folgen von Überbelegung?
Einzelzimmer würden zu Mehrbettzimmern umfunktioniert, Isolations- oder Therapieräume zweckentfremdet, so die DGPPN. Zu wenig Personal und mangelhafte Räumlichkeiten verhinderten, dass Patienten eine optimale Behandlung erhielten. Mehr als jeder vierte Patient sei länger als zehn Jahre im Maßregelvollzug. Ein Drittel der Kliniken gebe einen Anstieg von körperlichen Übergriffen durch Patienten an. "Die stetige Zunahme der Unterbringungszahlen führt zu einer immensen Belastung der Kliniken und bedroht die Qualität der Behandlung, die entscheidend auch für die Reduzierung der Gefahr weiterer Straftaten nach Entlassung ist", warnte der damalige DGPPN-Präsident Thomas Pollmächer. In Sachsen-Anhalt hatte das Sozialministerium Anfang 2021 gewarnt, dass im schlimmsten Fall verurteilte Straftäter "untherapiert" in die Freiheit entlassen werden müssten, berichtete der MDR.