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Erziehermangel in Bremen Senatorin Aulepp will ungelernte Kräfte in Kindergärten holen

Es gibt viel zu wenig Erzieher. Um mehr Kitaplätze zu schaffen, will die Bildungssenatorin nun notfalls auch Ungelernte als zweite Kraft in Gruppen einsetzen. Der Plan löst teils heftige Reaktionen aus.
25.08.2023, 05:00 Uhr
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Senatorin Aulepp will ungelernte Kräfte in Kindergärten holen
Von Sara Sundermann

Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) hat angekündigt, verstärkt auf sogenannte Kita-Assistenzen zu setzen. Es sollten verstärkt ungelernte Kräfte in den Kindergärten eingestellt werden, sagte die Senatorin bei einer Pressekonferenz. Dadurch sollen mehr Kinder in Betreuung gebracht werden. Der Personalrat von Kita Bremen zeigt sich von der Ankündigung schockiert.

"Wir werden auch auf Kita-Assistenzen ohne pädagogische Ausbildung setzen und setzen müssen", kündigte die Senatorin an. "Rechtlich ist es möglich, dass eine Elementargruppe mit einer Erzieherin als Gruppenleitung und einer Kita-Assistenz betrieben wird, wenn keine zweite Fachkraft gefunden wird." Die Gruppenleitung werde aber immer in den Händen einer ausgebildeten Erzieherin bleiben. Wo immer möglich, werde man zudem auch weiter auf zwei Erzieherinnen pro Gruppe setzen, so Aulepp. Die Kita-Assistenzen sollten keine Stellen für Fachkräfte blockieren, betont die Senatorin gegenüber dem WESER-KURIER. Wenn doch eine zweite Fachkraft gefunden werde, solle diese eingestellt werden und die ungelernte Assistenz zusätzlich bleiben. Vom Einsatz "helfender Hände" ohne pädagogische Qualifikation in den Kitas ist auch im Koalitionsvertrag die Rede.

Schon länger wird der Kitaausbau vom Erziehermangel gebremst. Viele Kitas können ihre Erzieher-Stellen nicht besetzen. 600 Kitaplätze konnten in Bremen zuletzt wegen Fachkräftemangel nicht starten. Die Senatorin will mehr Kinder in Betreuung zu bringen – zuletzt bekamen mehr als 1300 angemeldete Kinder keinen Kitaplatz, mindestens 5000 Plätze fehlen für alle Kinder im Kita-Alter.

Dass ungelernte Kräfte in den Gruppen im Einsatz sind, werde in Bremer Kitas teils schon praktiziert, heißt es von der Behörde. Auch in den evangelischen Kitas will man stärker auf Assistenzkräfte ohne pädagogische Ausbildung setzen. Allerdings werden diese dort als Zusatzpersonal beschrieben: Sie sollen Fachkräften bei Aufgaben wie Wickeln und Frühstück zur Hand gehen.

Für Träger wie den städtischen Eigenbetrieb Kita Bremen würde das Vorhaben der Senatorin eine deutliche Veränderung bedeuten. Zuletzt wurde bei Kita Bremen lange darum gerungen, ob die zweite Kraft in einer Kindergartengruppe statt einer Erzieherin (fünfjährige Ausbildung) auch eine sozialpädagogische Assistentin (zweijährige Ausbildung) sein kann. Zähneknirschend stimmte der Personalrat diesem Plan schließlich zu. Das Vorhaben der Senatorin geht noch einen Schritt weiter: Die zweite Person in einer Kitagruppe könnte künftig schlicht gar keine pädagogische Ausbildung haben.

CDU: "Führt zu durchlöcherter Betreuung"

Bisher werden in den städtischen Kitas keine ungelernten Personen als zweite Kraft eingestellt, sagt Wolfgang Bahlmann, Geschäftsführer von Kita Bremen. "Ob wir das in Zukunft tun wollen, muss betriebsintern besprochen werden." Schon jetzt gibt es in städtischen Kitas auch ungelernte Kräfte - 30 Entlastungskräfte und 13 FSJler. Diese sollen aber andere Aufgaben übernehmen. Bahlmann zufolge kommen sie beispielsweise zum Vorlesen in die Kitas oder helfen beim Frühstück mit aus.

CDU-Politikerin Sandra Ahrens beschreibt die Folgen des Plans von Aulepp so: "Die Gruppe geht dann an den Start, aber sobald die Hauptkraft krank wird, muss die Gruppe sofort geschlossen werden oder eine Erzieherin aus einer anderen Gruppe abgezogen werden." Letztlich sorge dies dafür, "dass man theoretisch einen Platz hat und in der Praxis eine total durchlöcherte Betreuung." Dies helfe nicht, kritisiert Ahrens: "Das sorgt nur dafür, dass Sascha Aulepp ihre Hände in Unschuld waschen kann, weil ja ein Kitaplatz geschaffen wird."

"Dann kann man Kita als Bildungseinrichtung streichen"

"Wir sehen dies nach wie vor äußerst kritisch", sagt Daniel Günther von der Zentralelternvertretung (ZEV) zu den Plänen. Nun werde – entgegen allen Beteuerungen vor der Wahl – doch die Qualität der Kinderbetreuung gesenkt. "Wir befürchten, dass aus vermeintlich temporären Notlösungen letztlich neue Standards auf niedrigerem Niveau werden." Die ZEV fordert eine klare zeitliche Begrenzung für das Vorgehen oder ein Qualifizierungskonzept für die Assistenzkräfte.

Toren Christians, Personalratsvorsitzender von Kita Bremen, zeigt sich von der Ankündigung der Senatorin geschockt: "Als Erzieher kann ich mir nicht vorstellen, in so einer Gruppe mit einer ungelernten zweiten Kraft tätig zu sein – ich bin über die Aussage von Frau Aulepp einigermaßen fassungslos." Wenn man keinerlei pädagogische Ausbildung mehr verlange, könne man "die Kita als Bildungseinrichtung komplett streichen", so Christians. "Wenn man sämtliche Standards kippt, bin ich ganz sicher, dass es schnell bergab geht." Eltern würden dann ihre Aufsichtspflicht in der Kita an jeden abgeben, der ein sauberes polizeiliches Führungszeugnis vorweisen könne. "Damit würde Bremen sämtliche bundesdeutsche Standards unterschreiten – ich kenne das so aus keinem anderen Bundesland."

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