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Reaktionen zur Wahl "Haben unser Wahlziel verfehlt": Enttäuschung bei der Bremer CDU

Bremen hat gewählt: Die Grünen sind der große Verlierer des Abends, die SPD wird stärkste Kraft und die Bürger in Wut erzielen ein zweistelliges Ergebnis. Die Reaktionen.
14.05.2023, 18:46 Uhr
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Von Jan-Felix Jasch
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Bei der Wahl im Land Bremen ist die SPD Prognosen zufolge stärkste Kraft geworden. Nach ersten Zahlen von ARD und ZDF vom Sonntag (18 Uhr) liegen die seit fast 80 Jahren regierenden Sozialdemokraten von Bürgermeister Andreas Bovenschulte mit 29,5 bis 30 Prozent vor der bislang oppositionellen CDU mit 24,5 bis 25,5 Prozent. Die mit der SPD regierenden Grünen kommen demnach im Zwei-Städte-Land Bremen und Bremerhaven auf 12 bis 12,5 Prozent. Die Linkspartei als dritter Koalitionspartner erreicht im Landesparlament, das dort Bürgerschaft heißt, 10,5 bis 11 Prozent.

Die FDP liegt nach den Prognosen bei 5 bis 5,5 Prozent. Die lokale rechtspopulistische Bewegung Bürger in Wut (BIW) verbessert sich deutlich auf 10,5 Prozent. Sie profitiert davon, dass die AfD wegen interner konkurrierender Kandidatenlisten nicht zur Wahl zugelassen wurde. 

Bürgerschaftswahl in Bremen: Freude bei der SPD

"Was für ein Tag, was für ein Ergebnis": Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zeigte sich nach den ersten Prognosen sichtlich erleichtert. "Die Nummer eins in Bremen, das sind wir", sagte er weiter. Bovenschulte sagte, die SPD stehe für eine starke Wirtschaft und ein Gemeinwesen, das sozial zusammenhalte. „Weil wir das ganze Land und alle Menschen im Blick haben und nicht irgendwelche Partikularinteressen im Mittelpunkt stehen“, sagte der 57-Jährige. „Deshalb freut es mich so sehr, dass uns so viele Menschen heute mit ihrer Stimme unterstützt haben.“ Bovenschulte legte sich in einer kurzen Ansprache nicht auf ein Regierungsbündnis fest. „Wie es weiter geht, werden wir diskutieren“, sagte er.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat sich hochzufrieden mit dem voraussichtlichen Sieg seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl gezeigt. „Wir sind saustolz auf die SPD in Bremen und Bremerhaven“, sagte Kühnert am Sonntagabend nach ersten Prognosen. Man müsse sich nicht für den starken „Personenbonus“ von Kandidat Andreas Bovenschulte schämen, der die Themen verkörpere, für die die SPD seit über sieben Jahrzehnten dort stehe. Bovenschulte habe auch bundespolitische Akzente gesetzt, er sei „die erste und lauteste Stimme für eine Übergewinnsteuer in Deutschland“ gewesen. Für die SPD sei wichtig, dass gegen sie keine Regierung gebildet werde.

Die Bremer SPD hat aus Sicht des Landesvorsitzenden Reinhold Wetjen „alle Ziele erreicht“. „Wir sind stärkste Kraft, ohne uns kann keiner regieren und wir haben kräftig zugelegt“, sagte Wetjen am Sonntagabend. Wetjen sagte, es gebe „gute Gründe“ für eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot wie auch für eine mögliche große Koalition mit der CDU. „Es gibt auch gute Gründe, mit beiden zu sprechen“. 

Der SPD-Bundesvorsitzende Lars Klingbeil freut sich „wahnsinnig über den Erfolg“ seiner Partei. Der Sieg schaffe „Rückenwind auch für uns hier in Berlin“, sagte er. Inhaltlich habe man im Bund und Land auf einer Linie gelegen, behauptete er – obwohl der Bremer SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte im Wahlkampf die Bundespolitik durchaus kritisiert hatte. Die Sozialdemokraten hätten auch im Bund gesagt, man müsse die Sorgen der Bürger ernst nehmen, und es sollten etwa Mieter stärker in den Mittelpunkt der Regierungspolitik gerückt werden, sagte Klingbeil. Bovenschultes starkes Abschneiden werde der Berliner Ampel-Koalition im Bundesrat helfen.

Enttäuschendes Ergebnis für die Bremer Grünen

"Wir müssen nicht schönreden, dass die zwölf Prozent für uns ein enttäuschendes Ergebnis sind", sagte Spitzenkandidatin Maike Schaefer. "Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Andreas Bovenschulte und Frank Imhoff hat uns eher geschadet, der fehlende Rückenwind aus Berlin hat auch nicht geholfen, und es ist uns auch nicht gelungen, unsere Erfolge so zu vermitteln, wie wir es uns gewünscht hätten", so Schaefer weiter. Personelle Konsequenzen schloss sie zunächst aus. Auf die Frage nach Konsequenzen sagte Schaefer, dass Wahlergebnisse immer Gesamtergebnisse seien. „Welchen Input hat der Bund, aber auch die Senatoren, die Fraktion, die Partei. Das wird man sich genau angucken und dann wird das sicherlich auch Konsequenzen geben." Sie räumte allerdings auch ein: "Ich weiß um meine Verantwortung als Spitzenkandidatin. Und weiter: "Ich scheue mich nicht, Verantwortung zu übernehmen." Schaefer sagte, sie wolle sich für eine Fortsetzung der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linken einsetzen. Vom Ergebnis der rechtspopulistischen Wählervereinigung Bürger in Wut, die nach der Prognose auf 10,5 Prozent kam, zeigte sie sich erschüttert.

Für das schwache Abschneiden der Grünen sieht Landesvorstandssprecher Florian Pfeffer gleich mehrere Gründe. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und CDU sei für kleine Parteien nie so richtig gut, sagte er am Abend. „Rückenwind aus Berlin gab es für uns jetzt aktuell auch nicht“, fügte er hinzu. Außerdem müsse die Partei mit Blick auf die aktuellen Sorgen mancher Bürger „mehr tun“ und „besser werden“. Auch er sprach sich für eine Fortsetzung der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linken aus. Zu einer möglichen großen Koalition sagte er: „Mir genügt eigentlich ein Blick nach Berlin in den letzten Wochen, um zu sehen, dass das, glaube ich, für ein Bundesland keine gute Idee ist.“

Enttäuschung bei den Grünen: "Das ist sicherlich kein schöner Abend für uns", sagte Omid NouripourBundesvorsitzender der Partei. "Wir haben sicher auch keinen Rückenwind gegeben, von der Bundesebene aus", so Nouripour weiter. 

Grünen-Chefin Ricarda Lang hat sich nach den ersten Prognosen unzufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei gezeigt. „Das Ergebnis ist enttäuschend“, sagte die Co-Vorsitzende der Partei am Sonntagabend dem Fernsehsender Phoenix. Die Grünen in Bremen hätten zwar inhaltlich viel erreicht. Es sei aber nicht gelungen, dies den Wählerinnen und Wählern ausreichend zu kommunizieren. Lang räumte ein, dass es von der Bundesebene im Zwei-Städte-Land „wenig Rückenwind gegeben hat“. Das Bremer Ergebnis liege noch deutlich unter dem Bundestrend. „Es gab viele Themen, die landesspezifisch waren, die dort die Debatte geprägt haben und wo wir es leider, das muss man so ehrlich sagen, es nicht geschafft haben, in die Breite auszustrahlen.“

Christdemokraten hadern: CDU hofft auf "Mehrheit der Vernunft"

Die CDU hat bei der Bürgerschaftswahl in Bremen aus Sicht ihres Spitzenkandidaten Frank Imhoff ihr Ziel nicht erreicht. „Wir haben unser Wahlziel – wir wollen die stärkste Partei werden – verfehlt“, sagte er bei der CDU-Wahlparty. Imhoff bot dem voraussichtlichen Wahlsieger und amtierenden Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) eine Zusammenarbeit an. Die CDU stehe für eine „Mehrheit der Vernunft“ bereit, sagte er.

Die CDU-Kandidatin Wiebke Winter hat den Wahlkampf der Partei gelobt. „Wir haben auf die richtigen Themen gesetzt“, sagte Winter. „Wir haben auf das Thema Bildung gesetzt, wir haben auf Kriminalität gesetzt, auf Verkehr gesetzt.“ Das seien die Bereiche, welche die Menschen beschäftigten. „Wir wollen für diese Stadt Verantwortung übernehmen“, kündigte Winter an. Die CDU habe Geschichte geschrieben, sagte Winter. Die Partei sei zum ersten Mal in einem Tandem in Bremen angetreten.

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung sieht im Scheitern seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl keinen Hinweis auf die bundesweite Lage der Partei. Bremen sei für seine Partei schon immer ein schwieriges Pflaster gewesen, sagte Jung am Sonntagabend in der ARD. Auf Bundesebene gebe es eine andere Lage, dort lägen CDU/CSU in allen Umfragen weit vor der SPD. Gleichwohl sei die rot-rot-grüne Regierungsbilanz in Bremen etwa bei innerer Sicherheit und Armut schlecht. Es dürfe in dem Stadtstaat „auf gar keinen Fall ein Weiter-so geben.“

CDU-Vize Carsten Linnemann hat Bürgermeister Andreas Bovenschulte nach der Bürgerschaftswahl davon abgeraten, die bisherige Koalition mit Grünen und Linken fortzusetzen. So wie es in Bremen etwa im Bildungsbereich, bei der Verschuldung oder Sicherheit aussehe, könne man mit dieser Konstellation nicht weitermachen, sagte Linnemann im ZDF. Bovenschulte müsse das entscheiden. „Aber ich finde, es braucht einen Neustart für Bremen, und dieser Verantwortung sollte er nachkommen.“ Das CDU-Ergebnis nannte Linnemann für eine Großstadt ein „gutes Ergebnis“. Besorgt zeigte er sich über das voraussichtlich zweistellige Ergebnis für die Wählervereinigung Bürger in Wut. „Das finde ich bedenkenswert für die etablierten Parteien. Da müssen wir höllisch aufpassen“, sagte Linnemann.

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Bürgerschaftswahl: Vogt will Wirtschaftssenatorin bleiben

Die Spitzenkandidatin der Bremer Linken, Kristina Vogt, zeigt sich in einer ersten Reaktion erleichtert: „Wir sind natürlich wahnsinnig froh“, sagte sie dem ZDF am Sonntagabend. Sie hoffe, die Regierung weiter fortsetzen zu können. „Würde es am Ende des Tages zu diesem Ergebnis kommen, wären wir total glücklich, und hoffen dann, dass wir am Wochenende in die Sondierungsgespräche gehen“, sagte Vogt am Sonntagabend bei der Wahlparty der Linken. Vogt sagte weiter, sie selbst strebe an, Wirtschaftssenatorin zu bleiben.

Die Bundesvorsitzende der Linken, Janine Wissler, hat sich ebenfalls zufrieden mit dem Abschneiden ihrer Partei gezeigt. „Wir freuen uns über dieses Ergebnis“, sagte Wissler am Sonntag nach der Veröffentlichung der ersten Prognosen zur Bürgerschaftswahl. Bewahrheite es sich, dass die Linke bei 10,5 bis 11 Prozent liege, handele es sich um ein „ein gutes, ein stabiles Ergebnis“. Die Bremer Linken hätten einen „fulminanten Wahlkampf gemacht“, sagte Wissler.

FDP vor Wiedereinzug in die Bürgerschaft: Schäck vorsichtig optimistisch

Der FDP-Spitzenkandidat Thore Schäck hat sich nach der ersten Prognose vorsichtig optimistisch zum Abschneiden seiner Partei gezeigt. Das Ziel, wieder in die Bürgerschaft einzuziehen, scheine geglückt, sagte Schäck bei der FDP-Wahlparty. „Wir müssen ein bisschen aufpassen, es sind natürlich bisher nur Prognosen“, betonte er. Er gehe aber mit einem guten Gefühl in den weiteren Wahlabend. „Im Moment sieht alles ganz gut aus.“ Die Prognose von 5,5 Prozent wurde von den Liberalen bei der Wahlparty in Bremen mit Jubel und Applaus aufgenommen.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr hat sich zufrieden über das Abschneiden seiner Partei gezeigt. Sie habe geschafft, was sie sich vorgenommen habe: den Wiedereinzug ins Landesparlament, sagte er am Sonntagabend in der ARD. Laut den Prognosen nimmt die FDP mit 5 bis 5,5 Prozent knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Die FDP in Bremen habe genau auf die Inhalte gesetzt, die die Wähler interessiert hätten, etwa bei der Verkehrspolitik und der Schulpolitik. Generell sei die Lage für die FDP in Stadtstaaten wie Bremen ein bisschen schwieriger.

"Superglücklich": Jubel bei den BiW

Mit großer Freude hat der Spitzenkandidat der rechtspopulistischen Wählergruppierung Bürger in Wut (BiW) in Bremerhaven, Jan Timke, auf das Abschneiden seiner Partei reagiert. „Wir sind superglücklich über dieses Ergebnis. Das zeigt, dass unsere konservative Politik auf fruchtbaren Boden stößt“ sagte Timke. Die Partei profitiert davon, dass die AfD wegen internen Querelen bei der Landtagswahl in Bremen diesmal nicht zugelassen war.

Die BiW hätten mit einem konservativen Programm versucht, die Wählerinnen und Wähler zu begeistern, sagte Timke weiter. „Das ist uns offenbar gelungen und wir werden Bremen als Startschuss nehmen, gemeinsam mit unserem Partner Bündnis Deutschland, für die bundesweite Ausweitung der Partei. Wir werden nach der Wahl fusionieren mit Bündnis Deutschland. Und das ist hier der Startschuss“, sagte Timke.

Spitzenkandidat Piet Leidreiter kündigt an: „Das war erst der erste Schritt – das Projekt geht weiter.“ Eine Anspielung auf die Zusammenarbeit mit dem „Bündnis Deutschland“, in das die BIW aufgehen wird. Schon in der konstituierenden Sitzung der neuen Bremischen Bürgerschaft wird nicht die BIW sitzen, sondern das „Bündnis Deutschland“.

Das sagt die Wirtschaft

Die Interessenvertretung Bremer Familienunternehmen fordert, dass es nach der Wahl zu einem politischen Wandel kommt, "der Bremen wieder zu einem attraktiven Standort macht". Dass dieser Wandel jedoch gelinge, wenn die SPD die aktuelle Koalition weiterführe, sei zu bezweifeln, teilte die Vertretung mit. "Die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot darf kein Automatismus sein," sagte der Regionalvorsitzende Michael Kleine. Bremen brauche jetzt eine Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ins Zentrum stelle, sagte Kleine weiter. "Vor allem die großen Missstände bei der Verkehrs- und Bildungspolitik müssen angegangen werden, anstatt weiter ideologische Klientelpolitik zu betreiben."

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