Nach acht Monaten endet an diesem Wochenende der Verkehrsversuch in der Martinistraße. Das 1,3 Millionen Euro Projekt sollte die City neu beleben und zum Wegweiser für eine Stadt werden, "in der Menschen statt Autos wieder mehr Platz haben" – so hatte es die Verkehrsbehörde im Juli vergangenen Jahres, kurz vor Beginn des Versuchs, angekündigt. Ist das Vorhaben gelungen? Der WESER-KURIER hat verschiedene Akteure um ein Fazit und Vorschläge für die Zukunft gebeten.
Olaf Orb: Der Innenstadtbeauftragte der Handelskammer Bremen, Olaf Orb, zieht ein negatives Fazit. Das Projekt habe die Innenstadt weder attraktiver noch besser erreichbar gemacht. Die Eingriffe in die Straßenführung hätten teilweise zu einem "Verkehrschaos" geführt – Orb nennt den Brill als Problemstelle, an der es regelmäßig zu einem Rückstau bis zum Osterdeich komme. Außerdem sei der Lieferverkehr nicht berücksichtigt worden. Zukünftig könne er sich für die Martinistraße folgende Lösung vorstellen: einspurig für Autos in beide Richtungen, ergänzt durch jeweils eine Fahrradspur, die aber nicht baulich abgetrennt werde. Der 25er-Bus solle dann auf der Fahrradspur halten dürfen – und würde somit nicht mehr die Autos hinter sich blockieren. Außerdem, so Orb, könnten auf diese Weise Lieferanten die Fahrradspur überqueren, um bis zu den Geschäften zu gelangen.
Sven Eckert: "Wir sind grundsätzlich zufrieden mit dem Verkehrsversuch", sagt Sven Eckert, Landesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Zu Beginn des Versuchs sei die Radverkehrsführung nicht ausgereift gewesen – Eckert spricht von falschen Beschilderungen, die später berichtigt worden seien. Er erhoffe sich im Zuge der Detailauswertung genauere Daten zu den Verkehrsströmen, die es bislang nur begrenzt gebe. Da Veränderungen von vielen Menschen nur langsam akzeptiert würden, hätte sich der ADFC-Geschäftsführer laut eigener Aussage eine längere Versuchslaufzeit gewünscht. Langfristig sollte der Radverkehr möglichst von anderen Verkehrsteilnehmern abgegrenzt werden, schlägt Eckert vor: "Dann trauen sich dort auch mehr Menschen mit dem Fahrrad zu fahren." Die Idee, den Bus auf der Fahrradspur halten zu lassen, finde er nicht sinnvoll, da sich dann die Fahrradfahrer statt der Autos hinter dem Bus stauen würden.
Angelika Schlansky: Es sei richtig, die Martinistraße umzugestalten und den Autoverkehr auf ein "stadtverträgliches Maß" zu reduzieren, sagt Angelika Schlansky vom Bremer Fußverkehrsverein. Den Verkehrsversuch bezeichnet sie allerdings als taktisch nicht durchdacht und in Summe unnötig: "Es ist unglücklich, dass dafür so viel Geld ausgegeben wurde". Besser, so Schlansky, wäre es gewesen, direkt mit der Planung zu beginnen.
Carolin Reuther: Die Geschäftsführerin der Bremer City-Initiative bemängelt eine aus ihrer Sicht schlechte Ausgestaltung und Kommunikation des Versuchs. Das Projekt habe bei Einheimischen und Gästen für Verunsicherung gesorgt und Menschen abgeschreckt, die auf das Auto angewiesen seien. "Auf einen einspurigen Zweirichtungsverkehr in der Martinistraße hätte man sich grundsätzlich und von vornherein einigen können, dann aber konzeptionell durchdacht und in ein städtebauliches Gesamtkonzept integriert", sagt Reuther. Auch sie kritisiert fehlende Lieferzonen und Probleme durch Rückstaus. Das Rahmenprogramm habe keinen Mehrwert gehabt und oft sogar einen negativen Eindruck hinterlassen – in der letzten Projektphase sieht Reuther allerdings eine Verbesserung. Es müsse nun ein Plan her, "wie der für Fußgänger gewonnene Raum positiv gestaltet werden kann".
Maike Schaefer: Bremens Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) bekräftigte am Donnerstag ihre Haltung, dass der Verkehrsversuch sinnvoll gewesen sei. Bevor man viel Geld für eine langfristige Lösung angehe, sollten Erkenntnisse gesammelt werden. Zum Beispiel habe sich gezeigt, dass die zwischenzeitliche Einbahnstraßenlösung für Radfahrer nicht sehr übersichtlich gewesen sei. Das Rahmenprogramm – allen voran die Surfwelle – habe für Belebung gesorgt.