Petra W. ist seit Langem auf der Suche nach einem Rheumatologen. „Als mein Arzt gestorben ist, habe ich angefangen, zu suchen. Bisher ohne Erfolg. Ich bin auch bereit, einen weiteren Weg zu fahren. Wo ich anrufe, heißt es aber: Wir sind überfüllt, es gibt lange Wartelisten, Aufnahmestopp.“ Die Bremerin, deren Name der Redaktion bekannt ist, leidet unter einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung. Zur Behandlung nimmt sie hochwirksame Medikamente ein, eigentlich sind regelmäßige Kontrollen beim Rheumatologen erforderlich. Blutuntersuchungen übernimmt ihre Hausärztin. „Zum Glück bin ich im Moment gut eingestellt. Aber was ist, wenn ich einen Schub habe? Meine Hausärztin wüsste nicht, auf welche Wirkstoffe und Dosierungen sie umstellen könnte.“
Bundesweit gibt es zu wenige Rheumatologen, beklagt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und klinische Immunologie (DGRh). Der Mangel gefährde mittlerweile die Versorgung. 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Das Immunsystem richtet sich gegen Zellen und löst Entzündungen aus. Zumeist sind Gelenkstrukturen betroffen, aber auch die Wirbelsäule, Muskeln, Blutgefäße, Bindegewebe und Organe.
Es gibt 100 entzündliche Rheumaerkrankungen. Eine präzise, schnelle Diagnose und frühzeitige Therapie seien entscheidend. „Erklärtes Ziel ist, dass dies innerhalb von sechs Wochen nach den ersten Symptomen geschieht. Dies gelingt in den meisten Regionen Deutschlands bisher nicht“, so die Fachgesellschaft. Monatelange Wartezeiten auf Erstvorstellungs- und Kontrolltermine sowie lange Anfahrtswege seien in manchen Regionen die Regel.
Rheuma besser behandelbar
Dabei gibt es heute viele hochwirksame Medikamente, die – rechtzeitig gegeben – Schmerzen und etwa irreversible Gelenkzerstörungen verhindern können. Heilbar sei entzündliches Rheuma nicht, aber immer besser behandelbar. „Bei frühzeitiger adäquater Therapie ist die Lebensführung bei den meisten Patienten kaum noch eingeschränkt“, betont DGRh-Präsident Professor Christof Specker.
„Allein im ambulanten Bereich fehlen in Deutschland schon jetzt 700 Fachärzte“, sagt Professor Jens Gert Kuipers, Chefarzt der Klinik für internistische Rheumatologie am Rotes Kreuz Krankenhaus (RKK) Bremen. Die Zahl errechne sich aus dem ermittelten Mindestbedarf von zwei Rheumatologen pro 100.000 Einwohner. „Der Mangel wird sich verstärken“, betont Kuipers. „Wegen der abnehmenden Vollzeittätigkeit würden eigentlich drei Fachärzte pro 100.000 Einwohner benötigt, dann fehlen sogar 2100 Rheumatologen.“ Hinzukomme: Fast ein Drittel der Fachärzte sei 60 Jahre und älter, scheide also bald aus. „Das macht uns große Sorgen“, sagt der Chefarzt. Auch im Rheumazentrum am RKK, in dem ambulant behandelt wird, gibt es einen Aufnahmestopp. „Wir können nur noch schwerkranke Rheuma-Patienten aufnehmen.“
Vor allem ländliche Gebiete weisen laut DGRh eine deutliche Unterversorgung auf. Den Mindestbedarf von zwei Fachärzten pro 100.000 Einwohner erreichten aber auch nur wenige Großstädte beziehungsweise Stadtstaaten, wie Hamburg mit einem Wert von 1,7 (Stand: Ende 2022). In Bremen liegt er bei 0,7.
Laut Kassenärztlicher Vereinigung (KV) gibt es in Bremen aktuell vier niedergelassene Rheumatologen in einer Praxis. Und es gebe Teams für die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Eines befindet sich im Rheumazentrum am RKK mit neun in der Klinik angestellten Fachärzten. Das zweite ASV-Team bestehe aus den vier niedergelassenen Rheumatologen, ein weiteres bilden zwei Rheumatologen am Klinikum Mitte für Kinder und Jugendliche. "In Deutschland werden zu wenig Humanmediziner ausgebildet, die in die Versorgung gehen, dies betrifft auch und gerade Rheumatologen", sagt KV-Sprecher Christoph Fox. In Bremen komme hinzu, dass in hohem Maße das Umland mitversorgt werde.
Und der Nachwuchs fehle: Nur zehn von 38 staatlichen Universitäten verfügten über einen rheumatologischen Lehrstuhl. Die DGRh fordert dies an wenigstens jeder zweiten medizinischen Fakultät. Zudem müssten bis zum Jahr 2029 zusätzliche 100 Weiterbildungsstellen geschaffen werden. In Bremen haben laut Fox die KV und Kassen aus dem Strukturfonds freiwillig drei Weiterbildungsverhältnisse finanziell gefördert.
„Regelmäßig rufen bei uns Menschen an und fragen, ob wir bei Terminen behilflich sein können. Viele sind verzweifelt“, sagt Silke Burchardt, Geschäftsführerin der Rheuma-Liga Bremen. Sie könne nur auf den Austausch mit anderen Betroffenen und weitere Angebote hinweisen. Eine Gruppe der Rheuma-Liga richte sich an junge Betroffene, Rheuma ist keine Frage des Alters. Neben den entzündlichen gibt es auch nicht-entzündliche Formen, die unter dem Begriff Rheuma zusammengefasst werden – insgesamt sind 17 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. „Bei Terminen verweisen wir auch auf den KV-Service unter der Nummer 116 117. Die Engpässe gibt es aber“ so Burchardt. Laut Fox konnten im vergangenen Jahr 232 Termine vermittelt werden, „allerdings blieben auch 16 Terminslots frei“.