Unterschiedliche Reaktionen gibt es aus Bremen zur Finanzierungszusage des Bundes beim Migrationsgipfel am Mittwoch in Berlin. So plädiert Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) wie andere Länderchefs weiter dafür, dass der Bund die Hilfen für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen nach einer Pro-Kopf-Regelung berechnen solle. Gerade diese sieht Sigrid Grönert, in der CDU-Bürgerschaftsfraktion Sprecherin für Flüchtlinge und Migration, skeptisch.
Der Bund hatte zugesagt, den 16 Ländern für dieses Jahr insgesamt eine Milliarde Euro zusätzlich für die Versorgung der Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Die Frage nach einer dauerhaft anderen Systematik der Kostenaufteilung wurde jedoch vertagt. Die Länder hatten stellvertretend für die Kommunen auf ein System gedrungen, das sich an der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten orientiert. Sie forderten auch eine vollständige Erstattung der Kosten der Unterkunft.
Wie viel Geld bekommt Bremen jetzt?
Laut Sozialressort erhält Bremen knapp ein Prozent, also gut zehn Millionen Euro. Das Geld sei für die Unterbringung und Versorgung, aber auch für die Digitalisierung der Ausländerbehörden vorgesehen. In diesem Fall sei die Berechnungsbasis der Länderanteil an der Umsatzsteuerzuweisung durch den Bund. Daher kalkuliere das Finanzressort mit etwa 10,4 Millionen für die Hansestadt.
Wie reagiert der Senat?
"Es ist gut, dass der Bund für dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung stellt", teilte Bürgermeister Bovenschulte mit. "Aus Sicht der Länder bedarf es aber einer stärkeren und strukturellen finanziellen Unterstützung, die sich an den Zugangszahlen der Geflüchteten orientiert." Hier hofft der SPD-Politiker auf das nächste Bund-Länder-Treffen im November.
Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) bedauert, dass die Entscheidung über eine grundlegende Finanzierung der Flüchtlingskosten auf November vertagt worden ist. Obwohl der Bund die Regeln der Einwanderung festlege, müssten die Länder und Kommunen den größten Teil der Rechnung zahlen. Nach Angaben von Ressortsprecher Bernd Schneider hatte der Bund bereits zuvor angekündigt, seine bisherige Finanzierung von 2,75 Milliarden Euro zur Co-Finanzierung der Flüchtlingsausgaben in 2024 auf 1,25 Milliarden Euro abzusenken. Nach Berechnungen des Finanzressorts lag Bremens Anteil zunächst bei 28,6 Millionen und liegt jetzt bei 13 Millionen Euro – bei hohen oder steigenden Zugangszahlen. "Das macht deutlich, wie wichtig ein Finanzierungssystem ist, das die Zahl der real zugewanderten Personen zugrunde legt", sagte Stahmann.
Was sagt die Opposition?
Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sigrid Grönert sieht die Forderung nach einer Berechnung der Bundeshilfen nach Zugangszahlen skeptisch, weil Bremen viele Geflüchtete aufgenommen habe, die auf andere Bundesländer hätten verteilt werden sollen. Durch die schlechte Ausstattung der Behörden hätten sich zwischenzeitlich viele Menschen in der Warteschleife befunden. Auf der anderen Seite habe Bremen "gewaltige Summen für die Unterbringung von Flüchtlingen gezahlt". Zudem würde eine Pro-Kopf-Finanzierung das Problem der irregulären Migration nicht lösen. Die Zusagen des Bundes zum Schutz der Außengrenzen begrüßt Grönert. Neben besseren Schutzmaßnahmen an den Grenzen braucht es ihr zufolge Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern. "Sonst finden wir auf lange Sicht keine Akzeptanz bei der Bevölkerung und werden auch den Flüchtlingen nicht gerecht", sagte Grönert.
Wie reagieren die niedersächsischen Kommunen?
Der Städte- und Gemeindebund erklärte den Gipfel für "gescheitert". Deren Präsident Marco Trips sagte: „Erwartet werden je nach Schätzung 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge für Niedersachsen. Das Geld reicht aber höchstens für die Hälfte. Der Bund lässt die Länder hängen und die Kommunen im Stich."
Wie lange reicht das Geld?
Das Sozialressort spricht für das vergangene Jahr von etwa 260 Millionen Euro flüchtlingsbezogenen Ausgaben, davon seien gut 50 Millionen aus dem Bund gekommen. Der Zuschlag sei keine wesentliche Entlastung, zumal die Kosten für Integration und das Gesundheitswesen nur zum Teil und die Ausgaben für Kindergarten und Schule gar nicht darin enthalten seien. Sozialsenatorin Stahmann will aber nicht nur auf die Kosten blicken: „Unser Land ist weiterhin dringend auf Einwanderung angewiesen, wenn es den Wohlstand halten und die zunehmende Zahl an älter werdenden Menschen angemessen versorgen will. Fünf Jahre nach ihrer Ankunft haben 55 Prozent der Geflüchteten eine Beschäftigung aufgenommen." Das gehe aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung von 2020 hervor.