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Apotheker und Ärzte warnen Medikamenten-Mangel in Bremen verschärft sich

Bremer Ärzte und Apotheken warnen: Die Versorgungslage mit Antibiotika insbesondere für Kinder verschlechtert sich immer weiter. Auch aus dem Ausland seien sie kaum zu bekommen - was das bedeutet.
08.05.2023, 10:28 Uhr
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Medikamenten-Mangel in Bremen verschärft sich
Von Sabine Doll

Kinderärzte, Apotheker und Kliniken warnen davor, dass sich die Versorgungslage mit Medikamenten immer weiter verschlechtert. Besonders betroffen sind Antibiotika für Kinder, die in Deutschland kaum noch zu bekommen sind. Bremen hatte vor anderthalb Wochen als erstes Bundesland per Allgemeinverfügung den Import von Antibiotika-Säften aus dem Ausland erlaubt. Auf Initiative der Gesundheitsbehörde hatte das Bundesgesundheitsministerium zuvor einen bundesweiten Versorgungsmangel mit Kinder-Antibiotika erklärt.

"Es wird jetzt wirklich eng"

„Dass wir diese Option umgehend bekommen haben, dafür sind wir sehr dankbar. Allerdings wird es jetzt auch immer schwieriger, Antibiotika-Säfte aus dem Ausland zu bekommen“, sagt Holger Piekuth vom Vorstand des Bremer Apothekerverbands. Aus einigen europäischen Ländern würden Wirkstoffe wie Penicillin und Amoxicillin kaum oder gar nicht mehr geliefert. Dies habe ein großer Arzneimittel-Importeur in München auf Nachfrage für die Niederlande, Frankreich, Italien und Spanien bestätigt. „Die Medikamente sind überall knapp. Da kann es nicht aufgefangen werden, wenn auch noch fast 18.000 Apotheken aus Deutschland Antibiotika-Säfte bestellen wollen. Es wird jetzt wirklich eng, wir sind in einer dramatischen Lage, die sich täglich verschlechtert“, warnt der Apotheker.

Erschwerend komme hinzu, dass es von einigen Krankenkassen keine Kostenzusagen für die teureren Import-Antibiotika gebe. „Von der AOK und den Ersatzkassen wie etwa der HKK haben wir diese, nicht aber von den Betriebskrankenkassen“, sagt Piekuth. Dies bedeute, dass die Apotheken auf eigenes Risiko in Vorleistung gingen. „Selbstverständlich bestellen wir trotzdem, sofern das möglich ist, aber das sorgt für Frust.“

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Die Bremer Apothekerkammer hat am Donnerstag eine Umfrage bei den etwa 135 Apotheken gestartet, ob sie von der Allgemeinverfügung Gebrauch machen: „Bislang haben wir 26 Rückmeldungen, wovon 16 Apotheken versuchen, im Ausland zu bestellen – vor allem Amoxicillin, gefolgt von Cefaclor und Penicillin“, sagt Kammer-Geschäftsführerin Isabel Justus. In der Regel dauere es etwa zehn bis 14 Tage bis zur Lieferung, sofern die Antibiotika im Ausland erhältlich seien.

Vor etwas mehr als einer Woche haben sich Apotheker und Ärzte zu einem Krisengespräch getroffen: Ein Ergebnis ist laut ­Piekuth, dass die Apotheken den Notdiensten vor Wochenenden und Feiertagen ihre Antibiotika-Bestände melden. Damit die Kinderärzte wissen, welche Präparate sie verordnen können und Eltern nicht von einer zur anderen Apotheke laufen müssten. „Wir appellieren an alle Apotheken, sich zu beteiligen, leider ist dies bisher nicht der Fall“, so Piekuth. „Das ist Mangelverwaltung, aber es ist eine der Möglichkeiten, um die Versorgung von Kindern unter diesen Bedingungen aufrechtzuerhalten.

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Nebenwirkungen als Risiko

Marco Heuerding stellt täglich Antibiotika-Rezepte aus. „Und jeden Tag müssen wir eigentlich inadäquate Medizin betreiben. Antibiotika leitliniengerecht zu verordnen, ist aktuell nicht umsetzbar“, sagt der Sprecher der Bremer Kinder- und Jugendärzte. Häufig müssten Antibiotika verordnet werden, die ein deutlich breiteres Wirkspektrum hätten und etwa für eitrige Mandelentzündungen, Mittelohrentzündungen oder Harnwegsinfektionen überdimensioniert seien. Folgen seien Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden. „Mit diesem Zustand leben wir seit Oktober. Immer wieder wurde versprochen, die Lieferengpässe zu beseitigen. Bislang hat sich aber nichts an dieser schwierigen Situation geändert“, sagt Heuerding. Die Politik müsse Hersteller verpflichten, in Deutschland und Europa zu produzieren. „Solange das nicht passiert, wird sich die Lage weiter verschlechtern.“

Vor Kurzem gab es die Forderung, eine nationale Antibiotika-Reserve anzulegen, wie in der Pandemie für Schutzausrüstung, Bremen hatte dafür ein eigenes Lager betrieben. „Wir haben uns bereits mit der Frage einer Reserve für Arzneimittel beschäftigt“, sagt Lukas Fuhrmann, der Sprecher der Gesundheitsbehörde. „Allerdings sind die rechtlichen und auch organisatorischen Hürden bei der Bevorratung von Medikamenten deutlich höher als bei Schutzausrüstung, weshalb diese bislang nicht umgesetzt werden kann.“ Die Behörde bleibe dazu mit der Apothekerkammer im Austausch. Eine Bevorratung könne jedoch keine nachhaltige Lösung für den aktuellen Mangel liefern, hierzu brauche es EU-weite Lösungen.

Der Mangel betrifft laut Deutscher Krankenhausgesellschaft auch Notfallmedikamente. Fünf bis zehn Prozent aller Arzneimittel, die benötigt würden, seien nicht lieferbar, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß dem SWR. Betroffen seien neben Antibiotika auch Schlaganfall-Mittel.

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