Alles neu, alles auf den Prüfstand, sagt Peter Sakuth. "Wenn der Bedarf an Wohnungen so groß ist, müssen auch in Bremen frühere Entscheidungen überdacht werden", fordert der Bauunternehmer und SPD-Politiker. Was er meint: den besonders strengen "Bremer Standard" bei den Vorgaben fürs Bauen und das Tabu, im Stadtgebiet Außenflächen zu besiedeln. Sakuth nimmt mit diesen Äußerungen zum Wohnungsbaugipfel Stellung, der am Montag in Berlin stattfand. Die Bundesregierung hat dort einen 14-Punkte-Plan vorgelegt. Darin enthalten ist unter anderem, den Bundesländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbssteuer zu ermöglichen. Bremen schließt das aus. Die bisher geltenden Steuersätze sollen erhalten bleiben, teilt die Finanzbehörde auf Anfrage mit.
Die Immobilienwirtschaft steckt tief in der Krise. Als Gründe gelten unter anderen die stark gestiegenen Zinsen und Baukosten. Sakuth, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der freien und privaten Wohnungsunternehmen in Bremen, rechnet vor: "Wer für 500.000 Euro ein Haus oder eine Wohnung kaufen will und 100.000 Euro Eigenkapital besitzt, muss für die Finanzierung jeden Monat 2000 Euro aufbringen." Für viele sei das schlicht nicht möglich. Der Bundeskanzler sieht das anders: „Die Zinsen sind nicht das Problem“, meint Olaf Scholz (SPD). Das aktuelle Niveau von etwa vier Prozent sei niedrig im Vergleich beispielsweise zum Anfang der Siebziger-Jahre mit 9,5 Prozent. Stimmt, sagt Sakuth: "Dafür waren damals aber die Grundkosten deutlich niedriger."
In einem Punkt sind Sakuth und Scholz auf einer Linie: Gebraucht werde unter anderem mehr Bauland, das in den Kommunen ausgewiesen werden müsse, so der Kanzler. In Bremen war in der Vergangenheit überlegt worden, Naturflächen zum Beispiel in Brokhuchting als Wohngebiete auszuweisen. Nachdem die Grünen ihr Veto eingelegt hatten, scheiterte der Plan. Mittlerweile ist das zuständige Bauressort in den Händen der SPD. "Bremen setzt weiterhin auf eine konsequente Innenentwicklung", erklärt Bausenatorin Özlem Ünsal (SPD). Ihr Parteifreund Sakuth, immer noch einer der Granden seiner Partei, hält dagegen: "Nur mit der Innenentwicklung wird es nicht gehen. Das reicht nicht."
Ein Indikator, wie relativ wenig zurzeit auf dem Immobilienmarkt umgesetzt wird, sind die Einnahmen aus der Grunderwerbssteuer. Nach 162 Millionen Euro im Jahr 2021 waren es in Bremen ein Jahr darauf 134 Millionen Euro. "Für dieses Jahr sagen die Steuerschätzer 107 Millionen Euro voraus", erklärt das Finanzressort.
Es sei nicht geplant, die Grunderwerbsteuer zu senken oder generell zu streichen, führt die Behörde aus. "Das wäre für Bremen ein herber Einnahmeverlust, der unmittelbar den Handlungsspielraum des Landes einschränken würde." Der zuletzt oft diskutierte Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer käme einer sozial blinden Förderung mit der Gießkanne gleich. Davon würden auch wohlsituierte Menschen profitieren, die sich den Eigenheimerwerb auch ohne Förderung leisten können. Zielgerichteter lasse sich der Immobilienkauf mit einem Eigenheimzuschuss unterstützen, wie das in Bremen der Fall sei, so Ressortsprecher Matthias Makosch. Bremen erhebt wie Niedersachsen einen Grunderwerbsteuersatz von fünf Prozent. Im Ländervergleich bedeutet das eine Platzierung im unteren Drittel.
„Übereilte und pauschale Senkungen der Steuern helfen zum jetzigen Zeitpunkt mit Blick auf den aktuellen bremischen Haushalt nicht weiter“, schließt sich Bausenatorin Ünsal dem grün-geführten Finanzressort an. Die Senatorin findet nach eigenen Worten richtig, beim Bauen vorerst auf den geplanten Energiesparstandard EH 40 zu verzichten: „Der aktuelle Druck am Wohnungsmarkt erfordert eine Neujustierung des sozialen Anspruchs."
Insgesamt gehe es darum, angesichts der derzeitigen Lage unter anderem mit hohen Baupreisen und gestiegenen Zinsen den Bau und die Genehmigung von bezahlbaren Wohnungen weiter möglich zu machen, so Ünsal. Helfen solle dabei eine Überarbeitung der Landesbauordnung: „Wir werden noch in diesem Jahr die Novellierung angehen und dabei alle Möglichkeiten ausnutzen, um das Bauen im Land Bremen einfacher, schneller und wirtschaftlicher zu machen.“ Wichtig sei ferner die Rolle der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften: „Wir wollen die Gewoba, Brebau und Stäwog weiter stärken, um auf neue Entwicklungen rechtzeitig proaktiv reagieren zu können.“