Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) ahnt es wohl: Der Abwahlantrag der CDU, den sie am Montag in der Bürgerschaft überstand, war möglicherweise nicht der unangenehmste Termin in dieser Woche. Am Freitag muss sie im Haushalts- und Finanzausschuss des Parlaments den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. "Bericht der Senatorin für Kinder und Bildung zur verhängten Haushaltssperre" lautet der Tagesordnungspunkt, auf den sich die Blicke richten. Aulepp wird da einiges zu erklären haben: Wie groß ist die Finanzierungslücke in ihrem Ressortbudget tatsächlich? Wie kann es sein, dass sich dieses Loch nur wenige Wochen nach dem Bürgerschaftsbeschluss über den Landes- und den städtischen Haushalt für 2024 auftat? Und nicht zuletzt: Seit wann zeichnete sich diese Entwicklung ab? Die Opposition, so viel lässt sich absehen, wird Aulepp in jedem einzelnen dieser Punkte ordentlich "grillen".
Dem WESER-KURIER liegt ein interner Controllingbericht des Bildungsressorts vor, der Licht in die Vorgänge bringt. Das Papier stammt von Mitte Juli. Es schafft zunächst Klarheit, was die nackten Zahlen betrifft. Demnach zeichnet sich für das Bildungsbudget des Landeshaushaltes ein Minus von gut sechs Millionen Euro ab. Das eigentliche Problem ist indes der städtische Haushalt. Dort droht zum Jahresende ein Defizit bei den konsumtiven Ausgaben – also den Aufwendungen für den laufenden Betrieb von Schulen und Kitas – von gut 35 Millionen Euro. Dieser Betrag schließt gut 13 Millionen Euro ein, die die Bildungsbehörde eigentlich zu einer gemeinsamen Sparanstrengung aller Senatsressorts (globale Minderausgabe) beisteuern müsste, nach Lage der Dinge aber nicht aufbringen kann. Zu den 35 Millionen Euro kommen noch ungedeckte Bedarfe bei Investitionen. Vor einer genaueren Analyse der anstehenden Projekte könne "noch keine Prognose gewagt werden", heißt es in dem Papier. Aber: Allein im Schulbau sei "von einem Bedarf für 2024 in der Größenordnung von 64 Millionen Euro" über die derzeit zur Verfügung stehenden Mittel hinaus auszugehen. Die investiven Risiken im Kita-Bereich würden gerade erst ermittelt.
"Aufgaben auf den Prüfstand"
Die konsumtiven Ausgaben sind offenbar an mehreren Stellen aus dem Ruder gelaufen oder wurden schon bei der Etatplanung zu niedrig angesetzt. Neben dem Energiebudget, das schon im Mai aufgebraucht war, betrifft das offenbar auch die Position Mieten. Entsprechende Zahlungen für neu angemietete Gebäude wie die Helmut-Schmidt-Schule (Berufsbildung Wirtschaft) oder die Berufsschule für Großhandel, Außenhandel und Verkehr waren bisher nicht berücksichtigt. Rund 4,5 Millionen Euro mehr als ursprünglich angesetzt müssen an den Verein Stadtteilschule überwiesen werden. Er beschäftigt Aushilfslehrkräfte, die vom Bildungsressort bei Bedarf angefordert werden.
In ihrem Vermerk warnen die Controller der Behörde eindringlich vor den Dimensionen und den Folgen des Defizits. Werde nicht gegengesteuert, könne "spätestens im Monat Oktober die absolute Zahlungsunfähigkeit" erreicht sein. Diese Aussage ist mit drei Ausrufezeichen versehen. Alle Auf- und Ausgaben der Behörde müssten deshalb "erneut auf den Prüfstand gestellt" werden. Die Finanzfachleute empfehlen, beschlossene Ausbauprojekte im Schul- und Kita-Bereich "im Sinne einer zeitlichen Streckung" vorerst zu stoppen. Dringend anzuraten sei zudem eine Erhöhung der Einnahmen. Beispiel: die Elternpauschalen für das Essen in Kindertagesstätten. Die Mahlzeiten seien inzwischen so teuer geworden, dass die Kita-Träger monatlich rund 110 Euro mit der Behörde abrechnen. Die Verpflegungspauschale liege aber bei lediglich 35 Euro pro Monat. Allein dieser Umstand reiße ein Loch von gut 21 Millionen Euro in den Bildungshaushalt.
Am 25. Juli – neun Tage nach dem Papier der Controller – reagierte Senatorin Aulepp mit einer Haushaltssperre für ihr Ressort. Seither dürfen nur noch unabweisbare, rechtlich verpflichtete Ausgaben getätigt werden. Alles andere bedarf der persönlichen Genehmigung durch die Behördenspitze. Vor wenigen Tagen hat Aulepps Staatsrat Torsten Klieme in einem Rundschreiben an alle Dienststellen festgelegt, wie er sich den Vollzug der Haushaltssperre vorstellt. Auch bestehende vertragliche Verpflichtungen der Bildungsbehörde müssten auf "Notwendigkeit, Angemessenheit und Erforderlichkeit" überprüft werden. Selbst der von den rot-grün-roten Koalitionsfraktionen gewollte Ausbau der Doppelbesetzungen in Klassenräumen ist offenbar kein Selbstläufer mehr. Jede einzelne dieser neuen Stellen, so wird klargestellt, muss von der Senatorin abgezeichnet werden. Von der Bildungsbehörde war am Mittwoch keine Stellungnahme zu den aktuellen Entwicklungen zu erhalten.