Matthias Hensen hat die Nase voll. Im Dezember vergangenen Jahres ist er in eine schicke Wohnung am Kommodore-Johnsen-Boulevard in der Bremer Überseestadt gezogen. Was er damals nicht geahnt habe: "An den Wochenenden wird die Straße als Präsentier-, Angeber- und Rennstrecke von Rasern und Autoposern heimgesucht", sagt er. Bis weit in die Nächte hinein ließen die Fahrer den Motor aufheulen, bremsten und starteten mit quietschenden Reifen und lieferten sich Rennen. "Pünktlich am Freitagabend geht es los. Bei dem Lärmterror ist an Schlaf nicht zu denken. Ich bin entsetzt, das ist eine Katastrophe." Mittlerweile habe er seine Wohnung gekündigt.
Die Überseestadt ist einer der Hotspots für Raser und Autoposer in Bremen. Anfang Juli kontrollierte die Polizei nach Hinweisen von Anwohnern in der Eduard-Suling-Straße und auf dem Kommodore-Johnsen-Boulevard etwa 1800 Fahrzeuge. 110 Geschwindigkeitsverstöße wurden festgestellt, mit Spitzenwerten von 120 und 105 Stundenkilometern, wie es in einer Mitteilung hieß. Drei Autofahrer, die der Raser- und Poserszene zuzuordnen waren, wurden wegen unnützen Hin-und Herfahrens mit einem Bußgeld von jeweils 100 Euro belegt. Weitere Hotspots sind die Martinistraße und die Bürgermeister-Smidt-Straße in der Innenstadt, Teile der Neustadt und das Viertel, insbesondere der Ostertorsteinweg.
Nach dem Vorbild anderer Städte hatte die Polizei Bremen 2019 eine "Kontrollgruppe Raser und Poser" eingerichtet. Wie berichtet, ist die Gruppe in diesem Jahr in der warmen Jahreszeit nicht als ständige Einheit aufgerufen worden. Die Spezialisten der Verkehrspolizei seien aber mit eigenen Kontrollen aktiv und unterstützten bei Bedarf zusätzlich den Einsatzdienst der Polizei. "Die Spezialisten werden ihre Arbeit als ständige Einheit wieder aufnehmen, sobald es die Personalsituation wieder zulässt. Einen genauen Termin hierfür gibt es noch nicht", teilt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), mit.
Hamburg soll Bremer Vorbild werden im Kampf gegen Autoposer
Damit will sich der grüne Koalitionspartner nicht zufriedengeben. Die Bürgerschaftsfraktion fordert, die Maßnahmen gegen Autoposing und illegales Tuning schnell wieder aufzunehmen und die Kontrollgruppe nach dem Vorbild der "Soko Autoposer" in Hamburg auch deutlich besser als bisher auszustatten. Einen entsprechenden Antrag, der dem WESER-KURIER vorliegt, hat die Fraktion auf ihrer Klausur in der vergangenen Woche beschlossen.
"Dem Treiben muss ein Riegel vorgeschoben werden", betont der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Ralph Saxe, auf Nachfrage. "Der Lärmterror von Posern belastet die Gesundheit insbesondere von älteren Menschen und Kindern. Außerdem gefährden die extreme Beschleunigung der Fahrzeuge und die überhöhte Geschwindigkeit den Verkehr." Zu einer besseren technischen Ausstattung gehörten nach dem Hamburger Vorbild sogenannte Endoskop-Kameras, um Auspuffanlagen zu überprüfen. Beim Verdacht auf illegale Manipulationen sollen die Fahrzeuge abgeschleppt und von einem von der Polizei bestellten Sachverständigen begutachtet werden, fordern die Grünen in dem Antrag. Dies habe sich ebenfalls in Hamburg bewährt.
"Bestätigt sich hierbei der Verdacht, werden die Fahrzeugbesitzer zum Rückbau der Manipulationen verpflichtet und müssen zur Wiedererlangung der Betriebserlaubnis eine erneute Begutachtung durchführen lassen. Die Kosten, die den Betroffenen für die zweimalige Begutachtung und den Rückbau entstehen, liegen weit über den genannten Bußgeldern und haben dadurch auch einen erheblichen Abschreckungseffekt", heißt es in dem Antrag.
In Hamburg können auf die Fahrer Gesamtkosten in Höhe von 2000 bis 4000 Euro zukommen, wie ein Sprecher der Polizei Hamburg dem WESER-KURIER Anfang des Jahres bestätigte. Diese setzten sich aus Bußgeldern, Abschlepp-, Gutachter- und Werkstattkosten für die Rückbauten zusammen. Jährlich würden durch die Soko Autoposer etwa 3000 Fahrzeuge überprüft. Seit der Gründung im Jahr 2017 seien dies etwa 14.900 Fahrzeuge gewesen, von denen etwa 1500 für eine Begutachtung sichergestellt worden seien.
In dem Antrag fordern die Grünen außerdem, die Sperrung der Sielwall-Kreuzung an den Wochenenden wieder einzuführen. Die Sperrmaßnahmen waren im vergangenen Herbst nicht mehr verlängert worden. Zudem soll sich der Senat im Bund dafür einsetzen, dass Lärmbelästigung und unnützes Hin- und Herfahren als Tatbestände mit Punkten geahndet und damit zu einem Eintrag ins Fahreignungsregister führen.