Kurz vor einem Treffen der Bremer Koalitionsspitzen zur Zukunft der Helenenstraße befeuert Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Debatte um den Rotlichtbezirk. Geht es nach ihm, wird die Bordellmeile im Steintorviertel kurzerhand geschlossen. Die rechtlichen Grundlagen für einen solchen Schritt seien vorhanden. "Das wäre die konsequenteste Lösung", sagte Mäurer dem WESER-KURIER.
Handlungsbedarf besteht, weil der Baubehörde aktuell mehrere Bauanträge vorliegen, die auf eine Ausweitung der vorhandenen Arbeitsstätten für Sexarbeiterinnen abzielen. Wie aus einem Vermerk der Innenbehörde hervorgeht, gibt es in der Helenenstraße derzeit 25 Prostitutionsstätten mit 51 Einzelräumen. Für vier weitere Grundstücke seien entsprechende Bauanträge eingereicht worden, sechs weitere befänden sich in Vorbereitung. "Bei einem Vollausbau der Helenenstraße könnte sich die Anzahl der Arbeitsräume von heute 51 auf circa 130 erhöhen", heißt es in dem Papier.
Missstände im Steintor
Eine solche Entwicklung würde die Missstände im Steintor nach Auffassung des Innensenators weiter verschärfen. Lange Zeit habe die Vorstellung geherrscht, es sei sinnvoll, den käuflichen Sex in einem Bereich wie der Helenenstraße zu konzentrieren, weil man die Szene dort auch vonseiten der Behörden unter Kontrolle habe und das Umfeld nicht leide. Mit der Realität habe diese Annahme jedoch immer weniger zu tun. Zuhälter, Kleinkriminelle, Drogenhändler und die Konsumentenszene machten sich im Steintor breit und beeinträchtigten das Sicherheitsgefühl der dort lebenden Menschen. Straftaten wie Raub und Körperverletzung nähmen deutlich zu. "Es ist nicht gelungen, den Rotlichtbezirk einzuhegen. Im Umfeld sieht es dort teilweise gruselig aus", stellt Mäurer fest.
Wandel im Gewerbe
Auch im Prostitutionsgewerbe selbst habe es einen Wandel gegeben. Während in der Helenenstraße früher überwiegend Frauen tätig waren, die als selbstständige Sexarbeiterinnen eine gewisse Autonomie besaßen, seien dort inzwischen überwiegend junge Frauen aus Bulgarien oder Rumänien in ausbeuterischen Verhältnissen tätig. Viele von ihnen würden durch Akteure der organisierten Kriminalität angeworben und seien ihnen schutzlos ausgeliefert. Auch hiervor dürfe man nicht die Augen verschließen, sagt der Innensenator.
Aus seiner Sicht wäre es deshalb das Beste, den Rotlichtbezirk schlicht dichtzumachen. Rechtliche Handhabe wäre die bestehende Sperrgebietsverordnung. Derzeit gilt: Prostitution ist im Bremer Stadtgebiet grundsätzlich erlaubt. Allerdings gibt es einen Sperrbezirk, der den größten Teil der Östlichen Vorstadt umfasst – mit Ausnahme der Helenenstraße, die eine Art Insel innerhalb dieses Bezirks darstellt. Mäurers Vorschlag lautet, diese Ausnahme in der Verordnung zu streichen. "Ich wäre bereit, das zu machen", erklärt der SPD-Politiker. Sollte dies politisch innerhalb der rot-grün-roten Koalition nicht mehrheitsfähig sein, müssten aus seiner Sicht zumindest die Ausbaupläne gestoppt werden. Auch dies wäre nach Mäurers Darstellung über eine Änderung der Sperrbezirksverordnung möglich, sofern darin eine Bestandsschutzklausel für vorhandene Prostitutionsstätten eingefügt würde.
Der Vorstoß des Bremer Innensenators kommt zwei Tage vor einer Sitzung des Koalitionsausschusses von SPD, Grünen und Linken. Die Zukunft der Helenenstraße ist Topthema auf der Tagesordnung des Gremiums, dem die Partei- und Fraktionsspitzen sowie drei Senatsmitglieder angehören. Der Ausschuss kommt üblicherweise im Abstand einiger Monate zusammen, um grundsätzliche Fragen zu erörtern oder Konflikte auszuräumen. Bei der Helenenstraße ist Letzteres der Fall, denn insbesondere SPD und Linke hatten sich zuletzt sehr unterschiedlich positioniert.
Das von den Linken geführte Wirtschaftsressort handelt die geplante Ausdehnung der Prostitutionsstätten als gewerberechtliches Thema ab und hat keine Einwände. Die vorgesehenen neuen Räumlichkeiten verbesserten die Arbeitsbedingungen der Prostituierten und erleichterten Kontrollen, hieß es zuletzt aus dem Ressort. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion sieht das ganz anders. Ähnlich wie Mäurer weist sie auf die Abwärtsentwicklung des Steintorviertels hin. Ihr dürfe nicht noch Vorschub geleistet werden. Auch die Grünen haben Vorbehalte. Sie drängen zudem auf energische Schritte gegen die Zuhälterszene am Ziegenmarkt.