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Bremer Gesundheitssenatorin Bernhard erhöht Druck auf Kliniken

Die Bremer Kliniken sollen Behandlungsangebote zusammenlegen - Vorschläge liegen auf dem Tisch. Nun will auch der Bund die stationäre Versorgung neu ordnen. Die Politik diskutiert, wie beides zugleich geht.
17.01.2023, 19:29 Uhr
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Bernhard erhöht Druck auf Kliniken
Von Jürgen Theiner

Die Neuordnung der Bremer Kliniklandschaft steht unter hohem Erfolgsdruck – und der lastet auf den Trägern der einzelnen Krankenhäusern mindestens so sehr wie auf der Politik. So sieht es jedenfalls Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard. In der Gesundheitsdeputation appellierte die Linken-Politikerin am Dienstag erneut an die Klinikbetreiber. Von ihnen sei in nächster Zeit "massivste Kooperationsfähigkeit" gefragt.

Hintergrund ist die angestrebte Bündelung bestimmter Behandlungsangebote an einzelnen Krankenhausstandorten innerhalb des Stadtgebietes. Sie ist die wohl wichtigste Empfehlung eines Gutachtens, das Bernhards Behörde im vergangenen Jahr bei der Essener Fachberatung HCB eingeholt hatte. Die Kliniken sollen weg vom medizinischen Gemischtwarenladen, hin zu Kompetenzzentren für die Behandlung einzelner Krankheiten. Eine solche Schwerpunktbildung erhöht nach Ansicht aller Experten – nicht nur der von HCB – die Behandlungsqualität, nutzt die knappen Ressourcen an Fachpersonal besser und ist auch ökonomischer.

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2022 hatten die kommunalen und die freien Bremer Kliniken auf freiwilliger Basis einen Dialog begonnen mit dem Ziel, die Behandlungsangebote stadtweit neu zu ordnen. Dieser Prozess ist jedoch festgefahren. Senatorin Bernhard deutete bereits vor einigen Wochen an, dass sie im Zuge einer neuen Landeskrankenhausplanung auch Zwang ausüben könnte, wenn auf freiwilliger Basis keine Ergebnisse erzielt werden. Erneut rief sie nun in der Deputation die Klinikträger zur Zusammenarbeit auf: "Niemand darf sich einbilden, er überlebt auf sich allein gestellt."

HCB-Chef Boris Augurzky beschrieb den Gesundheitspolitikern die Grundzüge seiner Empfehlungen. Die Analyse der derzeitigen Klinikprofile habe zahlreiche Mehrfachangebote aufgezeigt, beispielsweise in der Gefäßchirurgie, der Augenheilkunde und der Urologie. Hier und in weiteren medizinischen Disziplinen gelte es, Kompetenzen an einzelnen Standorten zu bündeln.

Was die Sache noch komplexer macht: Seit das HCB-Gutachten vorliegt, sind auf Bundesebene neue, grundsätzliche Überlegungen zur künftigen stationären Gesundheitsversorgung angestellt worden. Eine von Minister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzte Regierungskommission empfiehlt unter anderem eine dreigliedrige Kliniklandschaft. Auf der untersten Stufe soll es kleinere Häuser geben, die eine internistische und chirurgische Grundversorgung bieten, auf der mittleren Fachkrankenhäuser mit einem darüber hinausgehenden Bedarf. Die dritte Stufe bilden sogenannte Maximalversorger wie etwa Uni-Kliniken. Außerdem will Lauterbach das System der Fallpauschalen reformieren. Diese Pauschalen erhalten die  Krankenhäuser von den Kassen. Sie bilden den wirtschaftlichen Aufwand einer bestimmten stationären Behandlung ab. Einen Teil ihrer Kosten sollen die Häuser künftig außerhalb der Fallpauschalen erstattet bekommen, nämlich für das reine Vorhalten ihrer Angebote. Die Bremer Gesundheitspolitik steht also nun vor der Aufgabe, die Empfehlungen des HCB-Gutachtens mit den neuen, zum Teil noch gar nicht detailliert ausformulierten Zielvorstellungen der Lauterbach-Kommission zu verknüpfen. Keine einfache Aufgabe, wie aus den Diskussionsbeiträgen mehrerer Deputationsmitglieder herausklang.

Stephanie Dehne (SPD):

Die Sozialdemokratin machte auf ein Problem bei der Umstrukturierung der Bremer Krankenhauslandschaft aufmerksam. Einerseits müsse bei den Gesprächen zwischen den Klinikträgern eine gewisse Vertraulichkeit herrschen, sodass Details einer möglichen Neuordnung von Behandlungsangeboten nicht gleich öffentlich zerredet werden. Andererseits wollten die Bürger in den Stadtteilen wissen, was denn nun mit dem Krankenhaus in ihrer Nähe werde. Welche Angebote bleiben dort erhalten? Bleibt das jeweilige Krankenhaus überhaupt erhalten? Solche Fragen würden auch an die Gesundheitspolitiker der Parteien herangetragen.

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Rainer Bensch (CDU):

Bevor es zu grundlegenden Veränderungen in der örtlichen Klinikstruktur kommt, brauche es eine ausführliche Bedarfsanalyse für die Gesamtstadt plus Umland – das ist das Credo des CDU-Gesundheitspolitikers, das er in der Deputation einmal mehr vortrug. Klar sei, dass das Volumen der stationären Leistungen tendenziell abnehmen werde zugunsten des ambulanten Sektors. Diese Entwicklung müsse sich in den neuen Strukturen widerspiegeln.

Nelson Janßen (Linke):

Auch der Fachpolitiker der Linken forderte, die Umlandversorgung durch Bremens Kliniken stärker in den Blick zu nehmen. Janßen begrüßte zudem die Empfehlung der Lauterbach-Kommission, durch die Erstattung von Vorhaltekosten für medizinische Infrastruktur einen Teil des wirtschaftlichen Drucks von den Kliniken zu nehmen. Die Frage sei, wie viel ökonomische Steuerungswirkung dann noch von den Fallpauschalen ausgeht, die weiterhin einen Teil der Krankenhausfinanzierung darstellen werden.

Magnus Buhlert (FDP):

Für den FDP-Gesundheitsexperten ist klar: Vor der Bürgerschaftswahl wird nichts mehr mit einer Neuordnung der Bremer Kliniklandschaft. Noch in 2023 müssten aber greifbare Ergebnisse vorliegen. Die vorhandenen Doppelstrukturen seien durch das HCB-Gutachten identifiziert. Die Gesundheitsbehörde müsse das Instrument der Landeskrankenhausplanung nun sinnvoll einsetzen.

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