Die SPD-Bürgerschaftsfraktion plant eine gezielte Videoüberwachung an Tram- und Bushaltestellen. Anlass seien die zunehmenden Gewaltdelikte an Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs in Bremen und Bremerhaven. Bislang sind die Fahrzeuge der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) und der Bereich um den Hauptbahnhof mit Videokameras ausgestattet. Die Verteilung der neuen Überwachungskameras soll in Abstimmung mit dem Bremer Innenressort, der Polizei, der BSAG und Bremerhaven-Bus erfolgen. So soll sichergestellt sein, dass diese nur an Hotspots, also Orten mit einer objektiven Gefahrenlage wie etwa in der Innenstadt und an Endhaltestellen, installiert werden.
Zuletzt war am Sonntagabend vor einer Woche ein 33-Jähriger an der Haltestelle Domsheide so schwer verletzt worden, dass er in ein Krankenhaus gebracht werden musste, erinnerte der SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör bei einer Pressekonferenz. Die Videoüberwachung am Bremer Hauptbahnhof habe gezeigt, dass die Maßnahme den Fahndungsdruck erhöhe, sodass sich Täter teilweise freiwillig der Polizei stellten. "Wir wollen es gezielt als Instrument nutzen, um potenzielle Täter im Umfeld der Haltestellen abzuschrecken, Straftaten und Vandalismus zu verhindern und die – gefühlte und tatsächliche – Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger weiter zu verbessern", erläuterte Güngör.
Kosten und rechtliche Hürden will die SPD bald ermitteln, um die Idee nach der Bürgerschaftswahl am 14. Mai in einen möglichen Koalitionsvertrag einfließen zu lassen. Der SPD sei eine Balance zwischen bürgerlichen Freiheitsrechten und polizeilichen Eingriffsrechten wichtig, erklärte Güngör. Darum solle die Landesdatenschutzbeauftragte hinzugezogen werden.
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Andere Kommunen seien "trotz schwieriger Rechtslage" weiter, sagte Güngör und verwies auf ein Pilotprojekt in Karlsruhe, das Videoüberwachung gegen Vandalismus einsetzt. Zu den Vorteilen der Kameraüberwachung zähle, dass sie eine zielgenaue Personenbeschreibung ermögliche, ergänzte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kevin Lenkeit. Die Möglichkeit der Datenspeicherung sei etwa zur Aufklärung von Sexualdelikten wichtig. Darum strebe die SPD eine Verlängerung der Speicherfrist von derzeit 48 Stunden auf 30 Tage an. Parallel solle eine Live-Überwachung ein schnelles Eingreifen möglich machen.
Wer überwachen soll, ist noch unklar
Wer das Personal für die Videoüberwachung stellt, sei noch unklar: Es sei zu prüfen, "ob die BSAG in Bremen selbst die Beobachtung der Echtzeitbilder übernimmt, oder ob die Polizei die neuen Haltestellenbereiche – zusätzlich zur Überwachung am Bremer Hauptbahnhof – in ihre Videoleitstelle integrieren kann". Als mögliche Hotspots nannte die SPD die Haltestellen Domsheide und Am Brill sowie den Bremerhavener Hauptbahnhof – auf einer Stadtkarte waren exemplarisch 30 Punkte mit Fähnchen markiert.
Videoüberwachung im öffentlichen Raum sei ein "grundsätzlich hochsensibles Thema", betont Mustafa Öztürk, in der Bürgerschaftsfraktion der Grünen unter anderem für Inneres und Datenschutz zuständig. Er verwies auf die "zu Recht hohen Hürden" beim Datenschutz: "Auch China hat klein angefangen", so Öztürk. Ähnlich sieht es der Vize-Fraktionsvorsitzende der Linken, Klaus-Rainer Rupp. Hier werde "anlasslos öffentlicher Raum überwacht". Zudem sei das Konzept unausgegoren. BSAG-Beschäftigte könnten die Beobachtung der Echtzeitbilder nicht übernehmen – für hoheitliche Aufgaben sei aus gutem Grund die Polizei zuständig, so Rupp.
"Diese Schritte tragen allenfalls zur Verschiebung von Gefahrenschwerpunkten bei und führen nicht zu einer tatsächlichen Senkung der Kriminalitätsrate", findet Thore Schäck, Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der FDP. Anstatt das Thema auf die Zeit nach der Bürgerschaftswahl zu vertagen will die CDU gleich aktiv werden und bereitet einen Antrag dazu vor. "Knapp vier Jahre kann sich der SPD-geführte Senat nicht zu wichtigen Maßnahmen für mehr Sicherheit im ÖPNV durchringen", kritisiert Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die CDU fordere seit langer Zeit verstärkte Video-Überwachung an Gefahrenpunkten, etwa auch im Bereich des ÖPNV.