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Nach Aus für Parlamentsgremium Bremer Stadtteilpolitik will mehr Gehör

Wie kann es die Bremer Stadtteilpolitik schaffen, in Bürgerschaft und Rathaus besser wahrgenommen zu werden? Nach der Auflösung des zuständigen Parlamentsausschusses werden Lösungen angemahnt.
02.11.2023, 05:00 Uhr
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Bremer Stadtteilpolitik will mehr Gehör
Von Jürgen Theiner

Es ist eine alte Klage: Politische Themen auf Ortsteilebene, die üblicherweise von den Stadtteilbeiräten behandelt werden, erreichen die Bürgerschaft kaum. Sei es eine neue Straßenbahntrasse, die Neuaufstellung der Recyclinghöfe, ein strittiger Bebauungsplan oder die Ausweisung von Bewohnerparkzonen – solche Sachverhalte sind zwar oft von grundsätzlicher Bedeutung und auch außerhalb des betroffenen Stadtteils von Interesse, auf dem Radar des Parlaments tauchen sie aber nicht auf.

Abhilfe sollte ein Gremium schaffen, das die Bürgerschaft erstmalig nach der Wahl 2007 einrichtete: der Ausschuss für Bürgerbeteiligung und Beiratsangelegenheiten, im Parlamentsjargon kurz Bübei genannt. Er hatte die Aufgabe, für eine bessere Verzahnung zwischen Stadtbürgerschaft und Stadtteilbeiräten zu sorgen. Ortsamtsleiter und Beiratssprecher waren regelmäßig eingeladen.

Das Wörtchen "hatte" deutet schon an: Der Bübei existiert nicht mehr. Zu Beginn der neuen Legislaturperiode wurde er von der Bürgerschaft kurzerhand beerdigt. Auf Antrag der rot-grün-roten Koalition wurde das Thema Bürgerbeteiligung dem Petitionsausschuss zugeschlagen. Die Beiratsangelegenheiten fielen mehr oder minder unter den Tisch.

Doppelstrukturen erschweren Arbeit

Ein Verlust? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Muhammet Tokmak (SPD) war letzter Bübei-Vorsitzender bis zur Auflösung des Gremiums. Aus seiner Sicht hat es tatsächlich nicht optimal funktioniert. Das habe nicht an mangelndem Willen der Beteiligten gelegen. Eher an Doppelstrukturen, die die Arbeit erschwerten. Gemeint ist die Beirätekonferenz, in der die Sprecher aller Bremer Stadtteilbeiräte vertreten sind. 

Die Konferenz tagt in der Regel einmal pro Quartal. Das Gremium berät über lokale Themen, die mehrere Stadtteile betreffen und Abstimmungsbedarf mit den senatorischen Behörden erzeugen. Ein Beispiel war zuletzt die Digitalisierung der Stadtteilpolitik, konkret die Übertragung von Beiratssitzungen im Internet. "Das wäre eigentlich etwas für den Bübei gewesen", sagt Tokmak in der Rückschau. Doch dieses und manche anderen Themen seien häufig von der Beirätekonferenz behandelt worden, bevor sich der Bürgerschaftsausschuss damit befassen konnte. Dieses Nebeneinander sei nicht produktiv gewesen.

Tokmaks Parteifreundin Edith Wangenheim ist Vorsitzende der Beirätekonferenz. Sie macht aus ihrem Herzen keine Mördergrube, wenn sie sagt: "Der Bübei war in der vergangenen Wahlperiode oft verschwendete Zeit." Seine Tagesordnung habe sich häufig in der Vorstellung von Bürgerinitiativen erschöpft. Gleichwohl meint Wangenheim, dass die Stadtteilpolitik einen kurzen Draht zur Bürgerschaft braucht. Das geeignete Instrument sei die Beirätekonferenz. Deren Geschäftsordnung soll demnächst dahingehend geändert werden, dass auch Bürgerschaftsabgeordnete dort Rederecht erhalten, kündigt Wangenheim an. "Wir hoffen natürlich, dass davon dann auch Gebrauch gemacht wird."

Ruf nach mehr Werbung

Der Huchtinger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Hartmut Bodeit war zuletzt stellvertretender Bübei-Vorsitzender. "Man hätte aus dem Gremium viel mehr machen können", ist Bodeit überzeugt. Themen wie die geplante Bahnwerkstatt in Oslebshausen oder die umstrittene Klimaschutz-Siedlung in der Vahr seien dort diskutiert worden. Allerdings habe der Ausschuss es nicht verstanden, sich als Vermittlungsinstanz zu profilieren und für seine Arbeit zu werben, sich also öffentlich ins Gespräch zu bringen. Dass aus dem Bübei nichts gemacht wurde, bedeute nicht, dass er überflüssig war, findet der CDU-Politiker.

Der Obervielander Beiratssprecher Klaus Möhle (SPD) glaubt, dass die Stadtteilpolitik in Bremen insgesamt nicht den Stellenwert hat, den sie verdient. "Die Beiräte sind eigentlich der Maschinenraum der Demokratie", meint Möhle. Ihre Arbeit erfahre jedoch nicht genügend Wertschätzung. Dass der zuständige Parlamentsausschuss im Sommer sang- und klanglos eingestampft wurde, spreche für sich.

Die Beiräte sind eigentlich der Maschinenraum der Demokratie.
Beiratssprecher Klaus Möhle

Landespolitiker betonten zwar gern, wie wichtig die Arbeit an der Basis – sprich: in den Stadtteilbeiräten – sei. Doch bei solch allgemeinen Bekundungen bleibe es dann auch häufig. "So stelle ich mir das aber nicht vor", mahnt Möhle. Bürgerschaft und Rathaus müssten den Beiräten nicht nur zuhören, "sondern auch mal danach handeln". Bestes Beispiel sei die aktuelle Debatte um die Zukunft des Krankenhausstandortes Links der Weser. Der Senat habe zwar das Aus der Klinik beschlossen. Doch welche ambulanten Strukturen an ihre Stelle treten sollen, sei trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beiräte im Bremer Süden nach wie vor völlig unklar. Ein solcher Umgang schaffe kein Vertrauen.

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