- Worauf führen die Bremer Forscher den Anstieg bei schweren Herzinfarkten konkret zurück?
- Was bedeuten die Ergebnisse?
- Kann auch eine Corona-Infektion zu Langzeitschäden am Herzen führen?
- Welche Beschwerden können nach einer Infektion auf Herzprobleme hinweisen?
Fast drei Jahre nach Pandemiebeginn zeichnet sich immer deutlicher ab, welche Langzeitschäden eine Corona-Infektion auslösen kann – insbesondere auch am Herzen. "Die Covid-19-Pandemie könnte die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den nächsten Jahren deutlich steigern", warnt Harm Wienbergen, Kardiologe und Leiter des Bremer Instituts für Herz- und Kreislaufforschung (BIHKF). Wienbergen und sein Team haben Daten aus dem Herzinfarktregister des Instituts, das zur Stiftung Bremer Herzen gehört, aus der Zeit vor und während der Pandemie ausgewertet. Ein Ergebnis der wissenschaftlichen Studie: "Die Zahl der schweren Herzinfarkte ist um 20 Prozent angestiegen", sagt der Stiftungsprofessor dem WESER-KURIER.
Worauf führen die Bremer Forscher den Anstieg bei schweren Herzinfarkten konkret zurück?
"Es gibt im Grunde zwei Ursachen", erklärt Wienbergen. "Auffällig ist, dass die Patienten häufiger als in den Jahren vor der Pandemie Risikofaktoren aufweisen, die auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen sind." Dazu zählten weniger körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung und Rauchen. In Zahlen: Vor der Pandemie (2014 bis 2019) gaben laut Wienbergen 50 Prozent der Herzinfarkt-Patienten an, keinen Sport zu treiben, während der Pandemie waren es 75 Prozent. Eine ungesunde Ernährung traf in den Vor-Corona-Jahren auf ebenfalls jeden zweiten Herzinfarkt-Patient zu, dieser Anteil ist auf 65 Prozent angestiegen. Eine leichte Zunahme gab es auch beim Rauchen, von 45 auf 48 Prozent. Beim Alkoholkonsum – mindestens ein Glas an vier bis fünf Tagen in der Woche – stieg der Anteil ebenfalls leicht von 23 auf 27 Prozent an. Mithilfe standardisierter Fragebögen bewerteten die Forscher zudem die Lebensqualität, die demnach abgenommen habe: "Depressionen sind ein bekannter Risikofaktor", so Wienbergen. "Zusammengefasst sind das sehr besorgniserregende Befunde."
Was bedeuten die Ergebnisse?
"Die Pandemie hat dazu geführt, dass die Menschen weniger Sport treiben, sich ungesünder ernähren und mehr rauchen. Diese Entwicklung war in unseren Studien deutlich zu erkennen und wird in den nächsten Jahren zu mehr Herzinfarkten führen, wenn öffentliche Präventionsmaßnahmen nicht ausreichend gegensteuern", skizziert der Herzspezialist. Die Bremer Daten passten zu anderen Untersuchungen, wie etwa der Debra-Studie zum Rauchverhalten in Deutschland oder einer internationalen Erhebung der Goethe-Universität Frankfurt am Main zu Bewegung und Wohlbefinden. "All diese Ergebnisse sind Ausdruck dessen, was insgesamt in der Bevölkerung in der Pandemie passiert ist", sagt Wienbergen. "Wir brauchen öffentliche Aufrufe zu mehr Prävention."
Kann auch eine Corona-Infektion zu Langzeitschäden am Herzen führen?
"Das ist die zweite Ursache, die zum Tragen kommt und durch immer mehr Studien belegt wird", betont der Bremer Kardiologe. "Corona-Infizierte hatten ein deutlich höheres Risiko für Herzinfarkte, Herzschwäche und Herzrhythmusstörungen innerhalb des darauf folgenden Jahres als Menschen, die keine Covid-Infektion hatten." Zu diesem Ergebnis komme eine US-Studie, die im Februar dieses Jahres in den internationalen Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlicht wurde. Die genauen Mechanismen würden noch erforscht. Bekannt sei aber bereits, dass Entzündungsprozesse im Herzen, die durch eine Corona-Infektion ausgelöst würden, eine wichtige Rolle spielten. Auch bei milden oder asymptomatischen Verläufen bestehe dieses Risiko, ebenso bei fitten, jungen und ansonsten gesunden Menschen.
Welche Beschwerden können nach einer Infektion auf Herzprobleme hinweisen?
"Dazu zählen etwa Brustschmerzen und Luftnot. Treten diese Beschwerden auch vier Wochen oder länger nach einer Covid-19-Infektion auf, sollte dies unbedingt ärztlich abgeklärt werden", rät Wienbergen. "Die Symptome sollten nicht ignoriert oder als vermeintlich harmlose Nachwirkungen der Infektion bewertet werden." Dies gehöre auch zu den Handlungsempfehlungen einer deutschlandweiten Patientenleitlinie "Long-/Post-Covid" der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Gesellschaften (AWMF), die sich mit den längerfristigen Folgen einer Corona-Infektion beschäftigt. Der Bremer Herzspezialist ist einer der Autoren der aktualisierten Leitlinie, die demnächst veröffentlicht werden soll.