Seit Pandemiebeginn ist die durch das Coronavirus ausgelöste Krankheit Covid-19 in mehr als 300.000 Fällen bundesweit als Berufskrankheit anerkannt worden. Das geht aus aktuellen Zahlen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung hervor, die dem WESER-KURIER vorliegen. Corona ist damit die mit Abstand häufigste Berufserkrankung.
Was waren die häufigsten Berufskrankheiten vor der Pandemie?
Bevor Corona kam, war durch Lärm erzeugte Schwerhörigkeit die häufigste Erkrankung, im Schnitt lag die Zahl der Fälle bei 7400 im Jahr, wie die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin mitteilt. Durch Sonneneinstrahlung verursachter Hautkrebs (4000 Fälle) und Atemwegserkrankungen durch Asbest (3100 Fälle) folgen.
Laut Statistischem Bundesamt geben vor allem Krankenpflegepersonal, Dachdecker, Maurer, Floristen, Gärtner und Bäcker ihren Beruf aus unterschiedlichen gesundheitlichen Gründen am häufigsten vorzeitig auf und erhalten eine Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsminderungsrente. Hierfür muss die Krankheit offiziell in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt sein. Derzeit stehen rund 80 Krankheiten darauf.
Wie hat sich die Zahl der Fälle von anerkannten Berufskrankheiten insgesamt entwickelt?
Bis 2018, also noch vor Ausbruch der Coronapandemie, lag die Zahl aller Fälle laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin im Höchstfall bei rund 22.000 pro Jahr. Die Zahl ist seit Pandemie-Beginn regelrecht explodiert. Im Kalenderjahr 2022 sind fast 175.000 neue Fälle allein im Zusammenhang mit Corona anerkannt worden. Dazu waren bis Jahresende 50.000 Anträge noch unbearbeitet.
Nach Bundesländern aufgeschlüsselt liegen Zahlen bis Ende 2021 vor. Demnach waren in Bremen, dem kleinsten Bundesland, knapp unter 1000 Fälle anerkannt worden. Zum Vergleich: In Hamburg, das mehr als doppelt so viele Beschäftigte hat, lag die Zahl doppelt so hoch, in Nordrhein-Westfalen mit rund 24.500 Fällen bundesweit am höchsten.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Versicherungsträger?
Wer sich im Beruf angesteckt hat, kann Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch nehmen, um möglichst schnell gesund zu werden. Laut der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin stellt die Entwicklung seit Corona die Unfallversicherungsträger „vor große Herausforderungen“.
Die Kosten für die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen der öffentlichen Hand beliefen sich bis Ende 2021 auf rund 88 Millionen Euro. Für 2022 dürften die Kosten für medizinische Heilbehandlungen und Reha-Maßnahmen noch einmal deutlich gestiegen sein, genaue Zahlen darüber gibt es noch nicht.
Was ist der Unterschied zwischen Berufskrankheit und Arbeitsunfall?
Wer in Berufen mit einem hohen Infektionsrisiko arbeitet, zum Beispiel in Krankenhäusern, Altenheimen, Arztpraxen oder Laboren, kann eine Erkrankung als Folge einer Corona-Infektion als Berufskrankheit anzeigen. Voraussetzung dafür ist ein positiver PCR-Test oder ein direkter Kontakt mit einer nachgewiesen infizierten Person.
Beschäftigte aus anderen Bereichen etwa der Gastronomie, dem Einzelhandel oder dem Personennahverkehr können eine Infektion als Arbeitsunfall anerkannt bekommen. Voraussetzung dafür ist, dass der Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit, also ein konkretes Infektionsereignis beim beruflichen Kontakt, nachgewiesen werden kann.
Wie ist das Verhältnis zwischen anerkannten Berufskrankheiten und anerkannten Arbeitsunfällen?
25.000 anerkannten Arbeitsunfällen durch Corona stehen mehr als 300.000 Fälle bei den Berufskrankheiten gegenüber. „Generell kann man sagen, dass es schwieriger ist, Arbeitsunfälle infolge einer Corona-Infektion anerkannt zu bekommen“, sagt Niklas Wellmann, Berater für Berufskrankheiten bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Tatsächlich werden zwei von drei Anträge auf Berufskrankheit anerkannt, aber nur einer von drei bei Arbeitsunfällen. Grund dafür laut Wellmann: „Es ist in den Berufen außerhalb des Gesundheitsdienstes schwieriger, den Infektionsweg nachzuzeichnen und die Index-Person zu finden.“ Also die Person, die nachweislich infiziert war und zu der man Kontakt hatte. Für die Leistungen mache es keinen Unterschied, ob Versicherte eine anerkannte Berufskrankheit oder einen Arbeitsunfall im Zusammenhang mit Covid-19 erlitten hätten, teilt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung mit.
Warum gibt es die Unterscheidung zwischen den Berufsgruppen?
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es Berufe mit größeren Risiken und einer erhöhten Infektionsgefahr gibt, zum Beispiel die Berufe im Gesundheitswesen. „In anderen Bereichen ist diese ,wesentlich erhöhte Infektionsgefahr‘ im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht gegeben“, teilt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung mit und verweist in diesem Zusammenhang auf eine Untersuchung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zum Infektionsrisiko von Beschäftigten im Lebensmittelhandel.
Unter der Annahme, dass Personal im Supermarkt pro Arbeitstag zwischen 80 und 130 Kontakte hat, die im Durchschnitt zwei Minuten dauern, stellt die Studie fest: „Unter diesen Bedingungen kommt es selbst bei Erkrankungshäufigkeiten, die bei ovid-19-Ausbrüchen gemessen wurden, nicht unweigerlich zu Hochrisikokontakten von mindestens 15 Minuten Dauer.“