Zwischen der Überseestadt und dem Bremer Kreuz soll die A 27 sechsspurig ausgebaut werden. Pläne dafür gibt es schon länger, aber jetzt haben sich die Voraussetzungen für einen möglichen Ausbau verändert. Der bislang vierspurige Streckenabschnitt gehört zu den 144 Autobahnprojekten, die laut Bundesverkehrsministerium "superschnell" umgesetzt werden sollen. Am Dienstag hatten sich SPD, Grüne und FDP im Bund darauf geeinigt, den Ausbau des Autobahnnetzes zu beschleunigen, um Engpässe zu beseitigen und Staus zu verringern.
Wie schnell "superschnell" tatsächlich ist, bleibt vorerst offen. Die zuständige Autobahngesellschaft des Bundes äußert sich zum geplanten Ausbau der A 27 in Bremen zurückhaltend. Die Auswirkungen der 144er-Liste würden jetzt ausgewertet, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Bremens Verkehrssenatorin sieht das Vorhaben grundsätzlich skeptisch. "Statt sich jetzt auf den sechsspurigen Ausbau der A 27 zu konzentrieren, der zu Lasten von Natura 2000- und FFH-Flächen entlang der Autobahntrasse geht, sollte die Verlagerung auf die Schiene Priorität haben", so Maike Schaefer (Grüne). Das dritte Gleis nach Bremerhaven und die Digitalisierung des Bereiches seien von "höchster Bedeutung". FFH-Gebiete und Natura-2000-Flächen sind Lebensräume von Tieren und Pflanzen, die nach EU-Recht geschützt sind.
Bevor die A 27 im Bremer Gebiet ausgebaut werden kann, sind noch viele Fragen offen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hält es für möglich, dass die beschlossene Beschleunigung durch Diskussionen auf Länderebene stellenweise ausgebremst wird. Entsprechend äußerte er sich am Mittwochabend im ZDF-"Heute Journal". Voraussetzung dafür, dass ein Projekt beschleunigt vorangetrieben werden kann, ist "ein überragendes öffentliches Interesse". Die Koalition hat deutlich gemacht, dass diese Definition im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Land festgeschrieben werden soll. "Eine Beteiligung der Bundesländer bei dieser Entscheidung halte ich für ausgesprochen wichtig", sagt Schaefer. Wer im Zweifelsfall das letzte Wort hat, ist unklar – zumal die Beschlüsse des Koalitionsausschusses noch nicht in Gesetzesform existieren.
Die Bremer Linken sind überzeugt, dass ein beschleunigter Ausbau der A 27 gegen den Willen des Landes nicht möglich sei. Nelson Janßen, Vorsitzender der Linken-Bürgerschaftsfraktion, sieht kein "überragendes öffentliches Interesse". Nach Ansicht der Linken ist die A 27 aufgrund von veralteten und falschen Prognosen auf der 144er-Liste gelandet.
Tatsächlich haben sich bestimmte Entwicklungen, die das Bundesverkehrsministerium 2016 im sogenannten Bundesverkehrswegeplan (BVWP) prognostiziert hatte, nicht bewahrheitet. Das gilt insbesondere für den Hafenumschlag in Bremerhaven – und damit mittelbar auch für den Güterverkehr auf der Straße. Der BVWP geht für den Zeitraum von 2010 bis 2030 davon aus, dass der Gesamtumschlag um 91 Prozent steigen wird. Dafür gibt es aktuell keine Anzeichen: Im vergangenen Jahr lag der Umschlag in der Seestadt mit rund 52 Millionen Tonnen niedriger als im Jahr 2010. Auch in den Jahren vor der Pandemie und dem Ukraine-Krieg hatten die Zahlen stagniert.
Janßen schlussfolgert daraus, dass die Grundannahme des BVWP falsch sei – und somit auch der mögliche Ausbau der A 27 neu beurteilt werden müsse. In einer Anfrage für die Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft will er wissen, ob sich der Senat für eine Überprüfung des BVWP einsetzen werde. Wie stark der Hafenumschlag in Bremerhaven die Auslastung der A 27 in Bremen beeinflusst, ist unklar.
Um ein Autobahnprojekt beschleunigt umsetzen zu können, muss bewiesen sein, dass der Neu- oder Ausbau zu einer "Engpassbeseitigung" führt. Laut BVWP gibt es diese Engpässe auf dem Streckenabschnitt. Eine Analyse weise "eine häufige kapazitätsbedingte Stauwahrscheinlichkeit aus", heißt es in der Projektbeschreibung. Eine direkte Verbindung zwischen den Engpässen auf der A 27 und dem Hafenumschlag wird im BVWP allerdings an keiner Stelle erwähnt.
Die Linken räumen ein, dass der Warenumschlag nur ein Faktor sei. "Dieser wird mit Sicherheit aber in die Berechnung eingeflossen sein. Da wir heute aber auch losgelöst vom Güterverkehr keine angespannte Verkehrssituation wahrnehmen, scheint uns eine Verfahrensbeschleunigung sehr unsinnig", sagt Janßen. Der Bremer CDU-Verkehrspolitiker Hartmut Bodeit freut sich laut eigener Aussage darüber, dass Infrastrukturprojekte im Verkehrsbereich zukünftig schneller vorangetrieben werden sollen. Ob der Ausbau der A 27 in Bremen notwendig sei, müsse man nach genaueren Prüfungen entscheiden. Für verkürzte Verfahren bei ausgewählten Autobahnprojekten spricht sich auch der Bremer FDP-Landesvorsitzende Thore Schäck aus. Der Grünen-Landesvorstandssprecher Florian Pfeffer bezeichnet das beschleunigte Verfahren wiederum als Risiko für Klima und Umwelt.