Herr Weiss, was halten Sie von dem Vorstoß und der Bundesratsinitiative des Senats, eine Übergewinnsteuer einzuführen?
Christoph Weiss: Es gibt meines Wissens bereits ein Prüfverfahren dazu auf Ebene der Bundesregierung, ohne bremisches Zutun. Mir würde deshalb viel daran liegen, wenn sich der Bürgermeister und der Senat um die Probleme des Landes Bremen kümmern würden – von Bildungsdefiziten bis Kinderarmutsquote. Warum sich ausgerechnet Bremen an die Spitze dieser Bewegung stellen will, ist mir nicht ganz klar.
Womöglich, weil in Bremen in rund einem Jahr entschieden wird, wer in den nächsten vier Jahren regiert?
Ich will niemandem etwas unterstellen, aber man könnte auf die Idee kommen, dass mit solchen Themen von den Problemen vor der eigenen Haustür abgelenkt werden soll.
Populär ist der Vorstoß: Muss einem nicht einleuchten, dass man denjenigen einen Beitrag abverlangt, die – ob sie es wollen oder nicht – an Krisen und Konflikten verdienen?
Ich würde eher sagen, er ist populistisch. Viele Bürger ärgern sich, dass sie Lasten und Kosten tragen müssen, ob durch die Pandemie oder den Krieg in der Ukraine, während andere gerade sehr viel Geld verdienen. Dass sogenannte Krisengewinner zur Kasse gebeten werden sollen, scheint auf den ersten Blick naheliegend. Bestenfalls wird Politik aber irgendwann praktisch. Vorschläge müssen durchdekliniert und abgeklopft werden, ob sie überhaupt praxistauglich sind. Eine Übergewinnsteuer wirft viele Fragen auf.
Welche Fragen?
Es beginnt schon bei der Frage, wer festlegt, was eine Krise definiert und wer wie damit wie viel Geld verdienen darf. Wie werden die Gewinne gemessen? Will man Fahrradhändler höher besteuern, weil in der Pandemie mehr Menschen aufs Rad umgestiegen sind, um Ansteckungsgefahren aus dem Weg zu gehen? Will man den Impfstoffhersteller Biontech besteuern, der mit seiner Forschung voll ins Risiko gegangen ist? Das hätte auch schiefgehen können, wie man bei Curevac gesehen hat. Oder sind es nur die Mineralölkonzerne? Gibt es gute und schlechte Übergewinne? Verantwortliche Politik muss sich auch an der praktischen Umsetzbarkeit messen lassen. Das klingt übrigens auch sehr nach einem Bremer Grundproblem ...
Es gibt allerdings Länder, in denen Übergewinnsteuern bereits erhoben werden - Spanien, Italien, auch in Großbritannien und Ungarn gibt es solche Pläne.
Ich denke nicht, dass wir uns Ungarns Politik derzeit als Vorbild nehmen sollten. Hinter der Motivation von Boris Johnson in Großbritannien darf man auch ein Fragezeichen setzen. Und bei Italiens Übergewinnsteuer sieht der wissenschaftliche Dienst des Bundestages einige Probleme mit dem EU-Recht.
Als Fakt gilt, dass große Ölkonzerne ihren Gewinn in drei Monaten verdoppelt haben.
Ja, das macht mehr als nachdenklich, und ich verstehe den Unmut. Falls eine Marktmacht missbraucht worden ist, ist das Kartellamt gefordert. Es muss ein Auge darauf haben, dass es bei der Preisgestaltung mit rechten Dingen zugeht. Dazu ist es da.
Ist dieses Ungleichgewicht womöglich ein Geburtsfehler des Entlastungspakets? Was halten Sie vom Tankrabatt?
Ich glaube, dass das Instrument nicht sonderlich gut geeignet ist, um unverhältnismäßige Lasten auszugleichen. Tatsache ist, dass diejenigen, die ein großes Auto und viel fahren, deutlich mehr finanzielle Unterstützung bekommen als die, die kleine Autos besitzen und sie wenig benutzen. Man hätte vermutlich eine gerechtere Lösung finden können.
Auch Wirtschaftswissenschaftler wie Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung plädieren dafür, dass Gewinne, die anfallen, ohne dass jemand etwas dafür geleistet hat, hoch zu besteuern sein sollten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass breitere Schultern mehr Lasten tragen müssen als schmalere. Es kann auch sein, dass da noch nachgebessert werden muss. Aber eine Übergewinnsteuer halte ich für den falschen Weg.
Wäre eine Vermögenssteuer besser?
Auch das ist meiner Meinung nach nicht das richtige Instrument. Sie befriedigt zwar ein Neidgefühl, bringt aber nicht viel und wirft ebenfalls viele Fragen auf. Nicht von ungefähr hat sich das Bundesverfassungsgericht damit befasst. Unternehmerisch gebundenes Vermögen dazu heranzuziehen, wäre außerdem kontraproduktiv und investitionsfeindlich.
Wie aber sollen die Mehrausgaben in Milliardenhöhe finanziert werden, die Bund und Länder, so auch Bremen, wegen der Pandemie, aber auch wegen des Krieges zu stemmen haben?
Die beste Art, um mehr Steuern einzunehmen, ist meiner Meinung nach immer noch, die Wirtschafts- und damit die Steuerkraft zu steigern. Das ist nachhaltiger und kreativer als jede Steuererhöhung. Außerdem muss man sich ansehen, wohin das Steuergeld überhaupt fließt. In Bremen würde ich mich mit der Frage schwertun, ob man tatsächlich nur mehr Steuereinnahmen braucht. Vielleicht müssen sie auch besser eingesetzt werden als für Klientelpolitik und sinnfreie Verkehrsversuche.
Kritiker wenden ein, dass der Staat mehr und mehr in unternehmerische Belange und das Marktgeschehen eingreift – von Mindestlohn und Mietpreisbremse bis hin zur Frauenquote im Vorstand von börsennotierten Unternehmen. Auch eine Übergewinnsteuer sei nichts anderes als "willkürlicher staatlicher Interventionismus". Sehen Sie das auch so?
Auf jeden Fall hat sich die Marktwirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich verändert, was staatliche Eingriffe betrifft. Daran trägt die Wirtschaft allerdings auch Verantwortung, weil man Stützungen im Krisenfall gerne angenommen hat. Der Staat darf nicht jedes unternehmerische Risiko abnehmen. Das Problem dabei ist, dass politische Entscheidungen nicht immer sachgerecht getroffen werden, sondern manches Mal opportunistisch nach politischer Tageslage – das ist nicht hilfreich.
Wären Sie mit Ihrem Unternehmen von einer Übergewinnsteuer betroffen?
Nein, wie viele Unternehmen auch, stehen wir im Moment vor ganz besonderen Herausforderungen – überhöhte Gewinne gehören leider nicht dazu.