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Neue Zahlen für Bremen Wie groß ist das Clan-Problem?

Clan-Kriminalität hat – gemessen an der Gesamtzahl der Straftaten – noch einen geringen Anteil. Die Zahl der Personen, die Bremer Sicherheitsbehörden dem kriminellen Clan-Milieu zuordnen, ist allerdings hoch.
19.09.2023, 05:00 Uhr
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Wie groß ist das Clan-Problem?
Von Jürgen Theiner

Die Bremer Innenbehörde geht davon aus, dass im kleinsten Bundesland gut 4600 Personen kriminellen Clan-Strukturen angehören. So steht es in einer noch nicht beschlossenen Antwort des Senats auf eine CDU-Anfrage zum Thema Clan-Kriminalität. Die Christdemokraten hatten einen umfangreichen Fragenkatalog eingereicht, der auf die Strukturen und das Betätigungsfeld einschlägiger Tätergruppen abzielt. Sie wollten zudem wissen, wie die Sicherheitsbehörden auf die Herausforderung reagieren.

Was ist Clan-Kriminalität?

Die Innenbehörde stützt sich auf eine zweigeteilte Definition. Unter Clan wird "eine informelle soziale Organisation" verstanden, "die durch ein gemeinsames Abstammungsverständnis ihrer Angehörigen bestimmt ist". Kennzeichnend seien "eine hierarchische Struktur, ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl und ein gemeinsames Normen- und Werteverständnis". Kriminell wird es dann, wenn aus diesen Zusammenhängen heraus Straftaten verübt werden. "Die Clanzugehörigkeit stellt dabei eine verbindende, die Tatbegehung fördernde oder die Aufklärung der Tat hindernde Komponente dar, wobei die eigenen Normen und Werte über die in Deutschland geltende Rechtsordnung gestellt werden können", heißt es in dem Senatspapier.

Wie groß ist die Personengruppe?

Für das Lagebild der Polizei ist die Informationssammelstelle Clanstrukturen (Istec) des Landeskriminalamtes zuständig. Zum Stichtag 13. September waren dort 4661 Personen gelistet, die kriminellen Clan-Strukturen zugerechnet werden. Nicht alle von ihnen leben ausschließlich in Bremen. Erfasst sind auch Personen, die familiäre Bezüge zum Bundesland haben oder als Auswärtige in Bremen straffällig geworden sind. Konkret wurden zwischen 2020 und 2022 insgesamt 843 Personen als Tatverdächtige oder Beschuldigte in Strafverfahren in der Istec-Datei registriert. Die meisten von ihnen waren zwischen 21 bis 29 Jahre alt (266).

Wie ist die Relation zur Gesamtkriminalität?

Insgesamt liefen bei der Istec im genannten Zeitraum 2410 "Prüffälle Clan-Kriminalität" auf. Das heißt, in all diesen Fällen bestand der Verdacht, dass Angehörige krimineller Clan-Strukturen an bestimmten Straftaten beteiligt waren. Dabei ging es vor allem um Roheitsdelikte, Verkehrsstraftaten, Beleidigungen, Vermögens- und Fälschungsdelikte sowie das Themenfeld Drogen. Der Anteil der Clan-Kriminalität am Gesamtaufkommen der Straftaten schwankte in der Stadt Bremen von 2020 bis 2022 zwischen 0,95 und 1,67 Prozent. In Bremerhaven war er deutlich niedriger.

Welche aktuellen Entwicklungen sind zu beobachten?

Laut Innenbehörde gibt es bei von Clans verübten Straftaten vermehrt "Outsourcing-Tendenzen". Soll heißen: Man bedient sich anderer Personen, die die Drecksarbeit machen beziehungsweise Tätigkeiten ausführen, bei denen das Entdeckungsrisiko besonders hoch ist – etwa den Straßenhandel mit Betäubungsmitteln oder das Abholen von Beute, zum Beispiel nach Schockanrufen bei älteren Menschen.

Welche Staatsbürgerschaften haben Clan-Kriminelle?

Bei den 843 Tatverdächtigen, die zwischen 2020 und 2022 in Bremen registriert wurden, stellen Personen mit ausschließlich türkischem Pass die größte Gruppe (375), hinzu kommen 90 Doppelstaatler mit sowohl türkischem als auch deutschem Pass. Da viele jüngere Menschen mit migrantischem Hintergrund inzwischen nur noch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, weist die Statistik auch hier einen hohen Wert aus (275). Demgegenüber treten andere Ethnien weitgehend in den Hintergrund. Zahlenmäßig relevant ist nur noch das Herkunftsland Libanon. Die CDU erkundigte sich in ihrer Anfrage auch nach Abschiebungen von Straftätern mit ausländischem Pass. Deren Zahl ist gering. Seit 2018 gelang es dem Innenressort in 18 Fällen, straffällige Ausländer mit Clan-Bezug außer Landes zu bringen. Als Hindernisse gelten laut Behörde unter anderem "schutzwürdige familiäre Verbindungen zu Ehepartner:innen oder minderjährigen Kindern, die über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen".

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Welche Fragen bleiben offen?

Die Antwort der Innenbehörde lässt eine Reihe von Fragen der CDU unbeantwortet. Als Begründung wird dabei in der Regel angeführt, die Datenbestände gäben die entsprechenden Informationen nicht her oder eine Antwort sei nur mit unverhältnismäßigem Rechercheaufwand möglich. Das betrifft zum Beispiel die Frage, welche Strafverfahren mit Clan-Bezug zu einer Verurteilung führten, oder welchen Aufenthaltsstatus (etwa Duldung) die Beschuldigten in einschlägigen Strafverfahren hatten. Offen bleibt auch, wie viele Clan-Akteure sich gewerblich als Betreiber von Shisha-Bars oder Wettbüros betätigen. Allgemein heißt es dazu, Shisha-Bars fungierten oft "als Rückzugsraum nach der Begehung einer Straftat oder als inoffizielles ,Vereinsheim' für kleinere Substrukturen". Auch sei bekannt, dass verschiedene Clan-Angehörige als Gastronomen oder Betreiber von Lieferdiensten auftreten.

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