Das Bremer Ordnungsamt hat eine für Sonnabend unter dem Titel "Free Palestine! Aufstehen für Gaza" angemeldete Demonstration pro Palästina verboten. Eine weitere, für Freitag geplante Versammlung vor dem Hauptbahnhof wurde dagegen mit Auflagen genehmigt.
Die Demonstration hätte Sonnabend ab 16 Uhr im Viertel mit einem Zug von der Haltestelle St.-Jürgens-Straße bis zur Kunsthalle stattfinden sollen. Als Begründung für das Verbot verwies die Versammlungsbehörde auf Äußerungen in sogenannten Instagram-Storys und Posts des Anmelders in den vergangenen Tagen. In diesen Beiträgen wird Israel als Aggressor dargestellt, gegen den man sich auch mit den von der Hamas ausgeführten Terrorakten zur Wehr setzen dürfe. Zudem sei unmissverständlich zu erkennen, dass Israel das Existenzrecht abgesprochen werde. Es sei somit davon auszugehen, dass die Teilnehmenden Straftaten wie etwa Volksverhetzung oder die Billigung von Straftaten wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen im Rahmen dieser Kundgebung in großem Ausmaß begehen könnten.
Auflagen für Veranstalter
Anders bewertete die Versammlungsbehörde die für Freitag ab 15 Uhr auf dem Platz der Deutschen Einheit vor dem Überseemuseum angemeldete Kundgebung. Sie steht unter dem Motto: „Solidarität mit den Opfern Palästinas“. Die Genehmigung ist allerdings mit Auflagen verknüpft: Kennzeichen, Symbole oder Fahnen von Terrororganisationen dürfen nicht gezeigt werden. Ebenso verboten sind Inhalte, "die gegen die Bevölkerung Israels oder Menschen jüdischen Glaubens zum Hass aufstacheln oder in denen sie böswillig verächtlich oder verleumdet werden".
Hierzu Innensenator Ulrich Mäurer (SPD): „Auch in einer Konfliktsituation wie dieser muss es möglich sein, unter Beachtung der Gesetze für sein Anliegen zu demonstrieren."
In Bremen hat es seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober bislang zwei unangemeldete "Spontan-Versammlungen" gegeben, am vergangenen Sonntagnachmittag und am Dienstag um Mitternacht. Zu Zwischenfällen kam es dabei nicht, gleichwohl leitete die Polizei Ermittlungen wegen antisemitischer Parolen und Volksverhetzung ein. So sollen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch aus Reihen der 75 Versammlungsteilnehmer Parolen wie "Zionisten sind Faschisten" oder "Kindermörder Israel" gerufen worden sein. Die Polizei dokumentierte dies und fertigte Strafanzeigen wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
FDP: Was tut der Innensenator?
Die Bremer FDP-Fraktion hat die beiden Demonstrationen zum Anlass für eine Berichtsbitte an Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) in der Innendeputation genommen. Darin erkundigen sich die Liberalen unter anderem nach antisemitischen Äußerungen und danach, ob und wie der Innensenator diese künftig unterbinden will. Die FDP erinnert in diesem Zusammenhang an den Beschluss der Bremischen Bürgerschaft, wonach "jeder Form von Antisemitismus mit allen Mitteln des Rechtsstaats begegnet und antisemitisches Verhalten eine konsequente Ahndung finden wird".
Für den vergangenen Freitag untersagte das Innenressort per Allgemeinverfügung alle Demonstration und Spontanversammlung im Zusammenhang mit den Ereignissen in Israel und im Gaza-Streifen. Doch ein derartiges Vorgehen ist an Voraussetzungen geknüpft und damit kein Automatismus für kommende Pro-Palästina-Demonstrationen, sagt die Innenbehörde auf Anfrage des WESER-KURIER. Das Demonstrationsrecht sei in Deutschland verfassungsmäßig geschützt, erläutert Ressortsprecherin Rose Gerdts-Schiffler. Es ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Meinungen und Anliegen öffentlich zu äußern und sich friedlich zu versammeln. "Insofern ist das Demonstrationsrecht gesetzlich zu Recht stark geschützt."
Verbot ist kein Automatismus
Ein Verbot müsse daher immer sehr gut begründet sein. "Zum Beispiel, indem von den Behörden eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit festgestellt wird, weil es Hinweise oder Infos auf geplante Gewalttaten oder Ausschreitungen gibt." Andere Gründe für ein Verbot können laut Innenbehörde sein, wenn bei früheren Demos unter dem gleichen Motto oder beim gleichen Anmelder Auflagen nicht berücksichtigt wurden, wenn eine Demonstration den öffentlichen Frieden stören könnte oder eine geplante Demo das Ziel verfolgt, Hass und Gewalt zu verbreiten. Dabei müsse von der Versammlungsbehörde aber stets die Verhältnismäßigkeit beachtet werden. "Einzelne Straftaten aus einer Demonstration heraus dürfen nicht automatisch zur Beendigung dieser Versammlung führen", betont Gerdts-Schiffler. Hierüber müsse stets im Einzelfall entschieden werden.
Auch die Entscheidung, ob Plakate oder Fahnen beschlagnahmt werden, müsse der Polizeiführer jedes Mal vor Ort abwägen. Zu beachten sei etwa, ob ein Einschreiten der Polizei zu einer nicht mehr kontrollierbaren Eskalation führen könnte. Oder ob dadurch auch Kinder und Familien im Demonstrationszug gefährdet sein könnten. Das Einschreiten müsse also auch hier immer verhältnismäßig sein.
Was aber nicht ausschließe, dass Ermittlungen zum Beispiel wegen antisemitischer Parolen noch nach der Demonstration aufgenommen werden. Dass dies manchmal erst dann passiert, liegt laut Polizei auch daran, dass viele Parolen auf Arabisch gerufen werden. Die Polizei habe zwar je nach Vorplanung Sprachmittler im Einsatz, könne aber trotzdem nicht an jeder Stelle der Versammlung in Echtzeit mitbekommen, was gerufen wird. Dies sei aber durch die Auswertung der anlassbezogen gefertigten Videoaufnahmen im Nachhinein zu verfolgen und gegebenenfalls zu ahnden.
GdP sieht Nord-Süd-Gefälle
Für Jochen Kopelke, ehemals Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bremen und heute deren Bundesvorsitzender, haben Demo-Verbote auch etwas mit der politischen Farbe einer Landesregierung zu tun. Das sehe man schon an der Ausgestaltung der Landesversammlungsgesetze. Hier gebe es ein Nord-Süd-Gefälle. In Bremen werde zum Beispiel über ein Versammlungsgesetz nachgedacht, bei dem Vermummung keine Straftat mehr wäre. Auch die Frage, wann die Polizei einschreiten darf und wann nicht, hängt aus Sicht von Kopelke von der Zusammensetzung der Regierungskoalition im jeweiligen Landesparlament ab.