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Serie: Tanz auf dem Vulkan Die Stars des Vulkan

Genau 1111 Schiffe haben den Vulkan und ihre Vorgängerwerften verlassen – das sind eigentlich genauso viele Geschichten. Wir stellen zehn Schiffslebensläufe vor.
07.05.2016, 00:00 Uhr
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Von Volker Kölling

Genau 1111 Schiffe haben den Vulkan und ihre Vorgängerwerften verlassen – das sind eigentlich genauso viele Geschichten. Wir stellen im dritten Teil unserer Serie „Tanz auf dem Vulkan“ zehn Schiffslebensläufe kurz vor.

Vielleicht sind für einzelne Leser nicht einmal alle wichtigsten Schiffe dabei: Da waren doch noch der Hilfskreuzer „Atlantis“ und seine Abenteuer, all die Kombisschiffe mit Stadt und „...stein“ im Schiffsnamen und zum Schluss die schlau konstruierten Containerbauten der „Compact Class“. In den 203 Jahren Vulkangeschichte haben sich die Leben ungezählter Menschen in unserer Region mit den schwimmenden Bauten aus Stahl verbunden. Manche haben sie gebaut, einige gefahren und noch viel mehr bewundert.

Von den berühmtesten Vulkan-Bauten wie der „Bremen“ von 1959 oder der „Europa“ von 1981 existieren ganze Bücher. Sie berichten von den Großtaten der Ingenieure, dem Fleiß der Schiffbauer, dem Leben an Bord und vom unbändigen Stolz der Menschen auf ihren Vulkan. Zum Ende des Vulkan vor zwanzig Jahren bleibt ein Trost erhalten: An gleicher Stelle werden heute auf beiden Seiten der Weser immer noch Schiffe gebaut.

„C.O. Stillman“

Mitten hinein in eine tiefe Werftenkrise setzt der Vulkan im Jahr 1928 ein 171,66 Meter großes Ausrufezeichen. Die „C.O. Stillman“ der International Petroleum-Company Ltd. ist der Vorfahr aller Supertanker. Mit ihrem ersten Tanker schafft die Vulkan Werft damit gleich ein Schiff, dass für viele Jahre der größte Tanker der Welt bleibt. Mit der Breite von 23 Metern und einer Seitenhöhe von fast 14 Metern schaffen die Konstrukteure eine Tragfähigkeit von 23078 Tonnen. Auch dieses Schiff bekommt einen MAN/Vulkan-Dieselmotor, der schon 4300 PS Leistung schafft. Damit ist das Schiff elf Knoten schnell.

Doch trotz dieser technischen Pioniertaten bleibt der Auftragsbestand unbefriedigend. Der Vulkan-Vorstand sieht seitens des Mehrheitsaktionärs Thyssen Forderungen zu Expansionen und Fusionen ausgesetzt. So soll der Vulkan als noch solventes Unternehmen der AG Weser helfen, entzieht sich den Fusionsdiskussionen schließlich aber nach anderthalbjährigen Verhandlungen. Während anderswo die Helgen leer stehen, überbrückt man auf der Werft im Bremer Norden auch mit dem Bau von Fischdampfern. Sie werden mit Längen von 27 Metern nur spöttisch „Böötchen“ genannt und sind eben das ziemliche Gegenteil der riesigen „C.O. Stillman“. Deren Ende ist unklar: Die Werftchronik berichtet nur „ging im Zweiten Weltkrieg verloren, unbekannt wo und wie.“

BV II „Vegesack“

Die BV II „Vegesack“ ist im Jahr 1895 das erste Seeschiff, das die neue Stahlschiffwerft abliefert. Heringslogger wie die damals zwanzig Meter lange Gaffelketsch aus genietetem Stahl sorgten anfangs für die Auslastung der noch jungen Werft. Dabei hatten sechs der Vulkan-Gründungsaktionäre auch Anteile an der 1895 gegründeten Bremen-Vegesacker Heringsfischerei-Gesellschaft.

Die Logger der ersten Stunde hatten noch keinen Motor an Bord und bewegten sich nur mit ihren 430 Quadratmetern Segelfläche an zwei Masten. Erst der zweite Loggertyp des Vulkan verfügte über einen Dampfkessel, mit dessen Power aber nur die Netzwinde bedient werden konnte. Bis zu 14 Mann Besatzung waren damals mit solchen Schiffen sechs bis acht Wochen auf Fangreise in der nördlichen Nordsee.

Die BV II „Vegesack“ bekam erst 1921 einen 36-PS-Glühkopfdiesel. 1939 übernahm sie ein schwedischer Reeder. Sie wurde Ausbildungsschiff einer nordschwedischen Seefahrtsschule.

Erst 1980 kaufte eine Hamburger Sozialpädagogin das Schiff zurück und ließ es mit viel Liebe zum Detail restaurieren. Neun Jahre später holten sich die Vegesacker vom Verein Maritime Tradition Nautilus „ihr“ Schiff durch eine Spendenkampagne zurück.

Seitdem fährt der Zweimaster als Botschafter Vegesacks Gästetörns auf Nord- und Ostsee - und schmückt ansonsten den Vegesacker Museumshafen.

"Bremen"

Im Jahr seines 100. Geburtstag im Jahr 1957 entscheidet sich der Norddeutsche Lloyd (NDL) zum Kauf der französischen „Pasteur“ für 30 Millionen Mark. Was da aber am 28. September 1957 auf Bremerhaven zu schippert, erinnert nur noch wenig an den einstmals stolzen Liner des Baujahres 1939. Allein im Zweiten Weltkrieg hat das Schiff 300 000 alliierte Soldaten bewegt und unzählige Abenteuer bestanden. Nun wird es im „Technischen Betrieb“ des NDL, der heutigen Lloyd-Werft, erst einmal komplett entrümpelt, bevor der Vulkan an die Erschaffung der neuen „Bremen“ geht.

Die „Bremen“ schafft es binnen sieben Tagen von Bremerhaven nach New York. Langfristig kommt die „Bremen“ damit aber eben nicht gegen die Passagierflugzeuge an. Nach mehreren Besitzerwechseln sinkt sie im Juni 1980 noch vor Erreichen der Abwrackwerft im Indischen Ozean 3000 Meter tief auf den Meeresgrund.

„Vladivostok“

Auf die 225 Meter lange „Vladivostok“ passen 1991 insgesamt 2700 Standardcontainer. Ende Mai tauft Barbara Genscher, die Frau des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher das Großcontainerschiff als erstes einer Baureihe von zehn Schiffen. Auf dem Papier hat die sowjetische Staatsreederei Sovkomflot bestellt. Finanziers sind ungenannte Kommanditisten, die einmal mehr von den lukrativen Finanzierungskompositionen für solche Schiffsneubauten profitieren.

Fahren wird das Schiff für die Bremer Senator Lines, an welcher der Vulkan 49 Prozent der Anteile hält. Der Auftrag aller zehn Schiffe umfasst ein Volumen von 1,2 Milliarden Mark. Die Genschers müssen als Liberale und Subventionskritiker Demonstrationen von Werftarbeitern bei der Feier befürchten. Doch Genschers FDP-Parteifreund Jürgen Möllemann hat kurz vor der Feier sein Einlenken in Sachen Wettbewerbshilfen signalisiert. Die Vulkanesen feiern friedlich mit. Tatsächlich sieht es kurz einmal so aus, als ließe sich der Großschiffbau in Europa erhalten. Dafür kämpft auch die Werftführung.

„Costa Victoria“

Die „Costa Victoria“ ist der Versuch einer Wiederauferstehung. Der Vulkan, früher Stammwerft des Norddeutschen Lloyds, inszeniert sich mit dem Auftrag ab Juni 1994 als Vorzeigewerft auch für den Kreuzfahrtschiffbau – koste es, was es wolle. Nur 600 Millionen Mark – unverschämt wenig – will Nicola Costa von der Reederei Costa Crociere für sein 253 Meter langes Schiff bezahlen, stellt aber den zweiten Auftrag und damit viel Arbeit in Aussicht. Gleichzeitig will der Italiener die „Costa Victoria“ nach nur 600 Tagen taufen. Die Konkurrenz hat abgewunken, der Vulkan angebissen.

Das Schiff schafft es gerade noch durch die Panamaschleusen und ist konsequent auf den US-Markt ausgerichtet: 2250 Passagiere werden von 800 Mann Besatzung auf Kurztrips umsorgt. Mit der Vulkan-Stammwerft gehen die Schichau-Seebeckwerft, die Lloyd-Werft und STN Systemtechnik Nord an den Akkordbau. In Spitzenzeiten ackern 1800 Mann unter der Leitung vom späteren Lloyd-Werft-Chef Werner Lüken als Projektleiter.Trotz unglaublicher Geschichten, die sich nach dem Vulkan-Konkursantrag aus dem Februar auf dem Bau abspielen, gelingt die Ablieferung der „Costa Victoria“ nur vier Wochen nach Termin. Noch zwei Containerschiffe verkaufen die Insolvenzverwalter: Mit 60 Millionen Mark Rabatt, nur um Arbeit zu beschaffen. Dann ist mit Baunummer 1111 Schluss mit dem Schiffbau auf dem Vulkan.

„Europa“

In der Tradition des Norddeutschen Lloyd ist es die dritte „Europa“, die der Vulkan am 1. April 1980 für Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten auf Kiel legt. Der 200 Meter lange Bau mit einer Vermessung von 30 000 BRT lässt damals ahnen, wohin die Raumgewinnung auf einem Kreuzfahrtriesen einmal führen wird. Dabei ist diese Riesenkiste noch vergleichsweise schiffig geraten. Und die „Europa“ kann gerade einmal 758 Passagiere aufnehmen. Die allerdings schwelgen in einem – zu der Zeit auf dem Meer sonst nicht mehr existierenden – Fünf-Sterne-Luxus. Ein Crewmitglied beschäftigt sich rechnerisch mit nur zwei Gästen. Die Küche ist legendär.

Die Vulkanesen erleben die Auszeichnungen und Ehrungen für das Schiff in den ersten Fahrtjahren mit gemischten Gefühlen mit: Hapag-Lloyd hat 176 Millionen Mark für das Schiff bezahlt, gekostet hat es 260 Millionen Mark. Zynisch könnte man sagen: Man gewöhnt sich auf der Werft an solche finanztechnischen Fehlkalkulationen. Beim Bau des Typschiffs der Fregatte F-122 fehlen der Werft am Ende 200 Millionen Mark. Deren Ausgleich gelingt letztlich erst durch einen Canossagang führender Bremer Sozialdemokraten und des Betriebsrates zu Bundeskanzler Helmut Schmidt mitten im Wahlkampf. Man duzt sich und hilft sich. Heute ist die ehemalige „Europa“ immer noch für Saga Cruise unter dem Namen „Saga Sapphire“ unterwegs.

„Ruhr“

Schon 1922 hat sich der Vulkan die Lizenzen zum Bau von MAN-Dieselmotoren gesichert. Es dauert aber noch vier Jahre, bevor mit der „Ruhr“ das erste Motorschiff der Werft abgeliefert werden kann. Eingelassen auf diese neue Technik haben sich die Reeder der Hugo Stinnes Linien aus Hamburg. Schon bei ihrem Stapellauf wird die „Ruhr“ Filmstar der Rudolf-Herzog-Romanverfilmung „Hanseaten“ und trägt deshalb auf vielen Fotos dieser Zeit den Filmnamen „Ingeborg“ an der Seite.

„Ingeborg hat die Ruhr“, kommentieren das die Vulkanesen in ihrem trockenen Humor. Äußerlich lässt sich das Schiff kaum von den Dampferbauten jener Zeit unterscheiden: Steiler Steven, Länge 138 Meter, Breite 17,69 Meter, Seitenhöhe 10,80 Meter. Die Besatzung und insgesamt 21 Passagiere leben mitschiffs. Vor den Ladeluken vorn und achtern haben diese Schiffe Selbstentladeschirr. Die „Ruhr“ kann 9650 Tonnen Fracht tragen. Die „Ruhr“ wird am 22. Januar 1943 vor Palermo torpediert und sinkt.

„Lagena“

Am 8. Mai 1973 nimmt Bremens Bürgermeister Hans Koschnick das neue Großdock des Bremer Vulkan mit in Betrieb. Der blaue 450-Tonnen-Bockkran ist fortan eine Landmarke Bremen-Nords. Das 331 Meter lange und 59 breite Dock ist das modernste in Deutschland. Nicht einmal ein Jahr später am 28. März 1974 können tausende Schaulustige bei der Taufe der „Lagena“ besichtigen, wofür das Riesendock gebraucht wird: Der Vulkan steigt in den Großtankerbau ein. Die Deutsche Shell AG bekommt ein über 300 Meter langes und über 50 Meter breites Schiff, das die Besatzung später mit Fahrrädern von Heck bis Bug befahren wird.

"Berlin"

In den 20er- und frühen 30er-Jahren ist der Vulkan die Werft weltweit für kombinierte Fracht- und Passagierdampfer. Mitten in eine Schiffbauflaute hinein setzt die Werft 1925 wie ein Ausrufezeichen den Bau des „Kombischiffs“ namens „Berlin“ für den Norddeutschen Lloyd. Knapp 1200 Passagieren wird auf dem 167 Meter langen und 21 Meter breiten Schiff auf der Nordatlantikroute aller erdenkliche Luxus geboten: Die erste Klasse tafelt unter turnhohen Decken mit edler Stuckverzierung bevor man hinüber in den Rauchersalon auf die Stilmöbel zur Abendunterhaltung wechselt. Laut Werftangaben lag die Spitzengeschwindigkeit der „Berlin“ bei 16,5 Knoten.

Die Maschinen lieferten 12 000 PS. Vermessen war die „Berlin“ mit 15 286 BRT und damit das bis dato größte Vulkan-Schiff dieser Art. Nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde die „Berlin“ Lazarettschiff und lag viele Monate in einem Nebenfjord des norwegischen Kirkenes. Am 1. Februar wurde sie als Flüchtlingstransporter laut der Vulkanchronik bei Swinemünde versenkt. 1948/49 wurde sie von russischen Spezialisten gehoben und fuhr dann als „Admiral Nachimow“ unter der Flagge der Sowjetunion. Am 31. August 1986 sank das Schiff nach einer Havarie in Minuten und riss hunderte sowjetische Urlauber in den Tod.

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