Eltern, die Drogen konsumieren oder in einem Substitutionsprogramm sind, sowie ihre Kinder werden im Auftrag des Bremer Jugendamts regelmäßig auf Spuren von Kokain, Heroin und andere Substanzen getestet. Die Kontrollen, bei denen auch Drogenspuren nachgewiesen werden, wurden nach dem Tod des zweijährigen Kevin im Jahr 2006 eingeführt – als erneut Missstände beim Schutz von Kindern aus dem Drogenmilieu zutage getreten waren.
Jetzt warnen Ärzte und Labormitarbeiter vor Einschnitten beim Schutz der Kinder. Anlass ist: Das Labor für Pharmakologie und Toxikologie am Klinikum Bremen-Mitte, in dem die Blut-, Urin- und Haaranalysen stattfinden, soll Ende Februar 2025 geschlossen und durch einen privaten Anbieter ersetzt werden.
„Insbesondere in der Sicherung des Kindeswohls bei Kindern von Substitutionspatienten war und ist das Labor ein sehr wichtiger Bestandteil des Bremer Präventionsprogramms, um einen erneuten ‚Fall Kevin‘ oder Ähnliches zu vermeiden“, heißt es in einem Brief der Qualitätskommission Substitution (QSK), der dem WESER-KURIER vorliegt. Das Gremium ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung angesiedelt. „Die bestehenden Regelungen in diesem Bereich sind erst durch das Labor ins Rollen gekommen, da dort im Jahr 2011 erstmals die Häufung von Drogennachweisen in den vom Jugendamt Gröpelingen veranlassten Haaranalysen aufgefallen war", heißt es in dem Brief.
Das Labor sei eng mit dem Jugendamt und dem Suchthilfesystem vernetzt; Befunde und Konsequenzen würden direkt und auch umgehend an Fallmanager übermittelt und erläutert. Es habe ein hochspezifisches Testspektrum entwickelt, das laufend an neue Drogen angepasst werde. Ein privater Anbieter könne diese Aufgaben nicht leisten, so die Auffassung der Kommission. „Die QSK bittet eindringlich darum, diese Entscheidung zu überdenken“, heißt es in dem Brief an den kommunalen Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno).
Das Labor gehört zum Institut für Pharmakologie am Klinikum Mitte. Seit Jahren sei das Institut defizitär, teilt Geno-Sprecherin Karen Matiszick mit. Mit dem Ausscheiden seines Leiters, Professor Bernd Mühlbauer, werde es geschlossen. Der Facharzt für Pharmakologie und Toxikologie geht Ende Februar in den Ruhestand. Um den Fortbestand des Labors zu sichern, hätten auch neue teure Laborgerätschaften angeschafft werden müssen, „was in der Konsequenz die defizitäre Lage noch weiter verstärkt hätte“, teilt das Gesundheitsressort mit; Senatorin Claudia Bernhard (Linke) sitzt dem Geno-Aufsichtsrat vor. Als Ersatz hält die Behörde einen privaten Anbieter vor Ort für wichtig. „Ein ortsnahes Labor bietet den Vorteil der schnellen und unkomplizierten Probenübermittlung, sodass insbesondere im Notfall die Laborergebnisse sehr zeitnah vorliegen“, sagt Sprecherin Diana Schlee.
Für die Suche ist die Sozialbehörde zuständig. „Derzeit gibt es Gespräche mit Laboren für eine Nachfolge für das bisherige System“, sagt Sprecher Bernd Schneider. „Wir wollen an unseren Standards in der Jugendhilfe festhalten. Wir hatten sie nach dem Tod von Kevin entwickelt – bundesweit gab es dafür kein Vorbild – und sehen sie als ein unverzichtbares Instrument zur Sicherung des Kindeswohls an.“
Spezielle Testverfahren
Mitarbeiter des Labors sind besorgt, ob diese Standards fortgeführt werden können: „Zur Probenentnahme werden die Klienten in entsprechende Räumlichkeiten im Labor einbestellt. Die Urinabgabe erfolgt immer unter Sicht, um Täuschungsversuche zu verhindern“, sagt eine Labormitarbeiterin. Bei Kindern gebe es eine Identitätskontrolle auch per Foto, um auszuschließen, dass ein anderes Kind vorgestellt werde. Bei Kleinkindern, wenn etwa Urinproben schwierig seien, werde auch der Windelinhalt untersucht. Dafür sei ein Testverfahren entwickelt worden. Überwiegend würden bei Kindern Haaranalysen auf Drogenspuren vorgenommen.
„Jeder Klient hat bei uns eine Akte, so können Verläufe nachvollzogen werden. In ‚normalen‘ Labors wird in der Regel eine Nummer angelegt – für jede erneute Untersuchung“, so die Mitarbeiterin. „Wir haben den Überblick, können über einen längeren Zeitraum verfolgen, einordnen, inhaltlich bewerten – und umgehend Alarm auslösen. Wir erheben nicht nur die Messwerte.“
Institutsleiter Mühlbauer hält den engen Kontakt mit den Fallmanagern des Jugendamts für wesentlich. „Wenn eine andere Laborstruktur dies in vollem Umfang nicht darstellen kann – vom Einbestellen der Klienten in Räumlichkeiten vor Ort bis hin zur Einordnung von Substanzen, Befunden und Verläufen –, haben die Jugendämter ein echtes Problem“, warnt er. „Wir müssen verhindern, dass Kinder zu Schaden kommen.“