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Regelmäßige Laboruntersuchung Spuren von Kokain und Heroin in Kinderhaaren

In Bremen werden die Haare von Kindern süchtiger Eltern regelmäßig auf Drogenrückstände untersucht. Laboranalysen zeigen Spuren von Kokain, Heroin und anderen Stoffen.
23.01.2023, 05:44 Uhr
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Spuren von Kokain und Heroin in Kinderhaaren
Von Sabine Doll
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Nach einer Auswertung der Bremer Sozialbehörde sind in einer Reihe von Fällen Drogenrückstände in den Haaren von Kindern süchtiger Eltern nachgewiesen worden. Dabei handelt es sich um Spuren von Kokain, Heroin, des Ersatzstoffes Methadon und anderer Substanzen. Nachdem 2006 im „Fall Kevin“ erhebliche Missstände beim Schutz von Kindern aus dem Drogenmilieu zutage getreten waren, hat Bremen regelmäßige Haaranalysen als Kontrollmaßnahme eingeführt.

Was zeigen die Haaranalysen?

Die Ergebnisse, die dem WESER-KURIER vorliegen, stammen von 2021. Das vergangene Jahr sei noch nicht ausgewertet, sagt der Sprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider. 2021 gab es demnach 53 Erstuntersuchungen: In einem Viertel der Fälle (13) waren diese ohne Befund. „Bei der Hälfte, in 27 Fällen, wurden Spuren von Kokain in den Haaren festgestellt; bei etwas mehr als einem Drittel, in 20 Fällen, Abbauprodukte von Cannabis. In Einzelfällen lagen Kontaminationen mit Heroin, Methadon, Amphetamin und Ecstasy vor, teils kombiniert mit anderen Drogen. Daher liegt die Gesamtzahl über 53“, so Schneider. Als „besonders kritisch“ habe das Labor 14 Fälle bewertet. 67 im Anschluss durchgeführte Kontrolluntersuchungen zeigten: 35 Fälle waren ohne Befund. Bei einem Drittel (23 Fälle) wurde Kokain, in jedem fünften Fall Abbauprodukte von Cannabis und in drei Proben Amphetamin nachgewiesen. Sechs Fälle wurden als „besonders kritisch“ eingestuft.

Wann werden Haarproben untersucht?

„Der Fall Kevin hat dazu geführt, dass die gesamte Jugendhilfe und ihre Methoden auf den Prüfstand gestellt wurden. Dazu gehört eine sehr verbindliche Form der Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern, die substituiert sind oder Drogen konsumieren“, erklärt der Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Die Eltern verpflichteten sich, der Analyse der eigenen und der Haare der Kinder zuzustimmen. Wie viele Kinder bei drogensüchtigen Eltern leben, konnte die Behörde nicht beantworten. Eine spezielle Statistik werde nicht geführt, so die Auskunft.

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Wie kommt es zu Drogenrückständen in den Haaren?

Laut Experten kommen mehrere Wege für eine Einlagerung der Substanzen in die Haare in Betracht: Zum einen über den Blutstrom in die Haarwurzel, indem etwa Drogen konsumiert beziehungsweise verabreicht würden. Laut Uniklinikum Freiburg ist die Einlagerung auch über Schweiß der Konsumenten, Sekret der Talgdrüsen der Haut oder äußere Quellen wie Staub, Rauch oder kontaminierte Hände möglich.

Wie werden die aktuellen Befunde bewertet?

In den Haaren seien geringste Spuren nachgewiesen worden, betont der Sprecher. So gering, dass die Übertragung durch Körperschweiß als Ursache gelte. „Wenn das Labor besonders kritische Werte feststellt, bedeutet das nicht, dass den Kindern Drogen verabreicht werden. Man muss aber davon ausgehen, dass im Beisein der Kinder Drogen konsumiert worden sind“, sagt Sozialsenatorin Stahmann zu den Ergebnissen. „Die Kinder werden dann nicht automatisch aus den Familien genommen. Aber es zeigt, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt.“ Der deutliche Rückgang von positiven Befunden bei den Nachtestungen zeige, dass die Arbeit mit den Familien Erfolg habe. „Ohne die Haaranalysen wäre das nicht zu erreichen.“

Wurden Kinder aufgrund dieser Ergebnisse aus der Familie genommen?

Dazu konnte die Behörde keine Auskunft geben. Die Akten seien nicht nach den Kriterien „Drogen“ oder „Sonstige Probleme“ sortiert. Wenn Spuren von Drogen in den Haaren von Kindern festgestellt werden, selbst bei geringsten Mengen, sei dies immer ein Anlass für das Jugendamt, die Problemlage mit den Familien intensiv zu erörtern. „Mit einem positiven Befund kann sich niemand wegducken“, so Stahmann. Damit habe das Jugendamt ein Instrument, konkret mit den Familien über ihre Probleme und Wege zur Lösung zu sprechen. „Das ist eine ganz andere Ausgangsbasis als bloße Vermutungen oder vage Indizien.“

Wie fielen Analysen in den Vorjahren aus?

Wie der WESER-KURIER berichtete, wurden 2015 insgesamt 123 Kinder aus dem Drogenmilieu getestet, davon 101 positiv. 2016 wurden bei 86 von 125 Kindern Drogenrückstände festgestellt, so die damalige Senatsantwort auf eine CDU-Anfrage. Für 2017 lagen Zahlen bis Ende August vor: 59 von 87 Proben waren positiv. Zahlen, in wie vielen Fällen Inobhutnahmen der Kinder folgten, konnte die Behörde nicht nennen. Sofern solche „familienrechtlichen Interventionen“ erforderlich seien, würden sie „im erforderlichen Umfang eingesetzt“, hieß es.

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