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Elektroschocker in Bremen Nach Einsatz auf Wilhelm-Kaisen-Brücke: Taser bleibt umstritten

Mit Hilfe eines Elektroimpulsgerätes stoppt die Polizei Bremen einen Mann, der Passanten mit einem Messer bedroht. Trotzdem bleibt der Taser umstritten. Vor allem zwei Parteien sehen diese Waffe kritisch.
08.06.2023, 06:20 Uhr
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Nach Einsatz auf Wilhelm-Kaisen-Brücke: Taser bleibt umstritten
Von Ralf Michel

Am Dienstagabend hat ein 30-jähriger Mann aus Syrien gegen 21.45 Uhr auf offener Straße Passanten mit einem Messer bedroht. Im Bereich der Wilhelm-Kaisen-Brücke überwältigte ihn die Polizei mithilfe eines Elektroschockers. Bis dahin verging allerdings mehr als eine Viertelstunde, denn die Polizei musste auf ihre Spezialeinsatzkräfte (SEK) warten. Sie selbst darf keine Elektroimpulsgeräte (Taser) benutzen, sondern nur die SEK. Was die jahrelange Debatte um den Einsatz dieser Waffe im Streifendienst der Bremer Polizei neu befeuert. Allerdings fühlen sich sowohl die Befürworter als auch die Gegner durch den Einsatz am Dienstagabend in ihrer Position bestätigt. 

Es sei eine extrem bedrohliche Situation gewesen, beschreibt ein Augenzeuge des Vorfalls das Geschehen gegenüber dem WESER-KURIER. "Überall Polizei, drumherum Hunderte von Schaulustigen und mittendrin ein Mann, der völlig außer sich war, herumbrüllte und mit einem Messer drohte."

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Dabei handelte es sich laut Polizei um ein langes Dönermesser, das der Mann kurz zuvor aus einem Imbiss in der Friedrich-Ebert-Straße gestohlen hatte. Damit sei er dann in Richtung Innenstadt gegangen und habe unterwegs wahllos Passanten angeschrien und sie mit dem Messer bedroht. An der Kreuzung Wilhelm-Kaisen-Brücke und Martinistraße konnte die Polizei den Mann stellen. Zur Sicherheit wurde der gesamte Kreuzungsbereich abgesperrt.

Unterbringung in Psychiatrie

Der Aufforderung der Polizei, dass Messer fallen zu lassen, kam der Mann nicht nach. Auch der Versuch, dass Gespräch mit ihm zu suchen und ihn zu beruhigen, scheiterte. Stattdessen wurde er immer aggressiver und ging bedrohend auf die Beamten zu, heißt es seitens der Polizei. Die zogen daraufhin ihre Pistolen und hielten ihn auf Abstand.

Was der Augenzeuge bestätigt. "Der Mann hat immer wieder Ausfallschritte auf die Polizisten zu gemacht. Ich habe damit gerechnet, dass sie ihn jeden Moment erschießen." Erst die angeforderten Spezialeinsatzkräfte konnten die Situation auflösen. Durch den Taser außer Gefecht gesetzt, ließ der 30-Jährige das Messer fallen und konnte festgenommen werden. Nach Angaben der Polizei wurde der  Mann dabei leicht verletzt. Er ist vorläufig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

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Für ihn sei der Vorfall wie ein Déjà-vu, sagt Polizeipräsident Dirk Fasse. Die Situation sei ähnlich wie die in Gröpelingen vor drei Jahren. Dort war ebenfalls ein psychisch gestörter Mann mit einem Messer auf Polizisten losgegangen, allerdings am Ende von den Beamten erschossen worden. "Man findet keinen Zugang zu den psychisch kranken Menschen und ist sofort bei der Ultima Ratio, dem Ziehen der Schusswaffe." 17 Minuten, so lange dauerte es bis zum Eintreffen der Spezialkräfte, hätten seine Kollegen in dieser Situation verbracht. "Das ist nicht das, was wir wollen."

Das Elektroimpulsgerät sei als Mitteldistanzwaffe unschlagbar in solchen Einsatzsituationen, betont Fasse. Von daher sei seine Erwartungshaltung an die Politik klar: Weg von ideologischen Vorbehalten, hin zu fach- und sachgerechten Entscheidungen. "Wir brauchen den Taser im Einsatzdienst der Schutzpolizei".

Es sei "verdammt knapp" gewesen, sagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Bis zum Eintreffen der Spezialeinsatzkräfte hätte jede plötzliche Bewegung des Mannes zum tödlichen Gebrauch der Schusswaffe führen können. "Deswegen muss nach meiner tiefsten Überzeugung auf allen Streifenwagen des Einsatzdienstes in Bremen ein Taser griffbereit zur Verfügung stehen." Es reiche nicht, dass nur das SEK in Bremen damit ausgestattet sei. "Wir können nicht darauf setzen, dass das SEK in solchen Situationen immer in wenigen Minuten überall in Bremen vor Ort sein wird."

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Die Opposition sieht das genauso: Der Vorfall habe geradezu bilderbuchmäßig gezeigt, wie effektiv der Taser im Einsatz der Polizei sei, betont Marco Lübke, innenpolitischer Sprecher der CDU. "Im Grunde kann man da eigentlich nur noch aus ideologischen Gründen dagegen sein." In welche Richtung diese Worte zielten, verdeutlichte seine Fraktionskollegin Christine Schnittker aus Bremerhaven:  „Rot-grün-rot hat keinerlei sachliche Argumente mehr gegen den Taser. Wir erwarten, dass Bürgermeister Bovenschulte und Innensenator Mäurer sich nicht länger dem Diktat der Linken beugen." Insbesondere Linke und Grüne "müssen endlich ihre Blockadehaltung aufgeben", fordert auch Jan Timke (Bürger in Wut). 

"Keine harmlose Waffe"

Die beiden Parteien trifft diese Forderung mitten in den Koalitionsverhandlungen. Es sei kein Geheimnis, dass es bei den Elektroimpulsgeräten um einen strittigen Punkt gehe, räumt Matthias Makosch, Fraktionssprecher der Grünen, ein. Ansonsten könne er aber den laufenden Gesprächen nicht vorgreifen. Auch die Position der Grünen sei bekannt. "Taser sind keine harmlosen Waffen und in ihrer Wirkung schwer einzuschätzen. Sie gehören deshalb in die Hände von absoluten Fachleuten wie den Spezialeinsatzkräften."

Dass die Beschränkung der Nutzung von Tasern auf Spezialeinsatzkräfte funktioniere, habe der Vorfall an der Wilhelm-Kaisen-Brücke ja gerade gezeigt, argumentiert Nelson Janßen, Fraktionschef der Linken. "Den Einsatz in der Fläche, also durch den Streifendienst, sehen wir dagegen problematisch." Trotzdem sieht auch Janßen "große Handlungsnotwendigkeit". Er lenkt den Fokus aber in eine andere Richtung: "Eigentlich müsste es uns gelingen, den sozialpsychiatrischen Krisendienst schnell vor Ort zu bringen, um die Situation zusammen mit der Polizei zu deeskalieren."

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