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Acht Verdächtige identifiziert Erfolgreiche Öffentlichkeitsfahndung trotz Panne bei Bremer Polizei

Mithilfe der Veröffentlichung von Fotos der mutmaßlichen Täter gelingt es der Bremer Polizei, acht Tatverdächtige zu identifizieren. Ein Aspekt dieser Maßnahme stößt trotzdem auf Kritik.
03.02.2025, 05:00 Uhr
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Erfolgreiche Öffentlichkeitsfahndung trotz Panne bei Bremer Polizei
Von Ralf Michel

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, wie effektiv Öffentlichkeitsfahndung sein kann, lieferte ihn die Bremer Polizei Anfang dieses Jahres: Am 14. Januar suchte sie mit der Veröffentlichung von Fotos nach acht jungen Männer. Sie stehen im Verdacht, im Januar 2023 in der Neustadt einen 23-Jährigen brutal attackiert und schwer verletzt zu haben. Die Fahndungsfotos stammten von Kameras im Innenraum der Straßenbahnlinie 1, mit der Täter und Opfer vorher gemeinsam gefahren waren. Nicht einmal eine Woche später, am 22. Januar, vermeldete die Polizei den Erfolg der Fahndung: Alle acht Gesuchten hätten sich selbst gestellt oder seien identifiziert worden.

Trotz oder gerade wegen dieses Erfolges bedeutet dies Wasser auf den Mühlen von Jan Timke: „Warum brauchen Polizei und Staatsanwaltschaft in Bremen zwei Jahre, um dieses wirksame Fahndungsinstrument zu nutzen?“, fragt der Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion von Bündnis Deutschland den Senat und verweist auf die Ermittlungsbehörden in Hannover, die in einem ähnlich gelagerten Fall schneller öffentlich mit Fotos nach den mutmaßlichen Tätern fahndeten.

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In Hannover verprügelten Unbekannte im Oktober vergangenen Jahres einen Fahrer der Stadtbahn. Nachdem die Polizei die Täter nach drei Monaten nicht gefasst hatte, veröffentlichte sie Fotos aus der Überwachungskamera der Bahn. Nur wenige Stunden später waren die gesuchten Tatverdächtigen identifiziert. Für Timke ist dieser Vorfall mit dem aus Bremen vergleichbar. In beiden Fällen gehe es um gefährliche Körperverletzung, in beiden Fällen hätten der Polizei Bilder von den Gesichtern der Tatverdächtigen vorgelegen. Er wisse um die hohen rechtlichen Hürden für eine Öffentlichkeitsfahndung, betont Timke. Aber zwei Jahre? Für das Opfer der Tat müsse es schlimm ein zu sehen, dass so lange nichts passiert. „Wer hat da in Bremen so lange gepennt?“, formuliert Timke in seiner Anfrage, die mit „Öffentlichkeitsfahndung erst lange Zeit nach der Tat – Täterschutz statt Opferschutz in Bremen?“ überschrieben ist.

"Täterschutz statt Opferschutz?"

Tatsächlich gibt es eine Reihe rechtlicher Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit Fahndungsfotos veröffentlicht werden dürfen. Ob dies der Fall ist, entscheidet ein Richter. Jede Öffentlichkeitsfahndung muss von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragt werden.

Hauptsächlich geht es dabei um die Persönlichkeitsrechte der Gesuchten, die zu diesem Zeitpunkt in der Regel lediglich als tatverdächtig gelten. So müssen erst alle anderen Ermittlungsschritte der Polizei ausgeschöpft sein, wie etwa die Befragung von Opfern und Zeugen, die Auswertung von Beweismitteln und die internen Fahndungsmöglichkeiten. Auch die Verhältnismäßigkeit ist zu wahren. Es muss um Straftaten von erheblicher Bedeutung gehen. Für Delikte wie etwa Beleidigung, Sachbeschädigung oder einfacher Diebstahl würde kein Richter der Veröffentlichung von Bildern der Gesuchten zustimmen.

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In diesem Fall soll die Ursache für die späte Veröffentlichung der Fotos aber eine ganz andere gewesen zu sein. „Aufgrund einer Überlastungsanzeige eines Mitarbeitenden der Polizei Bremen haben sich die Ermittlungen verzögert“, heißt es seitens der Pressestelle der Polizei. Der Vorfall sei in die Zeit der großen Bearbeitungsrückstände bei der Polizei gefallen, in der man die Bearbeitung der Fälle zudem habe priorisieren müssen.

Nach Informationen des WESER-KURIER wurde dieser Fall rund 14 Monate lang überhaupt nicht bearbeitet. Hierzu äußert sich die Polizei nicht, kündigt aber die Aufarbeitung dieses Versäumnisses an. Er bedauere, dass es aufgrund von „persönlichen und strukturellen Gründen“ zu einer derartigen Verzögerung gekommen sei, sagt Polizeipräsident Dirk Fasse. „Wir werden die Schwachstellen dazu analysieren, um unsere Lehren daraus zu ziehen.“

Hoher Fahndungsdruck

Letztlich wurde die Öffentlichkeitsfahndung Anfang Dezember 2024 beantragt. Mitte Januar wurden die Fotos veröffentlicht. Dass die mutmaßlichen Täter anschließend binnen Wochenfrist identifiziert werden konnten, kam für die Polizei nicht überraschend. Die Erfolgsquote bei dieser Form der Öffentlichkeitsfahndung sei sehr hoch, berichtet Polizeisprecher Nils Matthiesen. „Wenn wir mit Bildern nach Personen fahnden, erreichen uns in der Regel zügig viele Hinweise und wir können die Person identifizieren. Oder die Gesuchten stellen sich aufgrund des Fahndungsdrucks selbst.“

Jan Timke wiederum dringt auf grundsätzliche Änderungen: „Welche Maßnahmen, insbesondere organisatorischer Art, hat der Senat ergriffen, um die zuständigen Gerichte in die Lage zu versetzen, die Anordnung von Öffentlichkeitsfahndungen im Land Bremen zu beschleunigen?“, fragt der BD-Fraktionschef.

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