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Fachkräftemangel in Kliniken Probleme durch Leiharbeit in der Pflege

Wenn in der Pflege Mitarbeiter fehlen, helfen häufig Beschäftigte von Leiharbeitsfirmen aus. Zugleich fehlen reguläre Pflegekräfte aber auch, weil sie in die Leiharbeit wechseln.
29.08.2022, 05:00 Uhr
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Von Felix Gutschmidt Timo Thalmann

Als Fluch und Segen zugleich werten Verantwortliche aus den Krankenhäusern in Bremen sowie im Umland die Leih- und Zeitarbeit in der Pflege. „Zeitarbeit hilft bei erhöhten Ausfällen aufgrund von Krankheit, in Urlaubsmonaten und in akuten Krisen wie der Corona-Pandemie“, sagt Walter Klingelhöfer, kaufmännischer Geschäftsführer des Rotes Kreuz Krankenhauses in der Neustadt. Andererseits fehlten in Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels die Beschäftigten in der Zeitarbeit als reguläre Mitarbeiter in den Kliniken. Das gelte vor allem, wenn Pflegekräfte ihre Anstellung im Krankenhaus aufgeben, um in die Zeitarbeit zu wechseln.

Dazu kommt es laut Klingelhöfer häufiger, wenn die Einsatzplanung nicht zuverlässig sei und die Beschäftigten sich nicht darauf verlassen könnten, wie geplant freizuhaben. So entstehe eine „Spirale der Entsolidarisierung“. Der Halt im jeweiligen Team bröckele, die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich weiter.

„Wenn auf längere Sicht zu viele Pflegende in die Zeitarbeit fliehen, weil völlig selbstverständliche Ansprüche wie planbare Arbeitszeiten nicht eingelöst werden können, hat das katastrophalen Folgen für die Qualität der Patientenversorgung“, sagt Klingelhöfer. Im Rotes Kreuz Krankenhaus habe man in den vergangenen Jahren bei rund 330 Pflegekräften Vakanzen mit zehn bis zwölf Pflegefachkräften aus der Zeitarbeit überbrücken müssen. „Der weiter steigende Mangel an qualifizierten Pflegekräften macht das Zurückdrängen der Leiharbeit insgesamt sehr schwierig.“

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Marianne Baehr, Geschäftsführerin der Aller-Weser-Klinik (AWK) mit zwei Standorten in Achim und Verden, berichtet, dass Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen abgeworben werden. Sie bieten ihr Personal wiederum den Krankenhäusern an, zu entsprechenden Konditionen. Weil die bei Zeitarbeitsfirmen angestellten Kollegen mehr verdienen und auch bessere Dienstzeiten erhalten, führe dies zu „Neid, Missgunst, Frust bis hin zu weniger Engagement mancher Mitarbeiter“. Die Klinik habe aber keine andere Wahl, als das Spiel mitzuspielen, weil die Not in der Pflege so groß ist. „Alternativ kommt eben keiner“, sagt Baehr. An beiden Standorten haben ihr zufolge derzeit bis zu 15 Beschäftigte die Zeitarbeit einer Anstellung bei der AWK vorgezogen.

Mit „großen Bauchschmerzen“ werden laut Sprecher Rolf Schlüter auch beim Bremer Klinikverbund Gesundheit-Nord (Geno) an allen vier Standorten rund 100 Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter in der Pflege sowie der Ärzteschaft eingesetzt. Das sei gegenüber den Vorjahren allerdings eine Verringerung. „Wir haben mit vielen flexiblen Arbeitszeitmodellen massiv gegengesteuert“, sagt Schlüter. So gebe es sowohl dezentral an jedem Standort wie auch übergreifend Springer-Pools, die Ausfälle in den Häusern kompensieren können. So könnten Pflegekräfte, die etwa aufgrund ihrer familiären Situation nicht mehr regelmäßig Schichten übernehmen können, weiter an die Geno gebunden werden.

Ähnlich wird am Diako in Gröpelingen versucht, die Stammbelegschaft zu halten und auszubauen. „Wir bieten einen Sechs-Wochen-Dienstplan in der Pflege, bei dem Wunschdienstzeiten so weit irgendwie möglich durch die Bereichsleitungen berücksichtigt werden. Für besonders familiär eingebundene Mitarbeitende gibt es auch die Möglichkeit, im hauseigenen Flexpool zu arbeiten. Hier sind die Dienstzeiten noch individueller“, sagt Sprecherin Regina Bukowski.

Hinzu kämen zahlreiche Zusatzleistungen des Arbeitgebers, beispielsweise finanzielle Unterstützung für Fort- und Weiterbildungen sowie Modelle für Beurlaubungen und Teilzeit nach der Elternzeit. „Im Pflegedienst werden im Jahresdurchschnitt knapp 4,5 Stellen durch Leiharbeit besetzt, bei 266 rechnerischen Vollzeitstellen, die derzeit von rund 400 Mitarbeitenden ausgefüllt werden.“

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Das Krankenhaus St.-Joseph-Stift verzichtet auf Leiharbeitskräfte. „Unserer Erfahrung nach wirkt sich deren Einsatz eher negativ auf die Zusammenarbeit im Team aus“, sagt Sprecher Maurice Scharmer. Darunter könne auch die Versorgung der Patienten leiden. Trotz des angespannten Arbeitsmarktes und der Fluktuation durch Rente oder Elternzeit sei es der Klinik geglückt, die Stammbelegschaft zu halten und ausbauen zu können. Aus 182 vollbeschäftigten Mitarbeitenden in der Pflege im Jahr 2019 seien 232  im Jahr 2022 geworden – 51 Vollzeitbeschäftigte mehr. Das sei ein Resultat der Bemühungen des Arbeitgebers um die Mitarbeiter. „Unser Ziel ist es, neue Kolleginnen und Kollegen fest einzustellen und nicht die Arbeit im Haus durch den Einsatz von Leiharbeitskräften zu belasten.“

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