Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Schwierige Lage in der Pflege Fehlende Fachkräfte sorgen für Verluste

Um trotz fehlender Pflegekräfte die Personalschlüssel zu erfüllen, lassen Pflegeheime Plätze unbelegt und müssen auf Einnahmen verzichten. Je kleiner die Häuser, desto eher entsteht daraus eine Schieflage.
11.12.2021, 19:01 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Fehlende Fachkräfte sorgen für Verluste
Von Timo Thalmann

Die Wirtschaftslage vieler deutscher Pflegeheime ist nach einer aktuellen Studie des RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung angespannt. Bei jedem fünften Haus sehen die Forscher eine erhöhte Insolvenzgefahr. Mehr als ein Viertel der Einrichtungen habe 2019 rote Zahlen geschrieben. Drei Jahre zuvor wiesen nur rund zehn Prozent der Pflegeheime einen Jahresverlust aus. Vor allem in Bremen und Niedersachsen seien viele Einrichtungen in wirtschaftlicher Not.

Auf der anderen Seite gilt die Pflege wegen der älter werdenden Gesellschaft als wachsender Milliardenmarkt. Bei konstanten Pflegequoten ist laut RWI bis zum Jahr 2040 in Deutschland mit 5,6 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen – ein Plus von 35 Prozent gegenüber 2019. In diesen Markt drängen zunehmend private Unternehmen, die an hoher Rendite interessiert sind. Gemessen an der Zahl der Pflegeplätze stellen sie bundesweit sogar die Mehrheit. Das gilt auch für die Stadt Bremen: Knapp 54 Prozent der rund 5700 vollstationären Pflegeplätze waren hier 2019 in privater Hand. Ein Drittel davon entfällt auf international agierende Pflegekonzerne, wie eine Auswertung des WESER-KURIER ergab.

Lesen Sie auch

Vor allem durch steigende Löhne seien die Kosten für die Betreiber nach oben gegangen, sagt Timm Klöpper, Geschäftsführer der Bremer Convivo Gruppe, die in insgesamt elf Bundesländern 104 Pflege-Einrichtungen betreibt, aber vor allem in Niedersachsen und Bremen aktiv ist. "Dass Pflegekräfte ordentlich bezahlt werden sollen, ist zwar breiter Konsens, findet sich aber bislang nicht in den Pflegesätzen wieder, die wir mit der Pflegekasse aushandeln." Das gelte vor allem für Niedersachsen. "Wenn dann in einem Haus kurz- oder mittelfristig nicht alle Plätze belegt sind, gerate es daher schnell in eine wirtschaftliche Schieflage."

Klöpper räumt ein, dass auch innerhalb der Convivo-Gruppe einzelne Häuser durch ungenügende Auslastungen zeitweise in die roten Zahlen gerutscht sind. "Der Grund dafür sind die vorgeschriebenen Personalschlüssel bei gleichzeitig fehlenden Fachkräften, um diese Personalvorgaben auch zu erfüllen." Immer wieder kommt es deswegen zu zeitweiligen Aufnahmestopps in den jeweiligen Häusern, entweder durch den Betreiber oder amtlich verhängt von der Wohn- und Betreuungsaufsicht. Wie viele Häuser in Bremen davon aktuell betroffen sind, kann Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts, nicht sagen. Er verweist auf eine Bestandsaufnahme von 2019. Danach konnten von insgesamt 7900 Plätzen in Bremen und Bremerhaven über alle Bereiche von der vollstationären Versorgung bis zur Tagespflege 391 wegen Personalmangel nicht belegt werden. Belegungsstopps gab es demnach bei zwölf der 101 Einrichtungen im Land.  "Das dürfte sich jetzt in einer ähnlichen Größenordnung bewegen."

Insbesondere in kleinen Häusern wirkten sich unbelegte Plätze schnell auf die Bilanz aus. "Im Grunde sind Pflegeheime mit weniger als 60 Plätzen nur schwer wirtschaftlich zu betreiben", sagt Klöpper. Stark am Profit orientierte Pflegeketten neigen daher zu größeren Häusern. In der Stadt Bremen haben von 75 Häusern, die vollstationäre Pflege anbieten, derzeit 26 weniger als 60 Plätze.

Lesen Sie auch

Dazu zählt auch das Alten- und Pflegeheim Haus-Leeßem-Barg in Bremen-Lesum. Es ist mittlerweile die einzige private Bremer Einrichtung, die vom Inhaber geführt wird und keiner Pflegekette angehört. "Wir sind wirklich ein echter Familienbetrieb", sagt Einrichtungsleiter Tobias Taurat. Seine Mutter habe die Einrichtung 1987 gegründet, seine Frau sei Pflegedienstleiterin. Auch Taurat kritisiert den Personalschlüssel. "Uns wird in Bremen von der Sozialsenatorin die höchste Fachkraftquote von allen Bundesländer vorgegeben, woher aber die Fachkräfte kommen sollen, sagt die Politik nicht." Zugleich ringe er bei jeder Verhandlung mit den Kostenträgern um die Anerkennung steigender Personalkosten.

Um die Personalschlüssel zu erfüllen, kann auch er derzeit keine neuen Bewohner aufnehmen, obwohl von offiziell 43 Plätzen aktuell fünf unbelegt sind. Die daraus resultierenden Einnahmeverluste muss der Familienbetrieb an anderer Stelle kompensieren. "Ein Vorteil ist, dass uns die Immobilie gehört, wir also keinen Vermieter bezahlen müssen", sagt Taurat. Investition ins Gebäude könne man daher gut selber steuern, ebenso wie alle übrigen Ausgaben. So lange alle ihr Auskommen haben, verzichte man auch auf Gewinne. Renditen von zehn Prozent und mehr allein durch Pflegeleistungen, wie sie große Anbieter anstreben, sind nach seiner Ansicht nur durch Abstriche in der Versorgungsqualität zu erreichen. "Das wollen wir nicht."

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)