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Landesparteitag der SPD Bremen Genossen wollen neue Stadtteile bauen

Ein Erfolgsrezept für 2017 hat Thorsten Schäfer-Gümbel nicht mit nach Bremen gebracht. Beim Wohnungsbau aber wird er konkret. „Wir werden neue Stadtteile bauen müssen“, so der stellvertretende SPD Parteivorsitzende.
27.09.2015, 00:00 Uhr
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Genossen wollen neue Stadtteile bauen
Von Hauke Hirsinger

Mit ganzer Kraft für Bremen“. Das steht auf dem großen Banner hinter dem Präsidium des Landesparteitags der SPD. Doch an Kraft mangelt es der Bremer Sozialdemokratie zurzeit.

Das schlechteste Ergebnis bei einer Bürgerschaftswahl seit dem Jahr 1946, ein abgetretener Bürgermeister und seit Neuestem ein Landesvorsitzender, der nicht mehr weitermachen will. Die stärkste Partei im kleinsten Bundesland wirkt trotz des prall gefüllten Saals im Bürgerzentrum Vahr angeschlagen. „Wir müssen den Jüngeren eine Chance geben. Wir brauchen eine Blutauffrischung“, sagt Dieter Reinken. Der Landesvorsitzende bestreitet, dass er sich mit seiner frühen Ankündigung, im Mai kommenden Jahres nicht mehr für den Vorsitz kandidieren zu wollen, zu einer „lahmen Ente“ gemacht habe. Als er darauf besteht, dass es jetzt an der rechten Zeit sei, ein Zeichen für die Erneuerung in der Partei zu setzen, bleibt das Klatschen im Saal verhalten. Dann verspricht er: „Ich werde mich in den kommenden sechs Monaten ganz sicher nicht zurücklehnen. Wichtige Themen wie die Rekommunalisierung, können nicht warten. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden.“

Hinter dem Rednerpult, neben dem Präsidium, ist in großen Buchstaben das zweite Motto des Tages zu lesen. „Mitreden. Mitbestimmen. Mitgestalten.“ Von dort aus eröffnet der stellvertretende Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel als hessischer Ehrengast die Debatte über SPD-Perspektiven für die Bundestagswahl 2017. „Das Dublin-Abkommen ist gescheitert“, sagt er und betont die Verantwortung Europas und Deutschlands in der Flüchtlingsfrage. Gleichzeitig lobt er die Aufstockung der Flüchtlingshilfen des Bundes für die Länder. „Aber das hat zu lange gedauert und ist ein Zeichen dafür, dass etwas gründlich schief läuft in diesem Staat.“

Feldmark soll bebaut werden

Das sieht Bürgermeister Carsten Sieling ähnlich. „Was uns bei den Verhandlungen mit dem Bund gelungen ist, ist an vielen Punkten nur ein erster Schritt.“ Darüber hinaus spricht Sieling sich für eine Diskussion über sichere Herkunftsländer aus. „Wir müssen den Flüchtlingsstrom strukturieren.“ Ihm sei aber wichtig, „dass das Asylgesetz nicht angefasst wird.“ Selbstverständlich werde jeder Flüchtling weiterhin volles Asylrecht genießen.

Ein Erfolgsrezept für 2017 hat Schäfer-Gümbel nicht mit nach Bremen gebracht. Aber er hat Ideen. Er fordert beispielsweise, das Thema Gerechtigkeit wieder stärker zu betonen. Die SPD müsse dafür sorgen, dass die Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nicht auf dem Wohnungsmarkt, nicht auf dem Arbeitsmarkt und nicht in Fragen der Bildung. Beim Wohnungsbau wird er konkret. „Wir werden neue Stadtteile bauen müssen. Nicht in zehn oder 15 Jahren, sondern in zwei, drei oder vier Jahren.“

Davon ist auch Sieling überzeugt. „Wir haben auch eine Idee, wo das geht. Ich spreche nicht nur von der Osterholzer Feldmark. Auch in Bremen-Nord kann gebaut werden.“ Entscheidend sei, dass keine Flüchtlingsgettos entstünden, sondern „integrierte Stadtteile“. Die Frage, wo das Geld für solche Stadtteile herkommen soll, stellt Arno Gottschalk, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. „Das werden wir mit einer Sparpolitik nicht erreichen. Die vom Bund zugesagten Mittel sind mit 500 Millionen Euro für alle Länder zu gering.“ Für Bremen würden da lediglich fünf Millionen Euro übrig bleiben. „Das reicht für 40 Wohnungen. Wir brauchen aber 6000.“

Am Ende seiner Ausführungen mahnt Schäfer-Gümbel: „Die SPD kann als linke Volkspartei lediglich dann erfolgreich sein, wenn es uns gelingt, die Menschen davon zu überzeugen, dass sozialer Zusammenhalt nur funktioniert, wenn alle teilhaben am Wohlstand.“ Er plädiert dafür, dass die SPD vor der Bundestagswahl ein neues Grundsatzprogramm auflegen solle. Dem pflichtet Sieling bei: „Wir brauchen das.“

Nach der Debatte zeigt sich Björn Tschöpe, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, zuversichtlich, dass dieser Landesparteitag tatsächlich eine Bedeutung über die engen Grenzen Bremens hinaus haben könnte: „Ich glaube, dass dies eine wichtige Debatte war, die auch die programmatische Debatte der SPD auf Bundesebene voranbringen kann.“ Bremen sei als Stadtstaat oftmals ein Versuchslabor. „Hier können im Kleinen Lösungen für große Herausforderungen gefunden werden.“ Auch Reinken ist zufrieden und geht davon aus, dass von Bremen aus Signale in die Republik geschickt werden – nicht zuletzt beim Wohnungsbau.

Ehrung für Moritz Thape

Nach eineinhalb Stunden wird es trocken im Saal. Nicht weil der Redestoff sich zusehends verdichtet, sondern weil die Kaffeetassen ausgehen. „Liebe Genossen, bringt Eure benutzten Tassen wieder zum Tresen, sonst können wir bald nicht mehr ausschenken“, heißt es aus der Küche.

Ein ganz besonderes Kapitel der sozialdemokratischen Geschichte Bremens wird auf dem Landesparteitag neben der Tagesordnung behandelt. Die Ehrung des ehemaligen Landesvorsitzenden, Senators und Bürgermeisters Moritz Thape. „Ohne Dich und Deine Streitbarkeit wären die Weichen in der Wissenschaftspolitik nicht so gestellt worden“, lobt Reinken den 95-Jährigen, der maßgeblich an der Ansiedlung der Universität beteiligt war. Thape erhält stehende Ovationen und hat nach 70 Jahren Parteizugehörigkeit noch einen Geheimtipp für seine Genossen: „Lass euch nicht von allgemeiner Meckerei und auch nicht von Debatten innerhalb der eigenen Partei unsicher machen. Ich hoffe, dass ich noch ’ne Weile dabei sein kann.“

Nach der Verabschiedung einer Resolution zum Thema Flüchtlingspolitik gehen dem Landesparteitag nicht nur die Kaffeetassen, sondern zusehends auch die Genossen aus. Und die, die noch zur Abarbeitung der zahlreichen Anträge geblieben sind, werden zusehends lauter – so laut, dass sie das eine oder andere Mal vom Präsidium zur Ordnung gerufen werden müssen. Der Teilnehmerschwund ist am Ende so offensichtlich, dass ihn der Landesvorsitzende in seinem Schlusswort mit ironischem Unterton rügt. Die Frage seiner Nachfolge spielt übrigens während des gesamten Landesparteitags keine Rolle – zumindest keine öffentliche.

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