Es genügt, wenn ein Smartphone gut sichtbar auf dem Tisch liegt, um die Konzentration und das Lernvermögen einzuschränken. Das Ergebnis einer neu veröffentlichten Überblicksstudie zeigt: An Schulen mit Handyverbot fühlen sich Schüler wohler und sind produktiver. Nach Auswertung von fünf Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden sind Augsburger Wissenschaftler laut einem Bericht der Tagesschau zu dem Ergebnis gekommen, dass das soziale Klima und somit auch das Lernklima von handyfreien Unterrichtsräumen profitiert.
In Ländern wie Frankreich, Italien und jetzt auch Großbritannien sowie den Niederlanden sind die smarten Geräte bereits an Schulen verboten. Die schwedische Gesundheitsbehörde hat laut einem Spiegel-Artikel kürzlich eine Empfehlung ausgesprochen, Kleinkinder unter zwei Jahren grundsätzlich von Bildschirmen fernzuhalten. Bis zum Alter von zwölf Jahren sollten die Heranwachsenden maximal zwei Stunden pro Tag an den Geräten sitzen. Ob Handys auch an deutschen Schulen pauschal verboten werden sollten, wird seit Langem heiß diskutiert.
Die Bremer Bildungsbehörde bekennt sich zu einer eindeutigen Fahrtrichtung. "Für alle schulischen Belange haben sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte dienstliche iPads, die mittlerweile auch in allen Schulen als selbstverständliches Werkzeug im Unterricht angekommen sind und dort eingesetzt werden, wo es didaktisch und pädagogisch Sinn ergibt", heißt es auf Nachfrage. "Somit gibt es keinerlei Veranlassung im Rahmen des Unterrichts auf private Handys zurückzugreifen." Wie die Schulen die Handynutzung in der unterrichtsfreien Zeit handhaben, sei hingegen freigestellt. Zumindest die meisten Grundschulen hätten jedoch ein klares Handyverbot erteilt.
Das bestätigt auch eine Stichprobe. Markus Hallmann, Leiter der Grundschule Am Weidedamm in Findorff, stellt klar: "Handys dürfen bei uns nicht mit in die Schule gebracht werden." Ranzen würden zwar nicht kontrolliert, das Problem liege inzwischen aber auch woanders: Viele Kindern hätten heute Smartwatches, die von den Eltern geortet werden können und mit denen sie eine Auswahl an Kontakten anrufen können. Die Uhren dürften die Kinder zwar am Handgelenk behalten, sie müssten allerdings ausgeschaltet sein, betont Hallmann.

Erziehungswissenschaftler Robert Baar von der Universität Bremen rät dazu, die Handynutzung auch im Unterricht zu thematisieren.
Während die Gesamtschule Bremen-Ost für ihre fünfte bis zehnte Klasse ebenfalls auf ein striktes Handyverbot setzt, dürfen Schüler der Oberstufe zumindest in einem bestimmten Flurbereich während der Pause auf ihre Privatgeräte schauen. Das private Ökumenische Gymnasium in Oberneuland setzt hingegen auf ein komplettes Handyverbot für alle Jahrgänge.
Nur eine der angefragten Schulen beschreitet einen komplett anderen Weg: die ebenfalls private International School of Bremen an der Universität. "Wir machen vieles digital und nutzen Google Classroom für den Unterricht", erklärt Admissions Officer Shanta Krishna Ravindra. Dementsprechend dürften die Schüler auch ihre eigenen Geräte mitbringen. Die private Nutzung im Unterricht sei jedoch nicht gewünscht, worauf die Lehrkräfte auch ein Auge hätten.
Bremer Erziehungswissenschaftler fordert Medientraining
Von einem kompletten Technikverbot raten auch viele Experten ab. Stefan Düll, Verbandspräsident des Deutschen Lehrerverbands, hatte vergangenes Jahr gegenüber der dpa betont: „Ein absolutes Handyverbot für alle Altersgruppen und den gesamten Schulbereich kann man nicht durchsetzen." Er wehrt sich gegen das Bild handysüchtiger Jugendlicher und erklärt im Fachmagazin News4Teachers: "Die Schüler sind nicht blöd. Die wissen schon, dass sie durch eine gewisse Abhängigkeit gefährdet sind. Je älter sie werden, desto reflektierter verwenden sie die Geräte."
Handys und andere Geräte gezielt und didaktisch sinnvoll im Unterricht einzusetzen, fordern nicht nur die Industriestaatenorganisation OECD und die Augsburger Wissenschaftler hinter der Überblicksstudie. Auch der Bremer Erziehungswissenschaftler Robert Baar von der Universität Bremen rät mit Blick auf ständige Erreichbarkeit und "Fear of Missing Out" (FOMO) – die Angst, etwas zu verpassen – dazu, "Kinder und Jugendliche in der Schule im Sinne einer kritischen Medienpädagogik zur Reflexion ihres Medienverhaltens anzuregen". Laut Baar könnte man etwa mit den Schülern diskutieren, warum es für sie so wichtig ist, immer online zu sein, oder wie sie die Zeit am Handy alternativ nutzen können. "Kinder zu einem reflektierten und kritischen Umgang mit Medien zu erziehen, ist sicherlich ein Schlüssel, der in letzter Konsequenz ein Handyverbot an Schulen vielleicht sogar überflüssig macht."