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Bremer Abwasserentsorger Hansewasser: Gutachter empfehlen Übernahme durch die Stadt

Bremen sollte den Stadtentwässerungsbetrieb Hansewasser komplett übernehmen. Eine solche Neuausrichtung hätte nach Einschätzung von Gutachtern konkrete finanzielle Vorteile für die Gebührenzahler.
21.11.2024, 05:22 Uhr
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Hansewasser: Gutachter empfehlen Übernahme durch die Stadt
Von Jürgen Theiner

Die Zukunft der Stadtentwässerung strebt auf eine politische Entscheidung zu. Die Konzession des privaten Kläranlagen- und Kanalnetzbetreibers Hansewasser läuft noch bis 2028, würde sich aber verlängern, wenn Bremen nicht spätestens 2026 die Verträge kündigt und ein neues unternehmerisches Modell auf die Beine stellt. Vor diesem Hintergrund hatte der Senat im vergangenen Jahr ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Vorschläge für eine künftige Organisation der Stadtentwässerung entwickeln sollte.

Die Gutachter des Instituts Econum und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY haben ihre Arbeit getan. Das noch vertrauliche Papier liegt dem WESER-KURIER vor. Darin kommen die Autoren zu klaren Empfehlungen, die auch Auswirkungen auf die Höhe der Abwassergebühren hätten, also praktisch jeden Haushalt berühren würden.

Wie sieht der Status quo aus?

Hansewasser ist ein Privatunternehmen, das zu 75 Prozent den beiden Haupteigentümern Gelsenwasser und SWB gehört. Die Stadt hält die restlichen Anteile. Hansewasser hatte das Netz 1999 von der Kommune gekauft, die dadurch einen dreistelligen Millionenbetrag einnahm. Mit der Arbeit von Hansewasser ist die Bremer Politik parteiübergreifend durchaus zufrieden. Kläranlagen und Kanalnetz sind auf einem funktionstüchtigen, modernen Stand. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer auch Vorwürfe, dass Hansewasser zu hohe Renditen einstreiche.

Welche Zukunftsmodelle wurden geprüft?

Untersucht wurde eine ganze Reihe von rechtlichen Konstrukten, wie die Stadtentwässerung künftig aufzustellen sei. Drei kamen in die engere Wahl. Variante A ähnelt dem aktuellen Zustand. Ein Privatunternehmen würde in einem öffentlich-privaten Gemeinschaftsunternehmen eine Mehrheit halten, allerdings nur noch eine sehr knappe von 50,1 Prozent. Kontroll- und Steuerungsfunktionen wären – anders als heute – in einer von der Stadt errichteten Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gebündelt.

Variante B sieht vor, dass die AöR, also letztlich die Stadtgemeinde Bremen, 100 Prozent der Anteile an der Stadtentwässerung übernimmt. Die bisherigen Mehrheitseigentümer Gelsenwasser und SWB wären dann raus. Unter dem Dach der AöR würde aber weiter eine unternehmerisch agierende GmbH die Stadtentwässerung betreiben. Nach Darstellung der Gutachter hat diese Variante erhebliche positive Auswirkungen, denn: Die Umsatzsteuer auf die Personalkosten der Stadtentwässerung würde voraussichtlich entfallen.

Bei Variante C wäre die AöR nicht nur Aufsichtsorgan, sondern auch Betreiberin von Kläranlagen und Netz. Der Stadtentwässerung würde also letztlich wieder eine Art Behördenstruktur übergestülpt.

Was empfehlen die Gutachter?

Ecoum und EY bevorzugen Variante B. Sie sei aufgrund der steuerlichen Vorteile für die Gebührenzahler und die Stadt als Eigentümerin am attraktivsten. Die Stadt würde in diesem Fall die Anlagen von Hansewasser zurückkaufen. Dafür müssten Kredite in dreistelliger Millionenhöhe aufgenommen und der daraus resultierende Zinsaufwand in die Abwassergebühr eingearbeitet werden. Befürworter dieses Modells weisen allerdings darauf hin, dass auch Hansewasser die Kosten für seine Altkredite bisher schon den Gebührenzahlern in Rechnung stellt.

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Was würde sich für die Bürger ändern?

Die Gutachter erwarten bei Realisierung der Variante B "zeitnah erhebliche strukturelle wirtschaftliche Vorteile" von rund 6,7 Millionen Euro pro Jahr für die Bürger. Bei einem aktuellen Gesamtgebührenaufkommen von etwas mehr als 100 Millionen Euro entspräche das also einem Gebührensenkungspotenzial von etwa sieben Prozent. Auch für die öffentliche Hand ergeben die Prognoseberechnungen einen Vorteil. Er wird auf rund 7,7 Millionen Euro pro Jahr beziffert.

Wie geht es nun weiter?

Am Freitag tagt eine sogenannte Lenkungsgruppe von Staatsräten aus mehreren Senatsressorts, die mit der Zukunft der Stadtentwässerung befasst sind. In dieser Runde soll das Gutachten ausgewertet und das weitere Vorgehen besprochen werden. Das Votum der Gutachter wird in den kommenden Wochen ganz sicher auch die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und Linken beschäftigen, bevor sich der Senat auf ein Modell festlegt. Bisher neigten die Grünen eher dazu, die öffentlich-private Partnerschaft mit Hansewasser fortzusetzen, wenn auch mit neu austarierten Gewichten. Am meisten dürften sich die Linken freuen. Sie waren stets für eine 100-prozentige Übernahme der Hansewasser-Anteile durch die öffentliche Hand.

An diesem Donnerstag findet bei Hansewasser eine Betriebsversammlung statt, zu der auch Vertreter der Bürgerschaftsfraktionen eingeladen sind. Die Belegschaft von Hansewasser stand einer Rekommunalisierung bisher ablehnend gegenüber. Die Vorbehalte richteten sich aber in erster Linie gegen eine mögliche Wiedereingliederung in den Behördenapparat. Wie die Stimmung ist, wenn Hansewasser als Unternehmen erhalten bleibt – nur mit anderer Eigentümerstruktur – wird sich zeigen.

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