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Grünen-Politiker Robert Bücking im Interview „Ich gehe bergauf und bin Außenseiter"

Seine Bewerbung kam kurz vor Schluss: Wie Robert Bücking seine Chancen auf das Amt des Umweltsenators sieht und wie er mit der Verantwortung umgehen würde, beantwortet der Grünen-Politiker im Interview.
07.07.2015, 00:00 Uhr
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Seine Bewerbung kam kurz vor Schluss: Wie Robert Bücking seine Chancen auf das Amt des Umweltsenators sieht und wie er mit der Verantwortung umgehen würde, beantwortet der Grünen-Politiker im Interview.

Herr Bücking, Ihre Bewerbung für das Amt des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr kommt kurz vor Toresschluss und war ein nächtlicher Coup. Was schlägt Ihnen seitdem aus der Partei entgegen?

Robert Bücking: Es gibt Menschen, die das mit Skepsis kommentieren und mich tadeln, dass ich den Grünen das in dieser Phase antue. Viele sagen aber auch, dass es gut so ist, dass die Partei nun zeigen kann, dass sie offen für Neues ist.

Warum haben Sie sich so spät entschlossen?

Ich will nicht flunkern. Mit dem Gedanken, für das Amt zu kandidieren, trage ich mich schon länger. Die Entscheidung, es auch zu tun, fiel bei mir aber erst in der letzten halben Stunde der Koalitionsverhandlungen. Ich habe mir das Ergebnis angeschaut und kam zu dem Schluss, dass wir nach dem Wahlergebnis nicht genauso weitermachen dürfen wie bisher, mit derselben personellen Aufstellung.

Die SPD hat den Bürgermeister ausgewechselt und ein frisches Gesicht für das Bildungsressort präsentiert.

Eben, das ist der Punkt. Manchmal muss man bei allen Vorteilen von Kontinuität den Mut zur Erneuerung aufbringen. Bei uns ist es dafür noch nicht zu spät. Es sind die Parteimitglieder, die darüber am Sonnabend entscheiden. Eine Alternative haben sie jetzt.

Karoline Linnert, die Spitzenkandidatin Ihrer Partei und amtierende Finanzsenatorin, soll im kleinen Kreis gesagt haben, dass es politische Zyklen gebe und die Grünen auf dem absteigenden Ast seien.

Ich hoffe, Sie hat das nicht gesagt. Und es ist ja auch nicht wahr – das Thema, für das wir Grüne stehen, ist aktueller denn je. Sieben Milliarden Menschen wollen am Fortschritt teilhaben und das muss gelingen, ohne dass wir dabei unsere Lebensgrundlagen zerstören. Die Welt verändert sich in rasendem Tempo. Wir müssen uns auch verändern, sonst fliegen wir aus der Kurve.

Wofür stehen die Grünen in Bremen?

Das ist die Frage. Nach acht Jahren Arbeit im Senat müssen wir sagen, was jetzt noch kommen soll. Wir haben die Grundlage für solide und sparsame Haushalte gelegt und können mit dem Bund verhandeln. Jetzt öffnet sich die Chance, dass wieder mehr Menschen in der Stadt leben wollen. Grünes, nachhaltiges Wachstum, das nehmen wir uns vor. Klimaschutz ist davon ein Kern. Eine Stadt, die unter dem Meeresspiegel liegt, kann sich Dummheit nicht leisten.

Sie wollen das mit einer Partei erreichen, die viele als verbraucht empfinden. Die Grünen sind grau geworden, Sie selbst ja auch.

Es gibt sie, die Jungen und Klugen in den verschiedenen Milieus der Stadt. Nur wollen sie sich nicht unbedingt eine Partei zumuten. Auch deshalb brauchen die Bremer Grünen den Willen zur Debatte, zum positiven Streit. Wir müssen ausschwärmen, in die Stadtteile hinein, an die Universität, auch in die Wirtschaft, zu den Ingenieuren. Neugierig sein, Streit aushalten. Da gibt es bei den Grünen ein paar Landesverbände, die das besser können.

Welche politische Erzählung haben die Grünen? Wo müssen sie modern werden?

Im Verhältnis zu Technik und Wirtschaft vor allem. Ohne Innovationen geht es nicht. Innovation kann unser großer Verbündeter sein. Die digitale Revolution ist voller Chancen. Zum Beispiel für die Organisation von Verkehr in der Stadt oder für die Kreislaufwirtschaft von Produktion, Konsum und Abfall. Oder für eine kluge Logistik.

Müssten die Grünen mit ihrem Bausenator nicht zunächst mal ein anderes Zukunftsthema bewältigen – endlich die A 281 zu Ende bauen?

Schön, dass Sie das ansprechen. Wir haben in Bremen eines der modernsten Güterverkehrszentren in Deutschland, das dafür sorgt, dass die Lastwagen nicht halb leer durch die Gegend gondeln. Und dann sollte natürlich auch die Infrastruktur effektiv sein. In so einem Fall sind auch die Grünen für die Autobahn, zumal sie die Siedlungsgebiete von Verkehr entlastet.

Generell mehr Pragmatismus?

Ja. Aber mit einer klaren Richtung. Schauen, was da ist, und intelligent damit umgehen. Das gilt zum Beispiel auch für Mercedes. Freuen wir uns doch, dass dort noch einmal eine Milliarde Euro investiert wird und drängen gleichzeitig darauf, dass die Autos, wenn es sie nun mal gibt, weniger verbrauchen. Sorgen wir in der Stadt dafür, dass die Fahrzeuge geteilt werden können und nicht unnütz herumstehen. Car-Sharing! Vielleicht kann Mercedes dabei ein Partner werden. Im Koalitionsvertrag steht, dass Bremen Modellregion für autonomes Fahren sein könnte. Kurzum: Wir Grüne sollten ein paar Fenster aufmachen.

Tun sie ja. Ein Ja zur Vertiefung der Außenweser – wer hätte das gedacht. Pragmatismus oder Sündenfall?

Moment. Am Ende werden ohnehin die Gerichte eine Vorgabe machen. Der Europäische Gerichtshof hat bereits klar gemacht, dass bei den Flussvertiefungen eine Grenze erreicht ist. Ich glaube deshalb, dass die Elbe nicht noch einmal ausgebaggert wird. Bei der Außenweser muss man das sehen. Bremen und Niedersachsen haben auf jeden Fall mit dem Bau des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven die richtige Entscheidung getroffen. Und halten die Tür für Hamburg offen.

Konkret zu Ihrer Bewerbung. Wenn Sie meinen, dass die Bremer Grünen sich aufmöbeln müssen – wie würden Sie das im Amt des Bau- und Umweltsenators tun?

Zuerst schauen die Leute ja, wie so ein Senator seinen Job macht. Geht er nah ran, wird seine Linie deutlich, ist er lernfähig, trifft er den Tonfall der Stadt? Ich bin hier aufgewachsen. Das traue ich mir zu. Und dann wird es darauf ankommen, die Stadt zu entwickeln – ihre tollen Quartiere. Bremen muss unwiderstehlich werden für junge Leute. Wir möchten, dass möglichst viele Studenten nach ihrem Abschluss in Bremen bleiben. Dafür müssen wir ihnen etwas bieten, nicht nur Wohnungen und Arbeit, sondern ein Klima von Offenheit, Aufbruch, Wagnis, Innovation. Das ist ein Großstadt-Thema, von dem das politische Personal etwas verstehen sollte.

Joachim Lohse versteht also nicht genug davon? Oder warum wollen Sie ihn als Bau- und Umweltsenator ablösen?

Zunächst mal sollte man gucken, was jemand geschaffen hat. Und dafür respektiere ich Joachim Lohse sehr, wie er sich da durchgekämpft hat. Am Ende muss jeder abwägen, ob diese Bilanz ausreicht.

Wie sehen Sie Ihre Chancen am Sonnabend?

Ich gehe bergauf und bin Außenseiter, das ist schon mal klar. Immerhin gibt es jetzt aber eine Debatte und am Ende auch eine Entscheidung. Danach muss nicht mehr darüber diskutiert werden, wer der bessere Senator gewesen wäre. Es gibt ein Ergebnis, und das trägt für die nächsten vier Jahre.

Das Interview führte Jürgen Hinrichs

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