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Betreuungslücke in Bremen Immer mehr Interims-Kitas entstehen in der Stadt

Um Kinder ohne Kita-Platz auf den Schulstart vorzubereiten, ist ein neues Betreuungsformat entstanden. Neue Einrichtungen sollen Kindern acht bis zehn Stunden pro Woche soziales Lernen in der Gruppe bieten.
01.02.2023, 05:00 Uhr
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Immer mehr Interims-Kitas entstehen in der Stadt
Von Sara Sundermann

In Bremen fehlen erneut Tausende Kita-Plätze. Um insbesondere Vorschulkindern ohne Kita-Platz zumindest einige Stunden Betreuung und Gruppenerfahrung zu bieten, sind in Bremen zuletzt immer mehr Interims-Kitas entstanden. Das neue Betreuungsangebot heißt SLIQ, kurz für Soziales Lernen im Quartier. Unversorgte Kinder zwischen drei und sechs Jahren werden hier acht bis zehn Stunden pro Woche betreut. Zum Vergleich: In einer normalen Kita werden Kinder meist 30 bis 40 Stunden pro Woche betreut. Die SLIQ-Angebote ähneln also vom zeitlichen Umfang eher einem Spielkreis als einer Kita, zum Teil werden sie auch als Start-up-Spielkreise bezeichnet.

In Vegesack beispielsweise sind in den Räumen einer ehemaligen Bank-Filiale neun solcher neuen Kindergruppen mit je 15 Kindern gestartet. Vegespatzen heißt die Einrichtung, die im Oktober den Betrieb aufnahm. Für sechs weitere Gruppen wäre noch Platz, sagt Yvonne Riegel, Geschäftsführerin des Trägers Hansea Sana. Die Kinder können jeweils vier Stunden an einem Vormittag und vier Stunden an einem Nachmittag kommen. Die wie eine Kita ausgestatteten Räume werden jeweils von mehreren Gruppen im Schichtsystem genutzt. "Hier steht nicht die Entlastung der Eltern im Fokus – mit acht Stunden Betreuung arbeiten zu gehen, ist auch ziemlich illusorisch", sagt Riegel. Zentral gehe es darum, den Kindern Sozialkompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln, die sie später für den Besuch einer Kita oder in der Schule brauchen: "Wir wollen den Kindern ein bisschen Rüstzeug mitgeben, mittlerweile haben wir auch Sprachförderung an Bord."

"Das soll kein Kita-Ersatz sein"

Ähnlich äußert sich auch Sara Dahnken, Beim Deutschen Roten Kreuz zuständig für eine SLIQ-Gruppe in Tenever namens Kids Club: "Das soll kein Kita-Ersatz sein, wir bieten soziale Gruppenerfahrung für die Kinder", betont sie. In den Interims-Kitas können Kinder zum Beispiel Rituale wie den Morgenkreis und gemeinsames Essen kennenlernen.

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Seit vergangenem Herbst sind in Bremen sieben Standorte mit SLIQ-Kindergruppen entstanden. Sie wurden in verschiedenen Stadtteilen aufgebaut: in Tenever, Gröpelingen, Grohn, Blumenthal, Vegesack, Schwachhausen und in der Vahr. Meist gibt es pro Standort etwa ein Dutzend Plätze, große Einrichtungen wie in Vegesack sind die Ausnahme. Verschiedene Träger vom Deutschen Roten Kreuz über Na'Kita bis zur Caritas betreiben die neuen Standorte. "Wir dürfen kein Kind zurücklassen, das ist mein Anspruch", betonte Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) zuletzt mit Blick auf die Interims-Kitas.

Weitere neue Gruppen geplant

Insgesamt sind in den bisherigen SLIQ-Gruppen laut Bildungsressort Plätze für mehr als 300 Kinder geplant. Weitere Einrichtungen sollen entstehen, sagt Maike Wiedwald, Sprecherin des Bildungsressorts. Über zwei Standorte werde derzeit konkret diskutiert, einer davon solle in Huchting entstehen.

Die Kinder, die zu einer der SLIQ-Gruppen gehen, gelten aus Sicht der Bildungsbehörde weiterhin als unversorgt, der Ausbau der Kita-Plätze soll durch das Angebot nicht gebremst werden. Die neuen Kindergruppen dienten "der Überbrückung der Übergangsphase", bis "qualitativ hochwertige Betreuung" für alle Kinder zur Verfügung stehe, hieß es im Herbst in einem Aufruf von Aulepp und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) zu den Interims-Kitas.

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Zuletzt wurde der Kita-Ausbau vor allem durch den Fachkräftemangel gebremst, etliche neue Kita-Gruppen konnten nicht an den Start gehen, weil keine Erzieherinnen für die Gruppen gefunden werden konnten. Die Interims-Kitas umgehen dieses Problem, indem sie auch anderes Personal zulassen, das aber laut Behörde ein Angebot für eine Weiterqualifizierung bekommen soll. Für weniger als zehn Stunden pro Woche dürfen hier auch pädagogisch nicht ausgebildete Kräfte Kinder betreuen. Ab einer Betreuungszeit von zehn Stunden und mehr brauchen Einrichtungen eine Betriebserlaubnis. Dann greifen umfangreiche Vorschriften von einem festen Fachkraft-Kind-Schlüssel bis zu Regeln für kindgerechte Räume.

Weniger Vorgaben für Personal und Baurecht

Für die SLIQ-Gruppen gelten weniger Vorgaben: Sowohl für das Personal als auch beim Baurecht. Brandschutz und Fluchtwege blieben aber Pflicht, betont Wiedwald. Verzichtbar sei beispielsweise der Einbau spezieller Kindertoiletten, wenn Toiletten für Erwachsene genutzt werden könnten.

Die neuen Gruppen nutzen verschiedene Gebäude: Eine ehemalige Bankfiliale wie in Vegesack, einen früheren Copy-Shop oder die Räume eines Jugendzentrums in Tenever. Und teilweise werden die Kinder überwiegend durch Personal ohne anerkannte pädagogische Ausbildung betreut. So ist es zum Beispiel bei den Vegespatzen: Von den 15 Beschäftigten der Einrichtung sind Riegel zufolge nur die beiden Leitungen pädagogische Fachkräfte. Der Rest des Personals besteht aus Frauen, die neben einem polizeilichen Führungszeugnis vor allem ausreichend Deutsch-Kenntnisse und soziale Fähigkeiten wie Empathie mitbringen. Zum Team gehören zum Beispiel eine Grundschullehrerin aus Kolumbien, eine frühere Schul-Assistenz und eine Friseurin.

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